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Geständige Einlassung und kooperatives Verhalten – Auswirkungen auf die Strafzumessung

Der BGH, Beschl. v. 15.06.2011 – 4 StR 224/11 erörtert eine Strafrahmenverschiebung im Falle einer geständigen Einlassung und kooperativen Verhaltens und hält diese für notwendig.

Anlass zu einer Erörterung einer Strafrahmenverschiebung bestehe, wenn sich der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren im Wesentlichen geständig eingelassen und sein kooperatives Verhalten maßgeblichen Anteil an der Ermittlung bislang unbekannter Täter gehabt habe. Ein solcher Anlass liegt auch dann vor, wenn der Täter Taten offenbart, an denen er selbst nicht beteiligt war.

Und: Ein Aussagenotstand ist auch dann zu prüfen, wenn die Beweisperson ein Aussage- bzw. Auskunftsverweigerungsrecht hatte.

Vergleichende Strafzumessung – gibt es nicht bzw. kann es nicht geben

Der 1. Strafsenat des BGH hat in dem zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen BGH, Beschl. v.28.06.2011 – 1 StR 282/11 zur vergleichenden Strafzumessung bei Tatbeteiligten Stellung genommen. Das ist ein Punkt, der in der Praxis immer wieder ein Rolle spielt. Der 1. Strafsenat hat dazu jetzt grundsätzlich Stellung genommen und führt u.a. aus:

Der Revisionsführer weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die vergleichenden Ausführungen des Landgerichts zu der Strafpraxis anderer Gerichte rechtlichen Bedenken begegnet.

Dem Landgericht ist zuzugeben, dass in zahlreichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs das Postulat aufgestellt wird, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 5 StR 536/08 = StV 2009, 244, 245; BGH, Beschluss vom 27. November 2008 – 5 StR 513/08 = StV 2009, 351; BGH, Beschluss vom 11. September 1997 – 4 StR 296/97 = NStZ-RR 1998, 50; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1996 – 1 StR 562/96 = NStZ-RR 1997, 196, 197; BGH, Urteil vom 7. Januar 1992 – 5 StR 614/91 = BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23; BGH, Beschluss vom 9. Juli 1987 – 1 StR 287/87 = BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH, Beschluss vom 16. De-zember 1980 – 1 StR 461/80 = StV 1981, 122, 123; BGH, Urteil vom 14. März 1978 – 1 StR 8/78).

Das soll auch gelten, wenn ein Täter nach Jugendrecht und der andere nach Erwachsenenrecht verurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 1991 – 4 StR 272/91 = StV 1991, 557).

Diese Verpflichtung für den Tatrichter bei seiner Strafzumessungsentscheidung trifft sicherlich zu, wenn Mittäter in einem Urteil abgeurteilt werden. Freilich müssen Unterschiede nur dann im angefochtenen Urteil erläutert werden, wenn sie sich nicht – was aber zumeist der Fall sein wird – aus der Sache selbst ergeben (vgl. u.a. BGH StV 2009, 244, 245; BGH StV 2009, 351; BGH NStZ-RR 1998, 50; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1).

Diese sachlich-rechtliche Begründungspflicht kann auch gegeben sein, wenn die Strafkammer in derselben Besetzung (einschließlich der Schöffen), z.B. in einem abgetrennten Verfahren gegen Mittäter, entscheidet und das oder die anderen Verfahren danach gerichtsbekannt sind. Auf die Strafpraxis anderer Gerichte und auch anderer Kammern desselben Gerichtes kommt es hingegen nicht an (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl., Rn. 485). Ein Grundsatz, dass Mittäter, wenngleich von verschiedenen Gerichten, bei vermeintlich gleicher Tatbeteiligung gleich hoch zu bestrafen seien, besteht nicht und kann in dieser Form auch nicht bestehen, weil die Vergleichsmöglichkeiten zwischen den in verschiedenen Verfahren gewonnenen Ergebnissen zu gering sind, ganz besonders zur inneren Tatseite und zum Ma-ße der Schuld (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 5. April 1951 – 4 StR 129/51 NJW 1951, 532; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23). Dies gilt auch bei vermeintlich abgestufter Beteiligung und demgemäß abgestufter Strafe (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1979 – 3 StR 178/79 bei Schmidt MDR 1979, 886)...“

Tut ja gut, wenn der Gesetzgeber die Auslegung des Regelbeispiels durch den Senat billigt

Der BGH, Beschl. v. 05.05.2011 – 1 StR 116/11 befasst sich mit der Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung und den erforderlichen Feststellungen. Es handelt sich um eine sog. Leitsatzentscheidung des BGH, in der der Leitsatz lautet:

Soweit dazu Anlass besteht, müssen die Urteilsgründe ergeben, ob Steuern in großem Ausmaß i.S.d. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach BGHSt 53, 71 (Betragsgrenzen 50.000 Euro bzw. 100.000 Euro) verkürzt sind. Sie müssen auch ergeben, weshalb trotz des Vorliegens dieses Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall des § 370 Abs. 3 AO nicht angenommen wird (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).“

Soweit so gut. Und dann:

„a) Der Senat hat mit Urteil vom 2. Dezember 2008 (1 StR 416/08, BGHSt 53, 71) das Merkmal „großes Ausmaß“ ausgelegt und dafür folgende Betragsgrenzen bestimmt: Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann ist das Merkmal bei einer Verkürzung in Höhe von 100.000 € erfüllt (Rn. 39, 41). Wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, liegt die Betragsgrenze bei 50.000 € (Rn. 37).

b) Diese Bestimmung der Betragsgrenzen durch den Senat hat der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (BT-Drucks. 17/4182 und 17/4802) aufgegriffen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 17/5067 neu) ist zur Bestimmung der Betragsgrenze, ab welchem bei einer Selbstanzeige Straffreiheit nicht eintritt, unter Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHSt 53, 71 ausgeführt (S. 21): „Die Betragshöhe orientiert sich an der Rechtsprechung des BGH zu dem Regelbeispiel des § 370 Absatz 3 Nummer 1 AO, wo das Merkmal großen Ausmaßes bei 50 000 Euro als erfüllt angesehen wird“. Damit hat der Gesetzgeber ersichtlich die Auslegung des Regelbeispiels durch den Senat gebilligt.“

Tut gut, so was 🙂

Gewerbsmäßigkeit beim BaFöG-Betrug – KG zur Strafzumessung

Im ersten Moment stutzt man und fragt sich: Gewerbsmäßigkeit? Und dann: Ach ja, der sog. „BaFöG-Betrug“ ist ja ein ganz „normaler Betrug“, für den dann auch § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB gilt. Das KG hat jetzt in KG, Urt. v. 07.03.2011 – (2) 1 Ss 423/10 (32/10) zur Strafzumesssung Stellung genommen.

M.E. lesenswert für alle, die in dem Bereich verteidigen (müssen), aber auch darüber hinaus. Denn die Entscheidung zeigt, dass es sich „lohnen“ kann, die Indizwirkung des verwirklichten Regelbeispiels im Einzelfall zu widerlegen. Folge: Niedrigerer Strafrahmen und damit im Zweifel auch eine niedrigere Strafe. Also: Lesenswert.

Strafzumessung: Leugnen steht Strafmilderung nicht entgegen

Eine Leugnen der Tatbeiträge steht einer Strafmilderung (§ 46 StGB) nicht entgegen, so der BGH, Beschl. v. 14.04.2011 – 2 StR 34/11. Der Umstand, dass der Angeklagte seine eigenen Tatbeiträge leugnet, steht nach Auffassung des BGH einer Milderung der Strafe wegen seiner Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten (in Fall: Hinweis auf die beiden Mitangeklagten eines Raubes) nicht entgegen, sondern ist im Rahmen der bei der Ausübung des Ermessens vorzunehmenden  Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.

Und: Ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust durch Einziehung kann strafmildernd zu berücksichtigen sein.