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Auch wenn Mama Taxifahrerin ist, führt das nicht zur Strafverschärfung bei einem Taxiüberfall

Ist die Strafzumessung in der landgerichtlichen Entscheidung, die dem Beschl. des BGH v. 28.09.2010 – 4 StR 371/10 zugrunde gelegen hat, nun kurios, amüsant oder was? Jedenfalls ist sie falsch. Das LG hat den Angeklagten wegen  Überfalls auf eine Taxifahrerin der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig gesprochen und bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass die Mutter des Angeklagten selbst auch Taxifahrerin ist. Sicherlich löblich, dass die Strafkammer so offenbar ein wenig zum häuslichen Frieden beitragen will, aber: Der BGH sagt: Rechtsfehlerhaft und begründet das wie folgt:

„Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Jugendkammer hat bei der Bemessung der verhängten Freiheitsstrafe innerhalb des nach § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 250 Abs. 1 StGB zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass „seine eigene Mutter Taxifahrerin ist und die Tat insoweit als besonders verwerflich erscheint“. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass die Mutter des Angeklagten den gleichen Beruf ausübt wie das Tatopfer, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben (vgl. MünchKommStGB/Franke § 46 Rn. 32). Die berufliche Stellung der Mutter wirkt sich daher auf das Maß der der Tat des Angeklagten innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht aus. Auch unter dem Gesichtspunkt der aus der Tat sprechenden Gesinnung kommt diesem Umstand keine die Tatschuld steigernde Bedeutung zu.“

Etwas anderes wäre es ggf. gewesen, wenn das LG nur berücksichtigt hätte, dass das Opfer Taxifahrer war und ggf. planmäßig an einen einsamen Ort gelockt worden ist. Das hat der BGH – zumindest bei § 316a StGB – als zulässig angesehen (vgl. BGH 4 StR 311/04 und 4 StR 53/04).

Außer Spesen nichts gewesen …..das haben wir im Revisionsverfahren häufiger

Da ist mal wieder so ein Beschluss, bei dem man denkt: Was hat die Revision dem Angeklagten nun gebracht? Der Angeklagte wird wegen Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch und Körperverletzung verurteilt. Im Revisionsverfahren entfällt die Verurteilung wegen Verjährung. Ergebnis für den Angeklagten: Keine Änderung. Der BGH schreibt dazu in seinem Beschl. v. 15.10.2010 – 2 StR 281/10:

„Die Sachrüge führt in Fall I. 1 der Urteilsgründe zum Wegfall der Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vorsätzlicher Körperverletzung, da insoweit aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Gleichwohl kann die für diesen Fall festge-setzte Einzelstrafe bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte, wenn es die Verfolgungsverjährung beachtet hätte, zumal auch verjährte Delikte – wenn auch mit – minderem Gewicht – bei der Strafzumessung zu Lasten eines Angeklagten berücksichtigt werden können (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 – 3 StR 170/09; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24).“

Ein im Revisionsverfahren häufiges Ergebnis, vor allem weil der BGH immer sehr viel sicher ausschließen kann. 🙁

Strafzumessung: Immer wieder übersehen: Das sog. Doppelverwertungsverbot

Bei der Strafzumessung immer wieder übersehen wird das sog. Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Deshlab musste jetzt auch der BGH in einem BTM-Verfahren das landgerichtliche Urteil aufheben (vgl. Beschl. v. 27.07.2010 – 4 StR 165/10). Der BGH hat beanstandet,  dass das Gericht bei der Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den Umstand strafschärfend berücksichtigt, dass vom bewaffneten Handeltreiben eine besondere Gefährlichkeit ausgeht. Eine solche doppelte Berücksichtigung eines Tatbestandsmerkmals verbietet sich. Gleiches gilt auch hinsichtlich einer strafschärfenden Berücksichtigung der Abgabe von Rauschgift an Jugendliche unter Bezugnahme auf den Umstand, dass der Täter ohne Rücksicht auf deren Alter gehandelt habe. Manchmal versteht man nicht, wie die Tatgerichte diese Dinge übersehen (können).

Strafzumessung: Da haben Revisionen manchmal noch eine Chance…

Wenn man sich so die Revisionsentscheidungen des BGH anschaut und die Rechtsprechung auf der HP des BGH verfolgt, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Revisione – wenn überhaupt – im Strafzumessungsbereich noch eine Erfolgschance haben. Denn immer wieder werden vom BGH Strafzumessungsfehler beanstandet. So auch im Urt. v. 08.07.2010 – 3 StR 151/10. Dort wird – allerdings zu Lasten des Angeklagten – die vom LG in einem Vergewaltigungsverfahren festgesetzte Strafe als zu milde beanstandet. Der BGH führt aus:

„Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht als strafmildernd berücksichtigt, dass die Nebenklägerin durch den Einsatz des Messers und die wiederholt er-zwungenen sexuellen Handlungen keine körperlichen Verletzungen davonge-tragen hat. Dass der Täter kein Verhalten gezeigt hat, durch das er den Tatbe-stand noch eines weiteren Strafgesetzes verwirklicht hätte, kann ihm im Rah-men der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zugute gehalten werden (vgl. BGH bei Miebach NStZ 1998, 132; BGH NStZ 2007, 464, 465).

Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei als Ausländer besonders strafempfindlich. Die Ausländereigen-schaft begründet für sich alleine keine besondere Strafempfindlichkeit; nur be-sondere Umstände wie Verständigungsprobleme, abweichende Lebensbedingungen und erschwerte familiäre Kontakte können ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen (BGHSt 43, 233; BGH NStZ 2006, 35; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 46 Rn. 43b). Konkrete Feststellungen hierzu fehlen.“

Kleiner Anfängerfehler Strafzumessung: Bewertung des Verteidigungsverhaltens

Ich hatte ja bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Strafzumessung häufig (Anfänger-)Fehler gemacht werden. Um einen solchen handelt es sich jetzt auch, auf den der BGH in seinem Beschl .v. 06.07.2010 – 3 StR 219/10 hingewiesen hat. Dort heißt es kurz und trocken:

„Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minderschweren Falles und bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend gewertet, der Angeklagte habe durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei vom Geschädigten grundlos mit einem Messer angegriffen worden und dessen Verletzungen seien bei seinen Abwehrbemühungen entstanden, diesen in unzulässiger Weise in Misskredit gebracht und damit die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens überschritten. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil unter den gegebenen Umständen in einem solchen Verteidigungsverhalten weder eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers noch eine rechtsfeindliche Gesinnung gesehen werden kann (BGH StV 1999, 536 f.).“

Diese „Argumentation“ ist für die Tatgerichte immer gefährlich.