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Seenotrettungsfackeln im Fußballstadion – Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monate ohne…..

entnommen wikimedia.org Urheber Amarhgil

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Heute Abend startet in der 3. Fußballbundesliga in Osnabrück das Derby zwischen dem VL Osnabrück und Preußen Münster. Diese Derbys waren in der Vergangenheit immer spannungsgeladen. Zuletzt so geladen, dass der DFB für die diesjährigen Derbys die Teilnahme von Fans des jeweils anderen Vereins als Zuschauer verboten hat.

Zu dem Auftakt passt dann m.E. ganz gut der Hinweis auf den OLG Hamm, Beschl. v. 11.08.2015 – 5 RVs 80/15 -, über den schon an anderer Stelle berichtet worden ist, der jetzt aber im Volltext vorliegt. Da aus dem Beschluss selbst der Sachverhalt nicht zu entnehmen ist, muss ich auf die PM des OLG Hamm zurückgreifen. Aus der lässt sich entnehmen:

„Für begangene Straftaten im Zusammenhang mit dem Abbrennen von Pyrotechnik beim Spiel des FC Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt am 24.11.2012 muss ein vorbestraftes Mitglied der „Hugos“ eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monate verbüßen, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Das hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.08.2015 entschieden und damit die Revision des Angeklagten gegen das Berufungsurteil des Landgerichts Essen verworfen.

Der heute 25 Jahre alte Angeklagte aus Gelsenkirchen gehört zu den führenden Mitgliedern der sog. Fan-Gruppierung „Hugos“. Er ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten. Zuletzt erhielt er im Juni 2012, rechtskräftig seit Januar 2013, wegen Körperverletzung eine einjährige Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im November 2012 plante der Angeklagte eine Aktion beim Fußballspiel des FC Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt am 24.11.2012, mit der er gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der „Hugos“ in der Schalke-Arena darauf aufmerksam machen wollte, dass die Gruppierung zu Unrecht von Spielen ausgeschlossen werden solle. Zu Beginn der 2. Halbzeit zeigte die Gruppierung ein Banner. Mitglieder, unter ihnen der Angeklagte, entzündeten um das Banner herum 19 Seenotrettungsfackeln. Diese verbreiteten toxische Rauchgase, durch welche 8 unbeteiligte Stadionbesucher, unter anderem ein 12 Jahre altes Kind, zum Teil erhebliche Rauchgasvergiftungen erlitten. Für die Tat wurde der Angeklagte vom Schöffengericht Gelsenkirchen-Buer und sodann – in der Berufungsinstanz – vom Landgericht Essen wegen gefährlicher Körperverletzung, Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt. Das Landgericht Essen lehnte es in der Berufungsinstanz ab, die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung auszusetzen.“

Und die – „und u. a. von einem namhaften Universitätsprofessor begründete“ -Revision hatte dann beim OLG Hamm keinen Erfolg: Das OLG hat nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Zusatz zur Verwerfungsentscheidung:

Ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB liegt nicht vor. Da der Straftatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch nur gegenüber einem einzelnen Opfer verwirklicht werden kann, war das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB nicht daran gehindert, die nicht unerhebliche Zahl der Opfer der hier abgeurteilten Straftat sowie auch die Unbeherrschbarkeit der vom Angeklagten heraufbeschworenen Gefahrenlage strafschärfend zu berücksichtigen (vgl. auch Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rdnr. 19).

Auch die Ausführungen zu § 56 Abs. 1, 2 StGB sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die negative Prognose mit vertretbarer Begründung namentlich auf die zahlreichen, teils auch einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten gestützt. Der Angeklagte hat sich selbst von einer kurz zuvor gegen ihn verhängten Bewährungsstrafe (Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 13. Juni 2012, Az. 60 Ds 609 Js 44603/11) nicht von der Begehung der hier abgeurteilten Straftat abhalten lassen. Die von der Revision vorgetragenen Umstände in der Person des Angeklagten, insbesondere auch die Auswirkungen einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe auf die berufliche Zukunft des Angeklagten, sind sicherlich von Gewicht, gleichwohl bleibt die von der Kammer getroffene Prognoseentscheidung rechtsfehlerfrei. Da der – auch angesichts der familiären Verhältnisse – bislang positive Verlauf der Schul- und Berufsausbildung des Angeklagten einschließlich des angestrebten Studienabschlusses ausdrücklich in den Feststellungen zur Person des Angeklagten hervorgehoben worden ist, kann sicher angenommen werden, dass die hiermit zusammenhängenden Gesichtspunkte vom Landgericht auch bei der Entscheidung nach § 56 StGB berücksichtigt worden sind. Der Vorwurf der Revision, das Landgericht habe zentrale Prognosefaktoren unbeachtet gelassen, geht daher fehl.

Da das Landgericht bereits die Voraussetzungen nach § 56 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei verneint hat, musste die Frage, ob im vorliegenden Fall die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB) – wofür gleich mehrere Umstände des Einzelfalls und auch der Gedanke der Abschreckung möglicher anderer Täter sprechen –, nicht beantwortet werden.“

Um die Entscheidung abschließend beurteilen zu können, müsste man schon etwas mehr aus dem LG-Urteil wissen. So hängt der Beschluss ein wenig in der Luft. Und die PM ist wohl dem Umstand geschuldet, dass man abschrecken will, oder?

Nachtrag v. 17.12.2015: Inzwischen steht das Berufungs-Urteil des LG Essen online, und zwar hier.

Beim OLG Hamm hat der Monat (demnächst) nur noch 25 Tage

© beermedia.de -Fotolia.com

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Ich lese ja gerade Korrektur der Texte für das „Handbuch für die strafverfahrensrechtliche Nachsorge“, in dem es natürlich auch ein Kapitel zur Rechtsbeschwerde nach den §§ 116 StVollzG geben wird. Und da viel mir dann beim Lesen ein, dass in meinem Blogordner immer noch der schon etwas ältere OLG Hamm, Beschl. v. 28.05.2015 – 1 Vollz (Ws) 248/15 – hängt, über den ich schon seit längerem berichten will. In ihm geht es um eine verfristete Rechtsbeschwerde und einen gegen die Fristversäumung gestellten Wiedereinsetzungsantrag.

Der Gefangene hatte seinen Antrag an das zuständige Gericht auf Protokollierung des Rechtsmittels erst drei Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Post gegeben. Das reichte dann nicht mehr für eine rechtzeitige Protokollierung  mit Vorführung zum Rechtspfleger.

Das OLG sieht darin ein Verschulden des Gefangenen und hat die Wiedereinsetzung abgelehnt:

„Zwar ist ein Betroffener nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen. Dies bedeutet auch, dass ein Gefangener grundsätzlich das Recht hat, eine Rechtsbeschwerdebegründung gegebenenfalls auch noch am letzten Tag der Frist zu Protokoll des Urkundsbeamten zu erklären. Es beinhaltet jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auch verpflichtet ist, bei später Antragstellung zur Vorführung allein wegen des bevorstehenden Fristablaufes  überobligatorische Tätigkeiten außerhalb des normalen Geschäftsganges zu entfalten, um die Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewährleisten. Die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsmittelfrist beinhaltet nämlich keine reine Bedenkzeit, sondern umfasst zugleich die Zeitspanne, die dem Betroffenen je nach den Umständen zur Erledigung des rein technischen Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung verbleibt (vgl. Senat a.a.O.). Es muss deshalb von dem Betroffenen erwartet werden, dass er seinerseits alles ihm Zumutbare veranlasst, um die rechtzeitige Protokollierung des Rechtsmittels sicherzustellen…..“

Und das OLG setzt nach – für zukünftige Fälle:

„Es wird insoweit ergänzend ohne Vornahme einer allgemeinen Festlegung für jeden Einzelfall darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Senats ein Protokollierungsersuchen im Regelfall dann als rechtzeitig anzusehen sein wird, wenn es zumindest fünf Werktage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist abgesendet worden ist.

Durch die vorstehend dargelegte Betrachtungsweise wird einem Gefangenen der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsmittelinstanzen auch nicht entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zur Protokollierung der Rechtsbeschwerdebeschwerde eines Gefangenen sind vielmehr als sachlicher Grund anzusehen, der einen für den Betroffenen hinnehmbaren höheren Zeitaufwand erfordert. Hierbei ist zudem zu beachten, dass die Möglichkeit der Protokollierung einer Rechtsbeschwerde vor dem Rechtspfleger sich lediglich als ein gesetzliches Äquivalent zur gemäß § 118 Abs. 3 StVollzG grundsätzlich notwendigen Einlegung des Rechtsmittels unter Mitwirkung eines Rechtsanwaltes darstellt. Auch bei Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes könnte der Betroffene unter Berücksichtigung dessen anderweitiger Auslastung nicht damit rechnen, dass dieser im Falle des Einganges eines Mandatsauftrages am Tag vor Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist für ihn noch in sinnvoller Weise tätig werden könnte. Auch insoweit könnte der Gefangene gerade nicht erwarten, der Rechtsanwalt werde sich bereits am Folgetag in die JVA begeben, um die Angelegenheit zu besprechen und anschließend noch taggleich eine Rechtsbeschwerdebegründung abzufassen und für deren Zugang bei Gericht zu sorgen. Vielmehr wird in derartigen Fällen mangels ausreichender Einarbeitungsmöglichkeiten in die Sach- und Rechtslage eine über die Erhebung der allgemeinen Sachrüge hinausgehende Rechtsbeschwerdebegründung im Regelfall kaum möglich sein.“

Tja, solche „Neigungsbeschlüsse“ sind immer unschön, kündigen sie doch i.d.R. eine Rechtsprechungsänderung an. So wohl auch hier. In Hamm hat der Monat demnächst also nur noch 25 Tage. Ob das das BVerfG schön findet/mitmacht? Man wird es dann sehen.

Mähen an der Straße – wie muss gesichert werden?

entnommen wikimedia.org Urheber Rüdiger Müller

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Im (Hoch)Sommer aber auch jetzt noch – am kommenden Dienstag ist metereologischer Herbstanfang – sieht man sie immer wieder: Die Mähfahrzeuge, die auf dem Seiten- oder Mittelstreifen einer BAB, Bundesstraße oder auch kleineren Straßen mähen. Im Grunde unbeliebt, weil nicht selten durch die Absicherung dieser Arbeiten Fahrzeugstaus entstehen. Und: Ggf. werden vorbei fahrende Fahrzeuge durch hochgeschleuderte Gegenstände beschädigt, was dann zu schwierigen Haftungsfragen führen kann. Mit solchen Fragen befasst sich dann das OLG Hamm, Urt. v. 03.07.2015 – 11 U 169/14, dem die amtlichen Leitsätze vorangestellt worden sind:

  1. 17 Abs. 3 StVG ist anwendbar, wenn bei Mäharbeiten mit einem mittels Traktor betriebenen Mähausleger ein Schaden an einem vorbeifahrenden PKW durch einen hochgeschleuderten Gegenstand verursacht wird.
  2. Zu den gebotenen Sicherheitsvorkehrungen bei der Vornahme von Mäharbeiten.
  3. Ein beim ordnungsgemäßen Betrieb eines den Sicherheitsanforderungen genügenden Mähwerks entstehender Schaden kann ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG sein.

M.E. besonders interessant und als „Leitfaden“ – sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung – zu benutzen sind die umfangreichen Ausführungen des OLG zu den erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen. Man kann nur hoffen, dass die auch beachtet werden.

97 x sexuelller Missbrauch ==> 65.000 € (Mindest)Schmerzensgeld

© Alex White _Fotolia.com

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In einem beim LG Bochum anhängig gewesenen Missbrauchsverfahren wird 2012 ein Vater u.a. wegen 66 Fälle sexuellen Missbrauchs und 31 Fälle schweren sexuellen Missbrauchs zu Lasten seines Sohnes verurteilt. Der Sohn macht dann jetzt beim LG Bochum ein Schmerzensgeld nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2, 823 Abs. 2 i.V.m. § 176 Abs. 1, § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB (jeweils in der im Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Fassung v. 01.04.1998) geltend, und zwar in Höhe von (mindestens) 100.000 €. Das LG gewährt dem Sohn PKH in voller Höhe, den PKH-Antrag des Vaters weist es zurück. Dagegen dann die Beschwerde des Vaters, der beim OLG Hamm einen Teilerfolg erzielt.

Das OLG gewährt PKH, soweit sich der Vater als Beklagter gegen eine den Betrag von 65.000,- € übersteigende Schmerzensgeldforderung nebst darauf entfallender Zinsen wendet. Neben ganz interessanten Ausführungen zur Übernahme der tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils im Zivilverfahren stellt der OLG Hamm, Beschl. v. 27.05.2015 – 9 W 68/14 – zum Schmerzensgeld Folgendes fest:

„Von diesen Grundsätzen ausgehend hält der Senat für die 66 Fälle sexuellen Missbrauchs und die 31 Fälle schweren sexuellen Missbrauchs ein Mindestschmerzensgeld von 65.000,- € für angemessen.

Hierbei hat sich der Senat von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Neben der Vielzahl der Fälle sexuellen Missbrauchs beginnend mit dem 5. Lebensjahr des Klägers und der durch eine besondere Erniedrigung des Klägers gekennzeichneten 31 Fälle schweren sexuellen Missbrauchs durch Ausübung des Analverkehrs mit Samenerguss findet der lange Zeitraum, über den die Taten hinweg begangen worden sind, Berücksichtigung. Das Schweigen des Klägers hat der Beklagte durch Drohungen mit Schlägen herbeigeführt, wodurch der Kläger, wie beabsichtigt, eingeschüchtert war. Der Beklagte hat den Analverkehr, wenn der Kläger dem Ansinnen des Beklagten nicht „freiwillig“ nachkam, durch Anwendung körperlicher Gewalt ermöglicht. Besonderes Gewicht kommt dem Umstand zu, dass die Taten von dem eigenen Vater begangen worden sind, was geeignet ist, das Vertrauen des missbrauchten Kindes in die unbedingte Zuverlässigkeit der eigenen Familie und für zukünftige Beziehungen zu erschüttern. Dem Kläger ist im Strafverfahren eine Aussage nicht erspart geblieben. Der Beklagte leugnet auch noch jetzt seine Täterschaft, obwohl das Gegenteil aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils, denen sich der Senat anschließt, bewiesen ist.

In zulässiger Weise bestritten hat der Beklagte die Behauptung des Klägers, die begangenen Taten hätten zu den beschriebenen psychischen Auffälligkeiten, wie Aggression, soziale Inkompatibilität, Unruhezustände und unkontrolliertem Essverhalten, mit der Folge eines erheblichen Übergewichts, geführt. Dies sei der Grund für seine vorübergehende Unterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in C-M im Jahre 2006 gewesen, in deren Zuge er durch Medikamente sediert worden sei. Dass der Kläger diese Auffälligkeiten gezeigt hat und er wegen dieses Krankheitsbildes in stationärer Behandlung war, hat die Strafkammer zwar in ihrem Strafurteil mitgeteilt, allerdings sind belastbare tatsächliche Feststellungen zu einem Ursachenzusammenhang zwischen dem begangenen sexuellen Missbrauch und diesen psychischen Auffälligkeiten im Strafurteil nicht getroffen worden.

Unter welchen psychischen Folgen der Kläger aktuell infolge des sexuellen Missbrauchs leidet, geht aus der Klagebegründung nicht eindeutig hervor. Hier wird lediglich mitgeteilt, dass der Kläger sich in zurückliegender Zeit in psychologische Behandlung begeben, die Therapie aber abgebrochen habe. Ohne eine notwendige Ergänzung durch erläuternden Sachverhalt bzw. die Vorlage aussagekräftiger ärztlicher Berichte lässt sich hier ein Kausalzusammenhang zwischen Missbrauch und einer wie auch immer zu bezeichnenden psychischen Normabweichung – ggfalls mit Krankheitswert – so nicht herstellen.

Das Landgericht wird – ggfalls unter Berücksichtigung nachgeholten ergänzenden Sachvortrags – der Behauptung des Klägers zu in der Vergangenheit liegenden oder auch aktuellen psychischen von der Norm abweichenden Zuständen und deren Verursachung durch den Missbrauch durch Einholung eines medizinischen Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie weiter nachzugehen haben. Insoweit bedarf auch der Aufklärung, ob eine Besserung durch eine zumutbare Behandlung möglich ist, oder ob insoweit von einer Dauerfolge auszugehen ist.

Sollte die Beweisaufnahme in Anwendung des Beweismaßstabs des § 287 ZPO mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die behaupteten psychischen Auffälligkeiten in der Vergangenheit vorgelegen haben und ggfalls auch aktuell noch vorliegen, kommt eine Erhöhung des Schmerzensgeldes über den Betrag von 65.000,- € hinaus in Betracht. Die Bemessung hängt dann von dem Ausmaß der psychischen kausal verursachten Beeinträchtigungen und dem Umfang ab, in dem sich diese konkret auswirken.“

Die Entscheidung gibt dann ggf. Anhaltspunkte auch in anderen vergleichbaren Fällen. Dabei wird man aber bei Fällen außerhalb der Fälle berücksichtigen müssen, dass das OLG dem Umstand zu, dass die Taten von dem eigenen Vater begangen worden sind, „besonderes Gewicht“ beigemessen hat.

„…entsprechend der verdorbenen charakterlichen Natur….“ – Noch „Kampf ums Recht“?

© fotodo - Fotolia.com

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Im Recht der Beleidigung (§ 185 StGB) werden die Grenzen häufig auf der Grundlage des Rechts der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) manchmal recht weit gezogen. Ihre Grenze finden die Grenzen allerdings dann, wenn es sich bei der Äußerung, um die es geht, um eine ehrverletzende Äußerung, die eine persönliche Kränkung und Schmähung des Verletzten zum Ausdruck bringt, handelt. Diese sog. Schmähkritik ist dann strafbar. Und mit der Frage: Noch Kampf ums Recht oder schon Schmähkritik, ja oder nein?, hatte sich das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 07.05.2015 – 5 RVs 55/15 – zu befassen. Grundlage waren folgende Festellungen des LG:

Vor dem Hintergrund einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung, die zwischen dem Angeklagten als Beklagtem und Mieter einerseits und Q als Kläger und Vermieter – welcher durch seinen Bruder Rechtsanwalt Q vertreten wurde – andererseits vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen anhängig war, schrieb der Angeklagte in einem Schreiben vom 4.12.2013 an das Amtsgericht Gelsenkirchen u.a.:

„Sie macht es sich leicht, unterstellt dem Beklagten ohne jegliche Nachprüfung, es seien noch Schilder im Hausflur angebracht und stellt eiligst Zwangsvollstreckungsanträge, um – siehe Punkt 3 – entsprechend der verdorbenen charakterlichen Natur der beiden Q-Brüder auch weiter hin für „Ärger und Krawall hier im Hause zu sorgen“.“

Das OLG sieht diese Äußerung mit dem LG als (strafbare) Schmähkritik:

„…Aber auch vor dem Hintergrund dieser engen Vorgaben ist im vorliegenden Fall die Grenze des Hinzunehmenden überschritten. Der Angeklagte hat mit der von ihm gewählten Formulierung eindeutig den Charakter und damit die Person des Anzeigeerstatters selbst diffamiert. Im Ergebnis sind dem Anzeigeerstatter die persönlichen Kompetenzen, die die Voraussetzung für ein moralisches Handeln bilden, abgesprochen worden. Seine persönliche Integrität und auch die Fähigkeit, das eigene Verhalten nach allgemein anerkannten moralischen Maßstäben auszurichten, wurden in Gänze in Abrede gestellt. Der Versuch des Angeklagten, die Bedeutung des Wortes „verdorben“ nunmehr dadurch zu relativieren, dass als Synonym das Wort „unanständig“ herangezogen wird, schlägt fehl. Unabhängig davon, dass auch die Bezeichnung als „unanständig“ geeignet ist, den Charakter und damit die Persönlichkeit des Anzeigeerstatters zu diffamieren, werden üblicherweise als Synonym zu „verdorben“ die Wörter „unmoralisch“, „sittenlos“ oder auch „schamlos“ verwendet. Unter allen Bezeichnungen wird eine persönliche Kränkung des Anzeigeerstatters herbeigeführt, die eine besondere Abwertung seiner Person zum Ausdruck bringt.

Der Senat hat dabei – wie auch das Landgericht – nicht übersehen, dass im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vor Gericht eine scharfe Sprache angebracht sein kann. Im „Kampf um das Recht“ müssen durchaus starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte hingenommen werden (vgl. BVerfG [Kammerbeschluss], NJW 1988, 191, 193; BGH, NJW 1988, 1099; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1996, 5, 7). Dies gilt auch für den Fall, dass ein Anwalt – wie hier – in eigener Sache tätig wird. An ihn dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden als an andere im Rahmen der anwaltlichen Wahrnehmung von Mandanteninteressen (vgl. KG, JR 1988, 523; Lencker/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 193 Rdnr. 22). Hinsichtlich der Bewertung von Werturteilen gilt, dass es zwar zulässig ist, wenn der Anwalt in einem Schriftsatz aus der im Einzelnen aufgelisteten sachlichen Kritik ehrenrürige Schlussfolgerungen zieht, jedoch darf hiermit keine zusätzliche Abwertung des Betroffenen einhergehen und zum Ausdruck gebracht werden (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Lencker/Eisele, a.a.O.). Letzteres ist indes im vorliegenden Fall geschehen. Der Angeklagte hat mit der von ihm gewählten Formulierung, die auch nicht als bloß polemische oder ironisierende Äußerung eingeordnet werden kann, die Grenzen einer sachlichen Auseinandersetzung vor Gericht überschritten. Der Hinweis auf eine „verdorbene charakterliche Natur“ des Vermieters bzw. seines anwaltlichen Vertreters lässt keinen Sachzusammenhang zu miet- oder vollstreckungsrechtlichen Fragen erkennen. Die eigene Rechtsposition ist hierdurch in keiner Weise argumentativ untermauert worden. Der Angeklagte hat das Verfahren lediglich zum Anlass genommen, die Betroffenen persönlich zu kränken.“

Also danach: Grenze überschritten.