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Muss ich am Schild „Ende der Autobahn“ auf jeden Fall bremsen?

entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus

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Nachdem ja nun schon in vielen verkehrsrechtlich ausgerichteten Blogs über den OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2015 – 5 RBs 34/15 – berichtet worden ist, will ich das dann auch jetzt (endlich) tun. Er hat eine Fallkonstellation zum Gegenstand, die m.E. wahrscheinlich gar nicht so oder in ähnlicher Form gar nicht so selten sein wird.

Das AG hatte den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung – 76 km/h anstelle der nach Auffassung des AG innerorts zulässigen 50 km/h – verurteilt. Die Feststellung, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft erfolgt sei, hatte das AG auf der Grundlage getroffen, dass der Betroffene eingeräumt habe, nach Verlassen der zuvor von ihm befahrenen BAB 52 ein Verkehrsschild mit dem Zeichen 330.2 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO („Ende der Autobahn“) wahrgenommen und passiert zu haben. Angesichts dieses Schildes habe sich der Betroffene – so das AG – „an der allgemeinen Regel aus § 3 Abs. 3 StVO orientieren und mithin eine Geschwindigkeitsobergrenze von 50 km/h einhalten“ müssen. Das Amtsgericht hat angenommen, dass vor diesem Hintergrund das Vorhandensein eines weiteren, die Geschwindigkeit regelnden Schildes bzw. eines Ortseingangsschildes irrelevant sei.

Das OLG sieht das anders und hat das AG-Urteil aufgehoben. Denn:

„Das Amtsgericht hat die Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts und zum dazugehörigen Fahrlässigkeitsvorwurf allein darauf gestützt, dass der Betroffene eingeräumt habe, nach Verlassen der BAB 52 ein Verkehrsschild mit dem Zeichen 330.2 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO („Ende der Autobahn“) wahrgenommen und passiert zu haben. Jedoch zeigt dieses Zeichen lediglich an, dass die besonderen Regelungen für die Autobahn fortan nicht mehr gelten. Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung kommt dem Zeichen 330.2 hingegen nicht zu (vgl. bereits OLG Düsseldorf, VRS 64, 460, 461). Vor diesem Hintergrund hätte das Amtsgericht aufklären müssen, ob entweder tatsächlich ein Ortseingangsschild aufgestellt war (und ggfs. wo genau) oder aber der Charakter einer geschlossenen Ortschaft offensichtlich und eindeutig gewesen ist. Denn wenn eine Ortstafel fehlt, beginnt die geschlossene Ortschaft da, wo die eindeutig geschlossene Bauweise erkennbar anfängt (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 1996, 247; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 3 StVO Rdnr. 61). Feststellungen hierzu, die eine Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts tragen könnten (s. etwa OLG Schleswig, NZV 1993, 39), sind nicht ausgeschlossen.“

Schönes Schmankerl 🙂 .

Das zulässige Verbot der Internetnutzung als Bewährungsauflage….

© Maksim Kabakou Fotolia.com

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Auch mit Strafvollstreckung zu tun hat der OLG Hamm, Beschl. v. 10.11.2015 – 1 Ws 507 u. 508/15. Der Verurteilte ist wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften zu mehreren Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Die StVK hat die Vollstreckung der Strafreste in beiden Sachen nach Verbüßung von Zwei-Dritteln der erkannten Strafen zur Bewährung ausgesetzt. In dem Beschluss hat es dem Verurteilten (u.a.) folgende Weisung erteilt: „5. Dem Verurteilten wird darüber hinaus untersagt, einen Internetanschluss zu betreiben oder in sonstiger Weise vorzuhalten und zu nutzen.“ Die Weisung hat der Verurteilte angegriffen. Er hat dazu angeführt, dass er für eine angestrebte Umschulung bei der E Akademie das Internet benötige. Ferner sei eine Arbeitsplatzsuche ohne Internet kaum möglich und die Kommunikation mit Ämtern und die Wohnungssuche sei wesentlich erschwert. Die Umschulungsmaßnahme erfordert eine Internetnutzung „vor Ort“, während Hausaufgaben nicht aufgegeben werden. Die Bewährungshelferin des Verurteilten hat sich  dafür ausgesprochen, dem Verurteilten eine Internetnutzung in den Räumlichkeiten der E Akademie zu gestatten. Diese Gestattung hat die StVK dann ausgesprochen.

Inzwischen hat er erneut die Aufhebung der Weisung beantragt. Den Antrag hat die StVK zurückgewiesen. Das OLG hat das bestätigt:

„….Die Weisung selbst ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Sie untersagt den Betrieb jeglichen Internetanschlusses durch den Verurteilten selbst, bzw. das sonstige Vorhalten und die Nutzung eines jeglichen Internetanschlusses durch den Verurteilten. Durch das Schreiben der Strafvollstreckungskammer wurde hiervon die Nutzung eines Internetanschlusses (also nicht der eigene Betrieb oder das sonstige Vorhalten) zum Zwecke der Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme ausgenommen.

Einer Zustimmung des Verurteilten zu der vorliegenden Weisung bedurfte es nicht (vgl. § 56c Abs. 3 StGB).

Die Weisung stellt keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten (§ 56c Abs. 1 S. 2 StGB). Sie verstößt nicht gegen das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, auf das sich der Verurteilte mit seinen Hinweisen auf die Gepflogenheiten der heutigen Kommunikation, insbesondere bzgl. der Erschwernisse bei dem Inhalt von Informationen im Rahmen der Arbeits- und Wohnungssuche, offenbar berufen will. Zwar ist der Schutzbereich der Informationsfreiheit betroffen, da die Informationsfreiheit der Internetnutzer die Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet als einer allgemein zugänglichen Quelle erfasst (BVerfG NJW 2012, 3423; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2014 – 27 K 7499/13 – [juris]). Das Internet ist technisch geeignet und dazu bestimmt, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (vgl. zu dieser allgemeinen Voraussetzung: BVerfG, Beschl. v. 25.04.1972 – 1 BvL 13/67 – [juris] = BVerfGE 33, 52).

Das Grundrecht ist aber nicht vorbehaltslos gewährleistet. Eine Weisung nach § 56c Abs. 1 StGB unterfällt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG; danach finden die Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG „ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“. § 56c Abs. 1 StGB ist ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG. Ein allgemeines Gesetz liegt vor, wenn es sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet (BVerfG, Beschl. v. 25.04.1972 – 1 BvL 13/67 – [juris] = BVerfGE 33, 52). Die gesetzliche Grundlage für die Erteilung von Weisungen im Rahmen der Bewährung richtet sich nicht gegen die Abgabe oder den Erhalt bestimmter Meinungen, ist also „allgemein“ (vgl. auch: OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.09.2010 – 3 Ws 839/10 – [juris]). ….“

Anhörung: Der (Pflicht)Verteidiger muss dabei sein, oder: Wenn das Anwesenheitsrecht zur Farce wird

© fotomek - Fotolia.com

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Machen wir heute noch einmal einen „Strafvollstreckungstag“, also Entscheidungen, die aus dem Vollstreckungsverfahren stammen. Zunächst zwei Beschlüsse, die sich mit der nicht erfolgten Teilnahme des Verteidigers an der Anhörung des Verurteilten im Verfahren über die Reststrafenaussetzung (§§ 57 ff. StGB; 454, 463 StPO) befassen. In beiden Fällen haben die OLG (mal wieder) das Recht auf eine faires Verfahren für den Verurteilten betonen müssen.

Das ist zunächst der OLG Nürnberg, Beschl. v. 02.12.2015 – 1 Ws 546/15. Da ist es ein wenig (zu) schnell gegangen bei der StVK. Anberaumung des Anhörungstermins am 14.10.2015 auf den 16.10.2015. Ladung des Verteidigers nicht per Fax, sondern auf normalem Weg, allerdings zunächst Eingang als Irrläufer bei einer anderen Anwaltskanzlei. Der Anhörungstermin findet dennoch statt, Strafaussetzung wird abgelehnt. Das OLG Nürnberg meint: So nicht. Denn:

„1. Der auf dem Rechtsstaatsprinzip basierende Grundsatz des fairen Verfahrens gibt dem Verurteilten das Recht, zu, seiner mündlichen Anhörung im Verfahren über die Aussetzung eines Strafrestes einen Rechtsbeistand seines Vertrauens hinzuzuziehen. Das Recht auf ein faires Verfahren gibt dem Verurteilten jedoch nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf einen Rechtsbeistand, sondern gewährleistet dies lediglich in den Grenzen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Abwägung zwischen den Verfahrensrechten des Verurteilten einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Verfahrens andererseits. So gehört es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Gerichts, den Verteidiger von dem Termin zur mündlichen Anhörung zu benachrichtigen, sondern es obliegt dem Verurteilten, selbst dafür Sorge zu treffen, dass sein Rechtsbeistand zur mündlichen Anhörung erscheint und seine Interessen vertritt. Erfolgt die Anhörung jedoch kurzfristig, so hat das Gericht den Verteidiger zu benachrichtigen, da anders der Anspruch auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht durchsetzbar ist (vgl. OLG Saarbrücken, NStZ 2011, 478, 479 m.w.N.).

2. Dies zu Grunde gelegt ist im vorliegenden Fall die unterbliebene Hinzuziehung des Verteidigers zum Termin zur mündlichen Anhörung als schwerwiegender Verfahrensfehler zu werten, der die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses notwendig macht. Zwischen der Terminsverfügung vom 14.10.2015 und dem Anhörungstermin vom 16.10.2015 um. 8.30 Uhr lag nur ein Tag. Nachdem die Terminsnachricht nicht per Fax erfolgte und überdies als Irrläufer am 15.10.2015 zunächst eine verfahrensfremde Anwaltskanzlei erreichte, erhielt der Verteidiger erst Nachricht vom Anhörungstermin, als dieser bereits stattgefunden hatte.“

Und der zweite Beschluss ist der OLG Hamm, Beschl. v. 16.06.2015 – 4 Ws 200/15. Da hatte die Anhörung über die Aussetzung einer Maßregel ohne den erkrankten Pflichtverteidiger statt gefunden. Hat dem OLG nicht gefallen:

„…. Jedoch gebietet es der im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Verteidiger in entsprechender Anwendung der §§ 163, 168 c StPO auch bei der mündlichen Anhörung im Vollstreckungsverfahren die Teilnahme zu gestatten (zu vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.01.2006 – 2 Ws 23/06 -).

Dieses Recht hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vorliegend verletzt. Angesichts der plötzlichen Erkrankung des Pflichtverteidigers hätte, was auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine neue Anhörung anberaumt werden müssen. Davon war die Strafvollstreckungskammer auch nicht deswegen entbunden, weil die Untergebrachte bei der Anhörung geäußert hat, sie sei damit einverstanden, dass diese ohne ihren Pflichtverteidiger stattfinde. Denn die Rechtsprechung misst einem ausdrücklichen Verzicht eines Verurteilten nur insoweit rechtliche Bedeutung bei, als er selbst auf eine Anhörung verzichtet. Einem Verurteilten, der an der zu treffenden Entscheidung kein Interesse zeigt, wird die mündliche Anhörung nicht aufgedrängt (zu vgl. OLG Köln, a.a.O.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr wird das Anwesenheitsrecht des Pflichtverteidigers durch Erklärungen, wie sie die Untergebrachte hier abgegeben hat, nicht berührt. Der Pflichtverteidiger ist Beistand, nicht Vertreter des Untergebrachten. Seine Aufgabe verlangt von ihm, das Verfahren in eigener Verantwortung und unabhängig von dem Untergebrachten zu dessen Schutz mitzugestalten (zu vgl. OLG Köln, a.a.O.). Die dem Pflichtverteidiger gebotene Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme genügte ebenfalls nicht zur sachgerechten Wahrnehmung des Rechts der Untergebrachten. Vielmehr stellt dies eine Verkürzung ihrer Rechte dar. Denn nur die mündliche Anhörung bietet die ausreichende Gewähr für eine sachgerechte Stellungnahme durch den Verteidiger, insbesondere vor dem Hintergrund, insoweit die Sache mit dem Gericht und den weiteren Beteiligten – hier insbesondere den Betreuern und Bezugstherapeuten der Untergebrachten – zu erörtern.“

In beiden Fällen: Bitte noch einmal…. Und man fragt sich, warum man eigentlich einen Termin innerhalb von zwei Tagen anberaumt und dann, wenn der Verteidiger nicht da ist, auch durchzieht. Da wird das Anwesenheitsrecht des Verteidigers zur Farce. Dasselbe gilt letztlich, wenn ich den Anhörungstermin durchführe, obwohl der von der Kammer selbst beigeordnete Rechtsanwalt wegen Erkrankung nicht erschienen ist.

Duschen im Strafvollzug? – zweimal/Woche reicht

entnommen wikimedia.org Urheber Sozialutopist

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Urheber Sozialutopist

Manchmal weiß ich nicht so genau, was ich von einer Entscheidung halten soll. So ist es mir vor einigen Tagen mit dem OLG, Beschl. v. 10.11.2015 – 1 Vollz (Ws) 458/15 – ergangen. In ihm geht es um einen inhaftierten Verurteilten, der den Antrag gestellt hatte, die JVA zu verpflichten, ihm tägliches Duschen, hilfsweise Duschen in zweitägigem Abstand, zu gestatten. Die JVA hat das abgelehnt. Sie meint, tägliches Duschen sei, sofern keiner körperlichen Arbeit nachgegangen werde, nicht notwendig. Die StVK hat dann § 56 StVollzG als Prüfungsmaßstab herangezogen und ist der Auffassung gewesen, dass die Ablehnung zu Recht erfolgt sei, weil der Körperhygiene durch die Waschmöglichkeit in der Nasszelle hinreichend Rechnung getragen werden könne. Dagegen dann die Rechtsbeschwerde an das OLG. Und das lehnt ebenfalls ab. Begründung:

  • Ein Anspruch auf tägliches Duschen ergibt sich „nicht aus 43 Abs. 1 S. 1 StVollzG NRW. Danach ist für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Gefangenen zu sorgen. Es ist aber nichts dazu festgestellt und nichts dafür erkennbar, dass das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen ohne tägliches Duschen, unter den gegebenen Umständen (Duschen zweimal in der Woche, daneben Möglichkeit des normalen Waschens in der Nasszelle) leidet. Es kann auch nicht als allgemeinkundig angesehen werden, dass tägliches Duschen für das körperliche Wohlbefinden (bei den geschilderten Alternativmöglichkeiten der Körperpflege) notwendig wäre. So finden sich vielmehr in der Tagespresse immer wieder Warnungen von Dermatologen vor zu viel Duschen. Zwei bis dreimaliges Duschen pro Woche sei ausreichend (vgl. u.a. www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/dermatologen-warnen-zuviel-waschen-ist-ungesund-1.603741 – vom 17.05.2010; http://www.merkur.de/leben/gesundheit/duschen-schadet-haut-hautaerzte-warnen-haeufigem-duschen-zr-3685210.html – vom 08.07.2014). ….“
  • Die Entscheidung ist „nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere hat die Justizvollzugsanstalt nicht etwa die Grenzen ihres Ermessens überschritten, weil diese durch in § 2 Abs. 1 StVollzG NRW normierten Angleichungsgrundsatz bzgl. der Frage des Duschens enger gezogen sein könnten.

2 Abs. 1 StVollzG NRW bestimmt, dass das Leben im Vollzug der Freiheitsstrafe soweit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden soll. Was die allgemeinen Lebensverhältnisse sind, definiert weder das Gesetz selbst noch lässt sich dies der Gesetzesbegründung entnehmen. Die Wortbedeutung „allgemein“ wird als „allen gemeinsam“, „von allen“, „für alle“, „überall verbreitet“, „bei allen“, „gemeinsam“, „alle Bereiche betreffend“ umschrieben (Duden, www.duden.de/rechtschreibung/allgemein). Danach können „allgemeine“ Lebensverhältnisse also nur solche sein, die von der Gesamtbevölkerung oder jedenfalls dem ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung geteilt werden. „Allgemein“ sind danach solche Lebensverhältnisse noch nicht, die lediglich von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt werden. Der Senat versteht darunter im Hinblick auf die oben genannte Wortbedeutung Lebensverhältnisse, die einer gesamtgesellschaftlich anerkannten Norm entsprechen (OLG Hamm, Beschl. v. 14.08.2014 – III – 1 Vollz(Ws) 365/14 – […]). Die gesellschaftliche Norm, das vermag der Senat auch ohne statistischen Nachweis als allgemeinkundig vorauszusetzen, ist eine mindestens tägliche Körperpflege, die auf unterschiedliche Weise, etwa durch Waschen am Waschbecken, durch Baden oder auch durch Duschen vollzogen werden kann (wobei im Falle der regelmäßigen Körperpflege durch Waschen am Waschbecken ein gelegentliches Duschen oder Baden als Ergänzung hinzutreten dürfte). Ein gesellschaftliche Norm dahin, dass die tägliche Körperpflege jeweils immer durch Duschen vorzunehmen ist, lässt sich hingegen nicht feststellen.“

Na ja. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. So lässt sich schön argumentieren aus den wohl gepflegten Dienstzimmern. Und wenn der betroffene Gefangene nun mal zu den 2/3 der Bevölkerung gehört, die täglich duschen (wollen)? Es bleibt ein bitterer Beigeschmack.

Unfall mit Todesfolge – schließt erhebliches Mitverschulden die Vorhersehbarkeit aus?

© sablin - Fotolia.com

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Ein tragisches Unfallgeschehen lag dem OLG Hamm, Beschl. v. 20.08.2015 – 5 RVs 102/15 – zugrunde: Der Angeklagte fuhr mit einem Transporter im Stadtgebiet von Essen und beabsichtigte eine beampelte Kreuzung geradeaus zu überqueren. Von links kommend näherte sich der Unfallgegner, um die Kreuzung aus seiner Sicht ebenfalls geradeaus zu überqueren. Im Kreuzungsbereich war die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt. Der Angeklagte fuhr mit mindestens 65 km/h in den Kreuzungsbereich ein, der Unfallgegner fuhr ca. 30 km/h. Beide Fahrzeugführer überquerten mit einem geringen zeitlichen Abstand die jeweils für sie geltende Haltelinie. Welcher von ihnen einen Rotlichtverstoß beging, ließ sich nicht mehr klären. Trotz eingeleiteten Bremsmanövers kollidierte der Transporter des Angeklagten im Kreuzungsbereich mit der rechten Fahrzeugseite des Pkw des Unfallgegners. Neben dem Unfallgegner, der leicht verletzt wurde, erlitt dabei dessen Beifahrer so schwere Verletzungen, dass er wenige Wochen später verstarb. Der Angeklagte ist vom AG und vom LG wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden.

Die Revision des Angeklagten hatte beim OLG Hamm Erfolg. Das OLG geht davon aus, dass das LG hat den Unfall mit seinen erheblichen Folgen zwar rechtsfehlerfrei dem fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoß des Angeklagten zugerechnet hat. Wäre der Angeklagte beim Passieren der Haltlinie durch den Unfallgegner, das ist der Beginn der kritischen Verkehrssituation, nur 50 km/h gefahren, hätte der die Unfallstelle bereits passiert, bevor er den Transporter des Angeklagten erreicht hätte. Aber:

Allerdings reichen die bislang getroffenen Feststellungen nicht aus, um ein gänzlich vernunftwidriges Verhalten des Unfallgegners – hier des Zeugen X – auszuschließen, das unter dem Gesichtspunkt eines überwiegenden Mitverschuldens der Vorhersehbarkeit des Unfalls und damit auch der Vorhersehbarkeit der eingetretenen Tatfolgen entgegen stünde.

Ein Mitverschulden des Unfallgegners ist dann geeignet, die Vorhersehbarkeit eines Unfalls für den Beschuldigten einer fahrlässigen Tötung oder einer fahrlässigen Körperverletzung auszuschließen, wenn es in einem gänzlich vernunftwidrigen oder außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Verhalten besteht (vgl. BGHSt 12, 75, 78; KG, NZV 2015, 45; s. auch Fischer, a.a.O., § 15 Rdnr. 16c).

Hierzu hat die Strafkammer ausgeführt, ein Rotlichtverstoß eines anderen Verkehrsteilnehmers sei kein gänzlich vernunftwidriges Verhalten. Vielmehr kämen solche Verstöße mit einiger Regelmäßigkeit im Straßenverkehr vor, sie beruhten häufig auf Unaufmerksamkeit oder auch auf Rücksichtslosigkeit, seien aber nicht gänzlich vernunftwidrig. Dieser Bewertung, die gleichsam alle denkbaren Rotlichtverstöße pauschal als „nicht gänzlich vernunftwidrig“ einstuft, kann allerdings nicht gefolgt werden. Rotlichtverstöße im Sinne des § 37 StVO können je nach Begehungsart unterschiedlich ausgestaltet sein. Ein wesentliches Kriterium für die Bewertung eines Rotlichtverstoßes – gerade mit Blick auf die Rechtsfolgen – ist die Frage, wie lange die Ampel im Zeitpunkt des Verstoßes schon Rotlicht angezeigt hatte. Der sog. qualifizierte Rotlichtverstoß (länger als 1 Sekunde Rot) ist bereits durch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. Nr. 132.3 als grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG normativ vorbewertet (vgl. auch BVerfG, NJW 1996, 1809, 1810). Darüber hinaus ist hinsichtlich der Bewertung eines Rotlichtverstoßes auch nach der Schuldform zu unterschieden, wobei – hier gelten die allgemeinen Regeln – eine vorsätzliche Begehung deutlich schwerer wiegt als ein fahrlässiger Verstoß. Zumindest eine vorsätzliche Begehung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes ist bei wertender Betrachtung als gänzlich vernunftwidriges Verhalten im vorbeschriebenen Sinne anzusehen.

Für den vorliegenden Fall kommt es demnach entscheidend darauf an, ob sich hinsichtlich des stattgefundenen Rotlichtverstoßes nähere Feststellungen treffen lassen…..“