Schlagwort-Archive: Strafzumessung

Strafzumessung: Doppelt genäht hält (nicht immer) besser… oder: immer wieder das Doppelverwertungsverbot

Jedenfalls gilt der Satz „Doppelt genäht hält besser“ nicht für die Strafzumessung, die ja gerade unter dem Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) steht.

Ein Besipiel dafür sind BGH, Beschl. v. 19.04.2011 – 3 StR 80/11 und Beschl. v. 19.04.2011 – 3 StR 82/11. In beiden hatte das LG bei einer Verurteilung wegen schweren und wegen schweren versuchten Bandendiebstahls u.a.

zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er die Taten gemeinschaftlich mit mindestens zwei Mittätern und unter Mitführung von Einbruchswerkzeug begangen habe.

Der BGH moniert das (zu Recht):

„Dies verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB; denn sowohl die Diebstahlsbegehung unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen als auch die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds sind Tatbestandsmerkmale des schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 StGB.“

Und der BGH setzt noch einen drauf:

„Des Weiteren lässt die Zumessungserwägung, es habe sich nicht um Spontantaten gehandelt, besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 3 StR 62/11 mwN).“

In 3 StR 82/11 moniert er dann zusätzlich noch:

„Bedenken im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot bestehen auch insoweit, als die Strafkammer zu Lasten der Angeklagten Me. und H. straferschwerend eine starke Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Eigentum berücksichtigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. No-vember 1998 – 4 StR 406/98).

Verfahrensverzögerung: Doppelte Berücksichtigung bei der Strafzumessung

Der BGH, Beschl. v. 16.03.2011 – 5 StR 585/10 weist (noch einmal) auf einen Punkt hin, der bei der Strafzumessung manchmal übersehen wird, nämlich: Bei der Strafzumessung kann eine überlange Verfahrensdauer doppelt strafmildernd zu beachten sein, und zwar eben nicht nur bei der „allgemeinen Strafzumessung“, sondern auch hinsichtlich der Frage, ob nicht eine eigenständig bedeutsame Verfahrensverzögerung insgesamt eingetreten ist und ob die Verfahrensverzögerung als solche auch einen Verstoß gegen die EMRK dargestellt hat, was im Rahmen einer Kompensation im Wege der Vollstreckungslösung zu beachten ist.

Verfahrensverzögerung – zwar berücksichtigt, Urteil war aber trotzdem aufzuheben

Man stutzt, wenn man die Entscheidung des BGH v. 21.12.2010 – 2 StR 344/10 liest. Das LG hat zugunsten des Angeklagten eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angenommen und kompensiert. Aber: Der BGH hebt das Urteil auf die Revision des Angeklagten hin dennoch auf und begründet das wie folgt:

„Als rechtsfehlerhaft erweist sich aber, dass das Landgericht in der zwischenzeitlichen Nichtverfolgung und dem dadurch eingetretenen Stillstand im Ermittlungsverfahren einen zu kompensierenden Verstoß gegen den aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK, Art. 20 GG resultierenden Anspruch auf zügige Verfahrensdurchführung (vgl. BGHSt 52, 124, 129) gesehen hat. Der Gesetzgeber hat in § 154 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaft ermächtigt, in Durchbrechung des Legalitätsprinzips aus Opportunitätsgründen auf die weitere Verfolgung (vorläufig) zu verzichten (vgl. hierzu Rieß aaO; BT-Drs. 8/976 S. 40). Macht die Staatsanwaltschaft von dieser Möglichkeit aus verfahrensökonomischen Gründen Gebrauch und nimmt sie das Verfahren später in zulässiger Weise wieder auf, kann die hierdurch bewirkte Verzögerung jedenfalls nicht ohne weiteres den Vorwurf der Rechtsstaatswidrigkeit begründen.

c) Durch die ihm somit zu Unrecht gewährte Vollstreckungsanrechnung ist der Angeklagte zwar nicht beschwert, weshalb der Ausspruch über die Kompensation bestehen bleiben muss (vgl. BGHSt 54, 135, 138; BGHR StGB § 46 Abs. 2, Verfahrensverzögerung 20). Der Senat vermag aber nicht auszuschließen, dass sich der Fehler im Rahmen des Strafausspruchs zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt hat…“

Also eine Art positive Doppelverwertung: Kompensation bleibt bestehen, aber Strafausspruch muss noch einmal überprüft werden.

Strafzumessung – Ohne Not an Straftaten beteiligt

An sich ein alter Hut, dass dem Angeklagten in der Regel in der Strafzumessung nicht vorgehalten werden darf, dass er ohne Not straffällig geworden ist. Aber man findet diese oder entsprechende Formulierungen immer wieder in Urteilen. So auch in der dem BGH-Beschl. v. 21.10.2010 – 4 StR 610/10 zugrundeliegenden landgerichtlichen Entscheidung, in der es hieß:

Bei der Zumessung der Einzelstrafen hat das Landgericht neben anderen Erwägungen zu Lasten des Angeklagten gewertet, „dass er sich – ohne erkennbare finanzielle Not – an Taten der mittleren bis Schwerkriminalität beteiligt hat“.

Geht nicht, sagt der BGH:

„Diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Vorhandensein einer für Motivation und Zielsetzung mitbestimmenden finanziellen Notlage wirkt in der Regel zu Gunsten des Täters. Das Fehlen eines solchen möglichen Strafmilderungsgrundes darf nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 1995 – 4 StR 233/95, StV 1995, 584, und vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 46 Rn. 57d mwN).“

Muss an sich nicht sein, dass man das vom BGH vorgehalten bekommt.

Immer wieder falsche Bezugnahmen

Die Bezugnahmen auf Feststellungen/Ausführungen in aufgehobenen Urteilen durch das neu entscheidende Tatgericht beschäftigen den BGH immer wieder. Gerade in dem Bereich werden auch häufig Fehler gemacht, in dem Bezug genommen wird, wo es so bzw. in dem Umfang nicht zulässig ist. Wenn man dazu in den BGH-Beschlüssen liest, ist man dann schon manchmal erstaunt, wie „sorglos“ die Tatgerichte an der Stelle doch sind. So heißt es im Beschl. des BGH v. 25.11.2010 – 3 StR 431/10:

Das Landgericht hat zur Begründung der verhängten Jugendstrafe lediglich Folgendes ausgeführt:

„Grundlage der Strafzumessung hinsichtlich des Angeklagten sind die vom Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht beanstandeten Ausführungen im Urteil des Landgerichts vom 3.3.2009 unter der dortigen Ziff. V., soweit es um die zu Ziff. II. 1 und 2 des Urteils festgestellten Taten geht…. Da bei der Strafzumessung die Tat zu Ziff. II. 3. des vorgenannten Urteils [der gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedene Vorwurf des Wohnungseinbruchsdiebstahls] nicht zu berücksichtigen ist, somit der dem Angeklagten zur Last zu liegende Unrechtsgehalt seiner Taten wesentlich geringer ist, konnte es bei der Bemessung der Einheitsjugendstrafe mit zwei Jahren sein Bewenden haben.“

Der BGH begründet die Aufhebung des Strafausspruchs:

Damit hat die Strafkammer zur Begründung der Jugendstrafe ausschließlich auf die Strafzumessungserwägungen des früheren Urteils Bezug genommen. Diese Bezugnahme ist indes unzulässig, weil der Strafausspruch jenes Urteils und damit die ihn tragenden Erwägungen – anders als die ihm zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen – durch die Entscheidung des Senats vom 25. November 2009 aufgehoben worden ist (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2004 – 4 StR 149/04). Die Strafzumessungserwägungen aus dem früheren Urteil sind deshalb nicht mehr existent und können daher auch nicht Gegenstand einer Bezugnahme sein. Damit fehlt es an einer tragfähigen Begründung der festgesetzten Jugendstrafe.

Und ergibt einen freundlichen Hinweis :-), was alles zu tun ist:

„Der neue Tatrichter wird auf der Grundlage der aufrechterhaltenen Feststellungen aus dem ersten Urteil und ergänzenden Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, die in der neuen Hauptverhandlung getroffen werden, eigenständige und neue Erwägungen zur gesamten Strafzumessung, mithin auch zur Frage der Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht (vgl. zum Verbot der Schlechterstellung Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 331 Rn. 14) anzustellen haben.“