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Das Geständnis beim Polizeibeamten, oder: die List ist erlaubt, die Lüge nicht

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Ich hatte vor einigen Tagen ja schon über den BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – 2 StR 84/16 berichtet (vgl. hier Klassiker II: Mal wieder rechtlicher Hinweis nicht erteilt). Auf die Entscheidung komme ich heute wegen eines obiter dictum des BGH bzw. einer Segelanweisung noch einmal zurück. Es geht um die Verwertbarkeit eines Geständnisses des Angeklagten. Der BGh sieht es als unverwertbar an, und zwar:

„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgen-des hin:

Das vom Angeklagten abgelegte polizeiliche Geständnis vom 23. Juli 2014 ist unter Verstoß gegen § 136a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StPO zustande gekommen und daher unverwertbar. Der Vernehmungsbeamte hatte den Angeklagten in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung mehrfach darauf hingewiesen, dass er ihn zwar nicht für einen „Mörder“ halte, dass die Tat aber angesichts der gravierenden Verletzungsfolgen und des Nachtatverhaltens wie ein „richtiger, klassischer Mord“ erscheine, wenn er – der Beschuldigte – dies nicht richtigstelle und sich zur Sache einlasse. Daraufhin äußerte sich der Beschuldigte zur Sache und räumte den äußeren Tatablauf weitgehend ein.

Diese Verfahrensweise war mit § 136a Abs. 1 StPO, der nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO auch für Polizeibeamte gilt, nicht zu vereinbaren. Zwar schließt § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht die Anwendung jeder List bei einer Vernehmung aus. Die Vorschrift verbietet aber eine Lüge, durch die der Beschuldigte bewusst irregeführt und in seiner Aussagefreiheit beeinträchtigt wird. Weiß der Vernehmende, dass aufgrund der bisherigen Ermittlungen kein dringender Tatverdacht bezüglich eines Mordes besteht, erklärt aber trotzdem, die vorliegenden Beweise ließen dem Beschuldigten keine Chance, er könne seine Lage nur durch ein Geständnis verbessern, so täuscht er ihn über die Beweis- und Verfahrenslage (BGH, Urteil vom 24. August 1988 – 3 StR 129/88, BGHSt 35, 328). So liegt es hier. Ausweislich des den Verwertungswiderspruch zurückweisenden Beschlusses des Schwurgerichts hatte der Vernehmungsbeamte in seiner Vernehmung glaubhaft erklärt, dass die Polizeibeamten „selbst damals zunächst nicht von Mordmerkmalen ausgegangen seien, sondern von einer spontanen Tat, einer Affekttat oder einer Beziehungstat. Mordmerkmale hätten sich für sie erst nach dem Geständnis des Angeklagten offenbart.“ Damit steht fest, dass der Angeklagte bewusst darüber getäuscht worden ist, dass zureichende Anhaltspunkte für den Tatvorwurf des Mordes bestünden.“

Liest man selten, dass der BGH ein Geständnis als unverwertbar ansieht.

(Spam)Genervte Polizei, oder: Gibt es bei Euch keinen Spamfilter?

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Der OLG Karlsruhe, Beschl. v.  23.08.2016 – 11 W 79/16 – hat eine Durchsuchungsproblematik zum Gegenstand, die allerdings ein wenig aus dem Rahmen fällt. Na ja, wenn man sich die Entscheidung des AG ansieht, so ganz dan doch nicht. Es geht um die Anordnung eine Durchsuchungsmaßnahme gegen einen Mann, der Mann, der an verschiedene Polizeiwachen in seiner Umgebbung 57 E-Mails geschickt hatte, nachdem er zwei zuvor schon 39 Mails auf den Weg gebracht hatte: Inhalt waren, wenn man es überhaupt versteht, wohl Beschwerden gegen Behörden.

Die Polizei beantragte dann beim AG die Beschlagnahme von Computern des Betroffenen nach § 33 PolG unter Hinweis darauf, dass durch die Flut der eingehenden E-Mails der Dienstbetrieb wesentlich beschwert und eingeschränkt werde und die Gefahr bestünde, dass wichtige E-Mails nicht rechtzeitig bearbeitet werden könnten. Durch das massenhafte Versenden von E-Mails störe der Betroffene die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das AG hat gemäß §§ 31 Absatz 2 Nr. 2, Absatz 5, 33 Absatz 1 Nr. 1 PolG die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen nach internetfähigen PC’s nebst Zugangshardware (Router, etc.) angeordnet. Es hat dies damit begründet, dass der Betroffene durch eine Flut von beleidigenden und inhaltsleeren E-Mails die Arbeit der o.g. Polizeidienststellen beeinträchtigt und damit die öffentliche Sicherheit nicht unerheblich gestört habe. Da der Betroffene Tage zuvor bereits ein vergleichbares Verhalten an den Tage gelegt habe und möglicherweise psychisch beeinträchtigt sei, bestehe Wiederholungsgefahr, so dass von einer weiteren unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit auszugehen sei

Die Polizei beschlagnahmt dann in der Wohnung des Betroffenen 1 PC, 3 Laptops und zwei Router. Der Betroffene beschwert sich über die Beschlagnahme und macht geltend, dass ihm durch die Wegnahme seiner Fritz-Box-Telefonanlage das Telefonieren unmöglich sei und er im Notfall nicht einmal mehr einen Notruf tätigen könne. Außerdem sei er als Gewerbetreibender auf Telefon und Computer angewiesen. Das OLG gibt dem Betroffenen Recht:

„cc) Die angeordnete Durchsuchung war in Ansehung der Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf die in Art. 13 GG garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung unverhältnismäßig.
    
aa) Zur Verhältnismäßigkeit im Sinne des Übermaßverbots gehören die drei Grundsätze der Geeignetheit, der Erforderlichkeit (gleichbedeutend mit dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs) und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. § 5 Rn. 1; Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. § 5 Rn. 3).
    
bb) Geeignet sind nur solche Maßnahmen, die zur Gefahrenabwehr bei verständiger Würdigung als tauglich zu betrachten sind (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. Rn. 333). Auch wenn eine komplette Gefahrenabwehr nicht Voraussetzung ist, sondern ein Beitrag der Maßnahme zur Erreichung des Ziels ausreicht (Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. § 5 Rn. 3) ist angesichts der weit verbreiteten Möglichkeiten der Versendung von E-Mails insbesondere mit Mobilgeräten zweifelhaft, ob die vom Amtsgericht angeordnete Maßnahme als tauglich anzusehen ist.
    
cc) Der Beschluss des Amtsgerichts verletzt den Grundsatz des geringsten Eingriffs (vgl. hierzu Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. Rn. 335 ff.). Gemäß § 5 PolG hat die Polizei die Maßnahme zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt, wenn für die Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe mehrere Maßnahmen in Betracht kommen.
    
(1) Zunächst hätte für das Amtsgericht im Hinblick auf die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG eine weitere Sachaufklärung nahegelegen. Ausdrückliches Ziel der Polizei war es, die E-Mail Kommunikation des Betroffenen mit der Polizei zu unterbinden. Insofern wäre von der Polizei zu erläutern gewesen, wieso sie dieses Ziel statt durch einen Grundrechtseingriff auf Seite des Betroffenen nicht durch technische Maßnahmen auf Empfängerseite erreichen kann. So ist es bei dem in der Landesverwaltung eingesetzten Standard E-Mail Programm Microsoft Outlook möglich, einen Absender oder die Domain eines Absenders zu sperren. Auch wenn der Betroffene verschiedene E-Mai-Adressen als Absender verwendet hat, waren diese nicht so zahlreich, als dass diese nicht effektiv hätten gesperrt werden können. Außerdem wäre seitens der Polizei darzulegen gewesen, weshalb sie die vom Betroffenen als Absender verwendeten E-Mail-Adressen nicht bei der zuständigen Stelle auf den Spam-Filter des Mailservers der Polizei eintragen oder anderweitig technisch aussortieren lassen kann.
    
(2) Auch unter den gegebenen Umständen wäre eine entsprechend abgeänderte interne Arbeitsweise der Polizei das mildere Mittel gewesen. Wie oben dargelegt ist das Schutzgut der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen vorliegend durch die Bindung personeller Kapazitäten für die Bearbeitung der E-Mails des Betroffenen statt anderer, wichtigerer E-Mails tangiert. Auch hier ist wiederum zu berücksichtigen, dass die E-Mails des Betroffenen größtenteils wirr und unverständlich sind. Es ist daher wie oben dargelegt nicht ersichtlich, dass diese Mitteilungen überhaupt einer Bearbeitung bedurft hätten und wenn, dann jedenfalls keiner sofortigen. Vor diesem Hintergrund wäre es eine Ressourcen schonende und der Priorisierung wichtigerer Aufgaben entsprechende Vorgehensweise der Polizei gewesen, die E-Mails des Betroffenen als Sofortmaßnahme zunächst ungelesen in ein gesondertes Postfach zu verschieben und zu gegebener Zeit nach pflichtgemäßem Ermessen zu bearbeiten oder nicht zu bearbeiten. Dadurch wird auch der Gefahr des Übersehens von E-Mails anderer Adressaten im E-Mail Postfach begegnet. Im Hinblick auf die geringe Bindung von polizeilichen Mitteln für eine derartige Sofortmaßnahme wird eine solche Maßnahme als gleichermaßen geeignet und im Hinblick auf die Grundrechtsposition des Betroffenen aus Art. 13 GG als schonender betrachtet.“

Die Sache mit dem Spamfilter war mir auch spontan eingefallen….

„Schutzparagrafen“ für die Polizei?

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In gewisser Weise passt die gestrige Meldung bei LTO: „Hessischer Innenminister und GdP fordern „Schutzparagraphen“ ganz gut zum OLG Hamm, Beschl. v.18.07.2013 – 5 Ws 245 u. 266/13 – (s. dazu Ultra-Szene, Brisanzspielanreise, Hooligangruppierung; oder: Hohe Straferwartung für “Hooligangewalt”).  Berichtet wird in dem LTO-Beitrag über Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU), der gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei einen besseren Schutz für Polizeibeamte fordert. Man müsse einen eigenen „Schutzparagraph“ im StGB schaffen, um der zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamte zu begegnen, hatte Rhein in der Zeitung Die Welt gefordert. Mehr dazu bei LTO, und auch schon im LawBlog unter: Respekt lässt sich nicht erzwingen.

Was immer ein „Schutzparagraf“ sein soll: Die vorhandenen „Paragrafen“ schützen m.E. schon recht gut, durch einen neuen weiteren Paragrafen wird es m.E. nicht besseren Schutz geben.


Eine Verfolgungsfahrt der etwas anderen Art, oder: Die trainierte Polizei

entnommen: openclipart.org

Eine Verfolgungsfahrt der etwas anderen Art hat gestern in Münster stattgefunden. Während einer Geschwindigkeitsüberwachung durch eine Motorradstreife und eine Fahrradstreife fiel den Polizeibeamten ein Motorroller auf, der zu schnell fuhr – 56 km/h innerorts. Der Motorradpolizist überlegte nicht lange, nahm sich das Fahrrad seines Kollegen und verfolgte den Rollerfahrer. Und: Er hat ihn „gefangen“. Da sag noch mal einer, die Polizei (in Münster) sei nicht trainiert.

Näheres hier in den „Westfälischen Nachrichten“.

Anfängerfehler – dann Grundkurs beim BGH: Die Verlesung der polizeilichen Vernehmung

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Es ist nie gut/schön für das Tatgericht, wenn das Revisionsgericht die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zur Begründung der Aufhebung einer Entscheidung „einrückt“ = selbst zu dem Rechtsproblem nichts mehr schreibt. Meist handelt es sich dann um einen so eindeutigen Fehler in der Tatsacheninstanz, dass dem Revisionsgericht dazu dann auch nichts Besseres mehr einfällt. Das Ganze ist dann eben ein kleiner „Grundkurs“ bzw. wir haben es mit einem Anfängerfehler zu tun. So auch im BGH, Beschl.- v. 18.03.2013 – 3 StR 26/13, der eine Verlesungsproblematik zum Inhalt hat. Worum es geht, ergibt sich aus den knappen Gründen des BGH – mehr musste man aber auch nicht schreiben:

Die Rüge, die Verlesung der polizeilichen Vernehmung des Mitangeklagten sei nach § 253 Abs. 1, § 254 Abs. 1 StPO unzulässig gewesen, hat Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf den Inhalt des Protokolls der polizeilichen Vernehmung des seinerzeitigen Beschuldigten (Verurteilten) C. L. gestützt, der in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (UA S. 5). Der Angeklagte hat den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf in der Hauptverhandlung bestritten (UA S. 5). Das Protokoll der polizeilichen Vernehmung vom 21. November 2008, in der der Verurteilte C. L. die Tat gestanden und seinen Bruder, den Angeklagten, als Mittäter benannt hatte, wurde dem Vernehmungsbeamten, […] der an den Inhalt der Vernehmung keine Erinnerung mehr hatte, gemäß § 253 Abs. 1 StPO zur Stütze des Gedächtnisses vollständig vorgehalten.

Diese Verfahrensweise begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Erklärt ein Vernehmungsbeamter, er könne sich an den Inhalt der Vernehmung nicht erinnern, kommt eine Verlesung der von ihm gefertigten polizeilichen Vernehmungsniederschrift gemäß § 253 Abs. 1 StPO nicht in Betracht. Diese Vorschrift gilt nicht im Rahmen der Vernehmung von Verhörspersonen, die in der Hauptverhandlung über Bekundungen aus-sagen, die andere vor ihnen gemacht haben (vgl. BGH StV 1994, 637). Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn es sich bei dem Zeugen, dessen Gedächtnis unterstützt werden soll, um dieselbe Person handelt, deren Aussage in dem zu verlesenden Protokoll festgestellt wurde (BGH NStZ 1984, 17). Ein Anwendungsfall des § 253 StPO liegt deshalb hier nicht vor. Verhörspersonen können die darüber aufgenommenen Niederschriften zwar vorgehalten werden, sie dürfen aber nicht, wie hier, zum ergänzenden Urkundenbeweis bei Erinnerungsmängeln benutzt werden (vgl. BGH NStZ 1984, 17; Diemer in KK StPO, 6. Aufl. § 253 Rdn. 3). – 4 –

 Da sich die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des An-geklagten maßgeblich auf die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung des Verurteilten C. L. gründet, beruht das Urteil auch auf dem Verfahrensverstoß (§ 337 Abs. 1 StPO).“

Dem schließt sich der Senat an.“