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Von der elektronischen Akte zur „Dunkelkammer für den Verteidiger“?

Ich war mal wieder auf Visite im Rechtspflegerforum und bin da auf eine ganz interessante Frage gestoßen (vgl. hier, wenn der Link nicht klappt, einfach mal im Rechtspflegerforum anmelden), die in Zusammenhang steht mit Kopiekosten, bei der die Antworten aber ganz woanders enden

Kopiekosten; elektronische Akte im Strafverfahren

Moin,

in dem Strafverfahren wurde eine elektronische Akte parallel zur normalen Akte angelegt. Diese wurde dem RA als CD zur Verfügung gestellt. Der RA hat die auf der CD befindlichen Aktenbestandteile ausgedruckt und damit weitergearbeitet.

Kann der RA darauf verwiesen werden seine notwendigen Informationen der ihm zur Verfügung gestellten elektronischen Akte zu nehmen?

Oder sind die Kopiekosten (1073,05 EUR für 7037 Seiten) zu erstatten?
RA argumentiert, dass er die Akte in Papierform vorhalten kann, da beim Gericht ebenfalls noch immer die Akte in Papierform geführt wird.

Vielen Dank schon mal für’s Nachdenken kurz vorm Wochenende…

Soweit, so gut: M.E. kommen auch ganz interessante Antworten, die sich mit der rechtlichen Problematik auseinander setzen und zum Teil in die m.E. vom Rechtsgedanken her anwendbare Entscheidung des OLG Bamberg v. 26.06.2006 – 1 Ws 261/06 führen.

Aber leider auch die ein oder andere Meldung, die ärgert: Zunächst die, bei denen man schon den Eindruck hat, dass es nur mal wieder darum geht, eine so hohe Forderung des Verteidigers abzublocken, anstatt die m.E. richtige Frage zu stellen, ob nicht grds. erstattet werden muss und ob dann ggf. über § 46 RVG die „Nichterforderlichkeit“ der „Ablichtungen“ geltend gemacht werden kann mit der Folge, dass dann der RA die Erforderlichkeit darlegen muss, wenn wirklich alles kopiert worden ist.

Im Zusammenhang mit den Antworten ist dann auch die Frage der Notwendigkeit eines Laptops erörtert worden. Besonders reizend dann dazu diese Antwort (zunächst ein Zitat aus einer früheren Anwort):

(Wenn der Verteidiger argumentiert, er habe keinen Laptop für den Termin und muß deshalb ausdrucken, so könnte man die Erstattung auf 500,00 € zur Anschaffung eines solchen beschränken… )
oder er würde damit argumentieren, dass er sich die Akten ausdrucken MUSS, weil ihm gelegentlich im Gerichtsaal der Zugriff auf Steckdosen verwehrt wird und er sich den Zugriff mühsam über´s OLG erkämpfen musste…
oder dass er sein Laptop in der Verhandlung gar nicht benutzen darf
http://www.burhoff.de/insert/?/asp_w…nhalte/974.htm
oder dass man nie weiß, ob im Gericht auch Strom vorhanden ist
http://www.kanzlei-hoenig.info/index.php?s=laptop
Zur Frage der Kopiekosten im Strafrecht allgemein empfehle ich die Übersicht bei Burhoff http://www.burhoff.de/insert/?/burho…/liste_187.htm

und dann als Antwort:

„Pääh! Hier wird nicht der gerichtliche Strom verbraten!
Soll sich doch der Verteidiger ein paar Ersatzakkus mitnehmen (und eine Decke für das Warten auf den kalten Fluren).“

Sorry, aber dafür fehlt mir nun jedes Verständnis. Denn dem Verteidiger, der nicht mit einem Laptop arbeitet, wird ja nun auch nicht entgegengehalten, dass er beim Lesen der Akte im Gerichtssaal am „gerichtlichen Strom“ partizipiert, der den Saal ausleuchtet. Oder will man jetzt Dunkelkammern für Verteidiger einführen?

Ach so: Zurück zur Akte und schon, weil sicherlich Kommentare kommen werden. Ich bin mir darüber im Klaren, dass es unter den Verteidigern sicherlich „schwarze Schafe“ geben wird, die die Nr. 7000 VV RVG ggf. missbrauchen. Daraus kann man m.E. aber nicht den Schluss ziehen, dass das grundsätzliche alle Rechtsanwälte tun. Man zieht ja auch nicht aus dem Umstand, dass die Revisions-/Rechtsbeschwerdegerichte Urteile aufheben (müssen) , den Schluss, dass alle tatrichterlichen Urteile falsch sind :-).

„Mord ist mein Beruf“ hat keinen Knall

„Mord ist mein Beruf“ fragt sich gerade „Vielleicht habe ja auch ich einen Knall„, und zwar im Hinblick darauf, dass er gebeten worden ist, die von ihm gefertigten Kopien einzureichen, damit das AG prüfen kann, ob diese „notwendig“ waren.

Na, einen Knall hat er m.E. nicht. Er hat von 631 gefertigten  Kopien nur 400 abgerechnet, so dass sich an sich schon daraus ergeben sollte, dass es der Kollege mit der Frage der Notwendigkeit (§ 46 RVG) sehr genau nimmt. Aber wahrscheinlich hat er gerade erst dadurch den Argwohn der Rechtspflegerin geweckt, die sich sichgerlich nicht vorstellen kann, dass ein Verteidiger nicht alle von ihm gefertigten Kopien auch abrechnet (so viel zur Raffgier der Verteidiger). M.E. muss auch das AG die Kopierentscheidung des Verteidigers hinnehmen, es sei denn, er betreibt mit der Kopiererei offensichtlich Missbrauch. Da dürfte die obergerichtliche Rechtsprechung inzwischen recht eindeutig sein.

Ob es dem Kollegen „Mord ist mein Beruf“ hilft, wenn er die 631 Seiten an das Gericht faxt, wie der Kollege JM vorgeschlagen hat, wage ich allerdings zu bezweiflen. Natürlich wird die Freude beim AG über den Papierverbrauch und das belegte Fax groß sein :-); nur der Kollege dürfte selbst auch längere Zeit über sein Fax nicht erreichbar sein: Aber halt, stop: Man könnte die 631 natürlich nachts faxen… 🙂

Das werde ich jetzt nicht kommentieren; davon kann sich jeder Leser selbst eine Meinung bilden

Ein Kollege hat mir den Beschl. des AG Kempen v. 14.04.2010 – 2 Ls 94/09 übersandt, mit dem das AG beimVerteidiger nur zwei von drei geltend gemachten Fahrten als i.S. des § 46 RVG notwendig anerkannt hat. Im Beschl. heißt es: “

In der Jugendstrafsache

gegen pp.

niederländischer Staatsangehöriger

Verteidiger:

wegen Erpressung

wird die Erinnerung des Verteidigers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.12.2009 als unbegründet verworfen.

Gründe:

Auch nach Auffassung des Gerichts waren nur 2 Fahrten in die JVA Köln notwendig. Der Beschuldigte befand sich insgesamt 3 Monate im Gefängnis, dabei handelt es sich um einen recht kurzen Zeitraum.

Die vom Verteidiger mitgeteilten Gründe der einzelnen Fahrten erscheinen nicht durchgreifend.

Der Ablauf der Hauptverhandlung wurde als Grund für die 3. Fahrt aufgeführt, diese Thematik hätte man an einem der vorherigen Besuchstermine klären können.

Die Absetzung der 3. Fahrt und die entsprechende Kürzung des Antrages vom 02.09.2009 ist somit korrekt und die Erinnerung unbegründet.“

Lassen wir mal die Frage der Berechtigung der Absetzung dahinstehen – sie steht im Übrigen nicht in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. Viel interessanter ist nämlich die mir auch vorliegende Stellungnahme des Bezirksrevisors. In der heißt es:

„—– dort beantrage ich die Erinnerung als unbegründet zu verwerfen,

Nach hiesiger Auffassung waren nur 2 Fahrten in die JVA Köln notwendig. Der Beschuldigte befand sich insgesamt 3 Monate im Gefängnis, dabei handelt es sich um einen recht kurzen Zeitraum.

Die vom Verteidiger mitgeteilten Gründe der einzelnen Fahrten erscheinen nicht durchgreifend.

Der Ablauf der Hauptverhandlung wurde als Grund für die 3. Fahrt aufgeführt, diese Thematik hätte man an einem der vorherigen Besuchstermine klären können.

Die Absetzung der 3. Fahrt und die entsprechende Kürzung des Antrages vom 02.09.2009 ist somit korrekt und die Erinnerung unbegründet.“

Die wortgleiche Übereinstimmung will ich nun wirklich nicht kommentieren, außer: Ein wenig Mühe = eine eigene Meinung sollte man sich schon bilden. Der Verteidiger hatte übrigens zwei Seiten unter Anführung von Rechtsprechung und Literatur geschrieben.

Vermisst: Das betriebswirtschaftliche Denken der Justiz…

Manchmal will man es nicht glauben, wenn man eine Entscheidung liest, dass es wirklich wahr ist, dass in der Frage, die behandelt wird, gestritten wird.

So ergeht es mir beim Beschluss des AG Mettmann vom 29.04.2010 – 31 Ds-422 Js 739/09-194/09. Der Beschluss selbst ist goldrichtig, Denn es entspricht der allgemeinen Auffassung der Obergerichte, – so auch das AG -, dass die Beurteilung der Frage, was zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich ist, grundsätzlich dem Rechtsanwalt überlassen ist, denn er, nicht das Gericht, das nachträglich über die Berechnung oder Erstattbarkeit der Dokumentenpauschale zu entscheiden hat, ist für die anvertraute Führung der Rechtssache verantwortlich. Also: Letztlich schadet nur Missbrauch.

Erstaunt war ich, als ich las, um welche Summe es ging: 4 (in Worten: vier) Kopien waren nach Auffassung des Rechtspflegers nicht erstattungsfähig und sind abgesetzt worden. Wer hat eigentlich mal aus-/berechnet, was das die Staatskasse kostet und ob es nicht billiger wäre festzusetzen. Aber: Wer nicht hören will, muss fühlen und bekommt dann eine Abfuhr von der Richterin. Deren Beschluss liest sich schon leicht säuerlich. Sie hat sicherlich besseres zu tun, als solche Sachen zu entscheiden. Sehr schön dazu auch AG Bochum, und zwar hier. Da hatte der Direktor des AG sich selbst geäußert.

Fahrtkosten auch für den auswärtigen Wahlverteidiger – so zutreffend das AG Witten

Ich hatte bereits in StRR 2010, 117 darauf hingewiesen, dass nach der Änderung des § 142 Abs. 1 StPO zum 01.10.2009 durch das 2. Opferrechtsreformgesetz dem auswärtigen Wahlverteidiger bei der Erstattung seiner Fahrtkosten nicht mehr entgegengehalten werden kann/darf, wenn er nicht „ortsansässig“ war. Denn das ist auch für die Bestellung des Pflichtverteidigers kein Kriterium mehr (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1196 m.w.N.).

Die andere Argumentation würde, worauf jetzt das AG Witten in seinem zutreffenden Beschluss v. 21.04.2010 – 9 Ds-63 Js 63/09-44/09 – hingewiesen hat, den Wahlverteidiger schlechter stellen. Bis sich die zutreffende Ansicht des AG Witten durchgesetzt hat, sollte in den Kostenfestsetzungsanträgen auf diese Argumentation und die „richtige“ Entscheidung des AG Witten hingewiesen werden.