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StGB III: Bestrafung duch Schläge mit Bambusstock, oder: Besondere Art der Promotionsbetreuung

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas vom BGH, und zwar den BGH, Beschl. v. 08.03.2023 – 6 StR 378/22 -, den ich bisher in meinem Ordnet übersehen hatte.

Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung in vier Fällen, wegen Körperverletzung im Amt in acht Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung und in zwei Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin mit ihren jeweils auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen. Mit ihrer – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft in den Fällen II.1. b) ii) und jj) der Urteilsgründe eine tateinheitliche Verurteilung auch wegen Nötigung. Die Nebenklägerin beanstandet in den sie betreffenden Fällen eine unterbliebene tateinheitliche Verurteilung wegen sexueller Nötigung. Die Revisionen haben Erfolg:

„1. Das Landgericht hat – soweit hier von Belang – folgende Feststellungen getroffen:

a) Der Angeklagte betreute ab Oktober 2013 als Hochschullehrer der Universität pp.  das durch ein Stipendium geförderte Promotionsvorhaben der aus Vietnam stammenden, nur unzureichend Deutsch sprechenden Nebenklägerin Ho. Nachdem es anfänglich zu nur wenigen persönlichen Kontakten zwischen beiden gekommen war, vereinbarte der Angeklagte nach etwa zehn Monaten „regelmäßigere Gesprächstermine“ außerhalb der regulären Dienstzeiten in dem ihm zugewiesenen Büro der forstwissenschaftlichen Fakultät.

Als die Nebenklägerin im Juli 2014 bei einer Besprechung dem Angeklagten mitteilte, dass sie vergessen habe, sich zu einem Seminar anzumelden, war dieser „wütend“. Er schloss die Bürotür ab, steckte den Schlüssel ein und kündigte der Nebenklägerin an, dass er sie „wegen ihres Fehlers nun bestrafen müsse“. Dazu wolle er ihr mit einem etwa 60 cm langen Bambusstock auf das unbekleidete Gesäß schlagen. Als die Nebenklägerin das ablehnte, kündigte der Angeklagte an, in diesem Fall die Zusammenarbeit mit ihr nicht fortzusetzen. Dies wollte die Nebenklägerin unbedingt vermeiden. Sie fühlte sich beruflich und – mit Blick auf notwendige Bescheinigungen für ihr Stipendium – finanziell vom Angeklagten abhängig. Aus Angst vor den von ihm angekündigten Folgen und „aufgrund der momentanen Situation – abgeschlossenes Büro, keine weiteren Mitarbeiter im Institut – willigte“ sie in ihre „Bestrafung“ ein. Auf Aufforderung des Angeklagten „positionierte“ sie sich vor einem Tisch. Der hinter ihr stehende Angeklagte schlug 15 Mal auf ihr bekleidetes Gesäß, um seine Macht gegenüber der Nebenklägerin zu demonstrieren (Fall II.1. b) aa)).

Dies wiederholte sich im Juli und im August 2014 (Fälle II.1. b) bb) und cc)). In einem weiteren Fall im August 2014 teilte der Angeklagte der Nebenklägerin mit, dass er sie zur „Bestrafung“ auf ihr entblößtes Gesäß schlagen werde. Er müsse seinen „Ärger an ihr ablassen, um weiter mit ihr zusammenarbeiten zu können“. Nachdem die Nebenklägerin dies abgelehnt hatte, verlangte er, nunmehr erbost, von ihr, sich die Hosenbeine bis über die Waden hochzukrempeln und sich „vor dem Schreibtisch zu positionieren“. Dem entsprach die Nebenklägerin abermals „nur aus Angst“ vor der „angedrohten Aufkündigung der Zusammenarbeit“. Sodann versetzte der Angeklagte ihr mit dem Bambusstock auf jede entblößte Wade mindestens 20 Schläge, wodurch Hämatome entstanden (Fall II.1. b) dd)).

Im Dezember 2014, im Januar 2015 sowie in zwei Fällen im Mai 2015 forderte der Angeklagte sie abermals auf, Hose und Unterhose herunterzuziehen, um die von ihm für vermeintliches Fehlverhalten vorgesehene „Bestrafung“ durch Schläge auf ihr unbekleidetes Gesäß vornehmen zu können. Dem entsprach die Nebenklägerin diesmal – wiederum aus „Angst“ vor der jeweils ausdrücklich „in Aussicht gestellten Beendigung ihrer Zusammenarbeit“ – und „positionierte“ sich weisungsgemäß vor dem Schreibtisch des Angeklagten. Hinter ihr stehend schlug dieser ihr jeweils mindestens 20 Mal mit der flachen Hand schmerzhaft auf ihr entblößtes Gesäß (Fälle II.1. b) ee) bis hh)).

Im Juni und Ende Juli 2015 forderte der Angeklagte sie erneut auf, ihr Gesäß zu entblößen, weil er sie durch die Schläge „für einen künftigen Job vorbereiten“ wolle. Es sei absehbar, dass „ihr Chef auf ihren Schwachstellen herumhacken werde“. Er kündigte bei diesen beiden Taten allerdings jeweils nicht ausdrücklich an, die Zusammenarbeit mit ihr im Falle einer Weigerung zu beenden. Die Nebenklägerin kam seiner Aufforderung gleichwohl jeweils nach, „da ihr diese Androhung des Angeklagten im Zusammenhang mit den früheren Bestrafungen im Gedächtnis noch präsent war“. Sodann schlug er jeweils mindestens zehnmal schmerzhaft mit der flachen Hand auf das unbekleidete Gesäß der sich wiederum vor dem Schreibtisch „positionierenden“ Nebenklägerin (Fälle II.1. b) ii) und jj)).

In sämtlichen Fällen umarmte der Angeklagte die Nebenklägerin nach der vollzogenen „Bestrafung“ und verlangte, dass sie sich für die erhaltenen Schläge bedanken solle, was diese mit den Worten „Thank you“ auch tat. Nur in einem Fall weinte sie leise und entgegnete nichts (Fall II.1. b) hh)).

In einem letzten Fall schlug ihr der Angeklagte unmittelbar nach ihrem Erscheinen zu einem Besprechungstermin in seinem Büro „kraftvoll mit der flachen Hand einmal auf jede – bekleidete – Brust, was für die zu diesem Zeitpunkt noch stillende Zeugin“ schmerzhaft war (Fall II.1. b) kk)). Er wollte sie damit wegen eines Fehlers in einer Präsentation bestrafen.

b) Der Angeklagte nahm die Schmerzen und Verletzungen der Nebenklägerin mit Blick auf die von ihm durch die Taten jeweils erstrebte „Machtausübung“ billigend in Kauf. Bei den Schlägen auf das unbekleidete Gesäß „handelte er auch aus einer sexuellen Motivation heraus“.

2. Die Strafkammer hat die Taten als gefährliche Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung in vier Fällen (Fälle II.1. b) aa) bis dd)), als Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung in weiteren vier Fällen (Fälle II.1. b) ee) bis hh)) sowie als Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen (II.1. b) ii) und jj)) gewürdigt. In den letztgenannten beiden Fällen hat sie sich abweichend von den übrigen Taten von einer verwirklichten idealkonkurrierenden Nötigung (§ 240 Abs. 1 und 4 Satz 2 Nr. 3 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung) nicht zu überzeugen vermocht. Den Fall II.1. b) kk) hat die Strafkammer als Körperverletzung im Amt bewertet.

II.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Begründung, mit der das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten auch wegen Nötigung in den Fällen II.1. b) ii) und jj) der Urteilsgründe verneint hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Zwar hat die Strafkammer rechtlich zutreffend angenommen, dass sich die in den acht vorangegangenen Fällen jeweils vom Angeklagten ausdrücklich geäußerte Absicht, bei Widerspruch der Nebenklägerin die Betreuung ihres Promotionsvorhabens einzustellen, als ein Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels erweist (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1997 – 1 StR 772/96, NStZ 1997, 494; LK-StGB/Altvater/Coen, 13. Aufl., § 240 Rn. 99 mwN). Das Landgericht hat auf der Grundlage der von ihm rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit wegen tateinheitlicher Nötigung aber allein deshalb abgelehnt (§ 240 Abs. 1 StGB), weil der Angeklagte in beiden Fällen „nicht explizit angedroht“ habe, bei einer verweigerten Einwilligung in die „Bestrafung“ die weitere Zusammenarbeit mit der Nebenklägerin zu beenden. Nicht in den Blick genommen hat die Strafkammer eine mögliche konkludente Drohung des Angeklagten.

a) Drohen bedeutet seelisches Einwirken auf den Bedrohten in Gestalt einer auf Angst und Furcht abzielenden Ankündigung eines Übels. Das Übel muss also irgendwie vom Täter in Aussicht gestellt worden sein; es genügt nicht, wenn es von einem anderen nur erwartet wird. Auf die äußere Form, in der die Drohung zum Ausdruck gebracht wird, kommt es jedoch nicht an. Drohen kann man daher nicht nur mit klaren und eindeutigen Worten, sondern auch mit allgemeinen Redensarten, mit unbestimmten Andeutungen in versteckter Weise, selbst in schlüssigen Handlungen, sofern nur das angekündigte Übel genügend erkennbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1955 – 4 StR 8/55, BGHSt 7, 252, 253).

Aber auch frühere Drohungen können eine in die Tatgegenwart fortwirkende Drohwirkung entfalten (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 – 5 StR 586/88, BGHR StGB § 255 Drohung 6; Beschluss vom 27. Februar 2013 – 4 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 207 zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF). Deshalb kann im Einzelfall auch das Ausnutzen einer „Drohkulisse” ausreichen, wenn durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters eine finale Verknüpfung mit dem Nötigungserfolg hergestellt und dies vom Opfer als Drohung empfunden wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2013 – 4 StR 544/12, aaO S. 208; vom 20. März 2012 – 4 StR 561/11, StV 2012, 534, 536; vom 6. November 2008 – 4 StR 495/08, NStZ 2009, 263, 264; jeweils zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF). In diese Bewertung sind neben den Erklärungen des Täters namentlich auch das Tatbild früherer Zwangslagen sowie deren Identität mit der aktuellen Tatsituation, die Art des zuvor angedrohten Übels und der zeitliche Abstand zueinander einzustellen.

b) Dies zugrunde gelegt, war die Würdigung des Tatgeschehens auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer konkludenten Drohung geboten. In Betracht kommt hier eine fortdauernde Wirkung der vorangegangenen Drohungen. Für die notwendige finale Verknüpfung mit dem Nötigungserfolg sprechen insbesondere das festgestellte eingeschliffene Verhaltensmuster und das identische Gepräge der auch zeitlich zusammenhängenden Zwangslagen. Aussagekraft kommt ferner dem – wegen der festgestellten beruflichen wie finanziellen Abhängigkeit vom „Doktorvater“ – besonderen Gewicht des in Aussicht gestellten Übels und den Feststellungen zum Vorstellungsbild der Nebenklägerin in beiden Tatsituationen zu. Ihr waren in beiden Fällen die früheren Drohungen „präsent“. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass der Angeklagte die von ihm geschaffene „Drohkulisse“ in beiden Fällen ausgenutzt hat.

2. Die Nötigung würde angesichts der Tatumstände jeweils auch nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB) zurücktreten, sondern zu ihr im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 StGB stehen (vgl. RG, Urteil vom 15. Juni 1900 – Rev. 1926/00, RGSt 33, 339, 340 f.; LK-StGB/Altvater/Coen, aaO Rn. 185).

3. Der Senat kann den Schuldspruch wegen des erforderlichen tatgerichtlichen Bewertungsaktes und mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht ergänzen. Das Urteil unterliegt damit in beiden Fällen der Aufhebung. Dies entzieht den beiden Strafen und der Gesamtstrafe die Grundlage. Auf die hiergegen gerichteten sachlich-rechtlichen Beanstandungen der Beschwerdeführerin kam es nach alledem nicht mehr an. Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten hat die gebotene Überprüfung nach § 301 StPO nicht ergeben.

…..

III.

Die zulässige Revision (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 Satz 1 StPO) der Nebenklägerin hat im selben Umfang wie die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet. Das Landgericht hat vor dem Hintergrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung des 33. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 1. Juli 1997 (BGBl. I 1607; § 177 aF) ohne Rechtsverstoß abgelehnt.

1. Das Ausnutzen einer schutzlosen Lage im Sinne dieser Vorschrift erfordert, dass das Opfer möglichen nötigenden Gewalteinwirkungen des Täters schutzlos ausgeliefert ist. Diese Schutzlosigkeit muss eine Zwangswirkung auf das Opfer in der Weise entfalten, dass es aus Angst vor einer Gewalteinwirkung des Täters in Gestalt von Körperverletzungs- oder gar Tötungshandlungen einen Widerstand unterlässt und entgegen seinem eigenen Willen sexuelle Handlungen vornimmt oder duldet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2006 – 2 StR 345/05, BGHSt 50, 359, 366; Beschlüsse vom 4. April 2007 – 4 StR 345/06, BGHSt 51, 280, 284; vom 18. November 2015 – 4 StR 410/15, NStZ-RR 2016, 78; Urteil vom 2. Juli 2019 – 4 StR 678/19, NStZ 2020, 662, 663 f.; LK-StGB/Hörnle, 12. Aufl., § 177 Rn. 93 ff. mwN). Es genügt demzufolge nicht, wenn das Opfer Widerstand aus Angst vor der Zufügung anderer Übel unterlässt; für Willensbeugungen anderer Art kommt nach Maßgabe von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF lediglich der Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. April 2007 – 4 StR 345/06, NJW 2007, 2341; vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 404/11, NStZ 2012, 570; Urteil vom 7. März 2012 – 2 StR 640/11, NStZ-RR 2012, 216).

2. Die Feststellungen belegen, dass diese aus „Angst“ vor der ihr in Aussicht gestellten Beendigung der Zusammenarbeit handelte. Dies habe sie wegen der bestehenden beruflichen und finanziellen Abhängigkeit „unbedingt verhindern wollen“. Anhaltspunkte dafür, dass sie die Schläge jeweils (zumindest auch) aus Furcht vor Gewalteinwirkungen des Angeklagten, etwa in Gestalt von Körperverletzungshandlungen, hingenommen hat, sind den Urteilsgründen auch in ihrer Gesamtschau nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2019 – 2 StR 94/19). Damit fehlt es für die Annahme des objektiven Tatbestands am notwendigen funktionalen und finalen Zusammenhang zwischen objektivem Nötigungselement, Opferverhalten und Tathandlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 – 4 StR 396/11, NStZ 2012, 209, 210; vom 18. November 2015 – 4 StR 410/15, NStZ-RR 2016, 78). Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin zwingt auch die vereinzelte Formulierung, dass die Nebenklägerin „insbesondere“ für den Fortgang ihres Promotionsvorhabens Nachteile befürchtete, nicht zu einem anderen Schluss. Die Strafkammer hat diese nähere Bestimmung in den Zusammenhang gestellt mit sämtlichen für den Fall einer beendeten Zusammenarbeit mit dem Angeklagten zu besorgenden Konsequenzen, nicht aber auch bezogen auf eine Furcht vor dessen Gewalthandlungen.2

Das war dann mal ein wenig mehr Text, aber das ist bei dem sicherlich nichg alltäglichen Fall angemessen.

Klima I: Rechtsprechung zu Klimaktivisten-Fällen, oder: Straßenblockade, Hausfriedensbruch, Festkleben

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Zum Wochenanfang der 35 KW. stelle ich – seit längerem – mal wieder einige Entscheidungen auf Verfahren betreffend Klimaktivisten vor. Mehr als diese insgesamt vier Entscheidungen habe ich leider nicht. Ich habe zwar versucht, an die Volltextevon Entscheidungen zu kommen, über die in der letzten Zeit berichtet worden ist, aber das hat leider nur in einem Fall, der vom AG München stammt, geklappt. Alle anderen Anfragen hatten keinen Erfolg. Die StA Neuruppin gibt den „Kriminelle Vereinigung“-Beschluss des LG Potsdam nicht heraus, weil es esich um ein laufendes Verfahren handelt, das LG hatte ich zuvor bereits hinter der StA versteckt. Und auch das AG Tiergarten ist sehr zögerlich. Schade.

Vorstellen kann ich dann aber:

Eine Straßenblockade durch Klimaaktivisten stellt nach der sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Denn die Fahrer in der zweiten Reihe und den nachfolgenden Reihen werden durch unüberwindbare physische Hindernisse, nämlich den Fahrzeugen vor und hinter ihnen, an der Weiterfahrt gehindert, womit auch der erstrebte Nötigungserfolg eingetreten ist. Die darin liegende Nötigung anderer Verkehrsteilnehmer kann jedoch nach Abwägung aller Umstände gem. § 240 Abs. 2 StGB gerechtfertigt sein,

Zur Rechtfertigung des unerlaubten Betretens eines Fußballfeldes während eines laufenden Spieles aus „Klimaschutzgründen“.

1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.

Und der Vollständigkeit halber weise ich dann auch noch einmal hin auf den KG, Beschl. v. 16.08.2023 – 3 ORs 46/23 – 161 Ss 61/23 -, über den ich ja schon in der vergangenen Woche berichtet habe (vgl. StGB III: Widerstand durch Festkleben auf der Straße, oder: Das hätte das KG gern in den Urteilgründen). Die Leitsätze:

1. Um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können, bedarf es einer geschlossenen und zusammenhän-genden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten. Der bloße Hinweis, das Geständnis entspreche dem „akten-kundigen Ermittlungsergebnis“, genügt dafür nicht.
2. Eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Täter bereits vor Beginn der Vollstreckungshandlung auf der Fahrbahn mit Sekundenkleber o.ä. festklebt, um die von ihm erwartete alsbaldige polizeiliche Räumung der Fahrbahn nicht nur unwesentlich zu erschweren.
3. Um ein gezieltes Verhalten des Täters vom bloßen Ausnutzen eines bereits vorhandenen Hindernisses abzugrenzen, muss in derartigen Fallgestaltungen der Wille des Täters dahin gehen, durch seine Tätigkeit den Widerstand vor-zubereiten.
4. Dass Polizeibeamte das durch Festkleben entstandene physische Hindernis durch Geschicklichkeit – hier unter Verwendung eines Lösungsmittels – zu be-seitigen in der Lage sind, steht dem Merkmal der Gewalt nicht grundsätzlich entgegen und nimmt ihm in Bezug auf den dem Vollstreckungsbeamten nicht ohne weiteres die körperliche Spürbarkeit.

StGB II: Versuchte Nötigung in Form der Drohung, oder: Antippen des Gaspedals = Androhung des Anfahrens

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Und als zweite Entscheidung stelle ich das BGH, Urt. v. 10.11.2022 – 4 StR 91/22. Schon etwas älter, aber jetzt erst auf der Homepage des BGH veröffentlicht.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort verurteilt. Dagegen die Revision der StA, die Erfolge hatte:

„Das Landgericht hat zu den Fällen II.2 und II.3 der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Zwischen dem Angeklagten und seiner Freundin kam es am Tattag in ihrer Wohnung zu einem Gespräch, das die Zeugin u. a. auf die Herkunft des Angeklagten und die „Taliban“ brachte. Der Angeklagte, dem die Fragen der Zeugin seltsam vorkamen, bemerkte deren Smartphone, das zwischen der Kante und der Matratze des Bettes eingeklemmt war und mit dem die Zeugin das Gespräch aufzeichnete. Nachdem der Angeklagte das Smartphone an sich genommen hatte, versuchte er, die Sprachaufnahme zu stoppen und zu löschen. Die Zeugin wollte dies verhindern und dem Angeklagten das Smartphone entreißen. Es entwickelte sich eine Rangelei, in deren Verlauf der Angeklagte aus Verärgerung über die heimliche Aufnahme der Zeugin mit der flachen Hand in das Gesicht schlug und ihr dadurch Schmerzen verursachte.

Als der Angeklagte versuchte, die Wohnung zu verlassen, um die Aufnahme auf dem Smartphone zu löschen, kündigte ihm die Zeugin an, mit einem älteren Handy wegen des Schlages die Polizei zu rufen. Um dies zu verhindern, riss ihr der Angeklagte dieses Handy aus der Hand, wobei die „übertölpelte“ Zeugin keinen Widerstand leistete (Fall II.2 der Urteilsgründe).

Die Strafkammer hat den Schlag als Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewürdigt und das Verhalten des Angeklagten hinsichtlich der beiden Mobiltelefone als straflos bewertet, weil er insoweit keine Gewalt angewendet und nicht in Zueignungsabsicht gehandelt habe.

2. Als der Angeklagte im Anschluss an die Rangelei mit seinem Pkw wegfahren wollte, um das Smartphone in Sicherheit zu bringen, stellte sich die Zeugin in den Bereich des Frontscheinwerfers auf der Fahrerseite, stützte sich mit den Händen auf der Kühlerhaube ab und forderte die Herausgabe ihrer beiden Mobiltelefone. Der Angeklagte tippte zwei- oder dreimal kurz das Gaspedal an, trat aber jeweils sofort wieder auf die Bremse, weil die Zeugin weiterhin im Weg stand. Als diese eine kurze Bewegung weg vom Fahrzeug machte, fuhr der Angeklagte geradeaus nach vorne an, um das Smartphone mit der Sprachaufzeichnung in Sicherheit zu bringen. Dabei vertraute er darauf, dass die Zeugin nicht verletzt würde. Entgegen der Erwartung des Angeklagten kam diese ins Straucheln und erlitt durch den Sturz auf die Straße eine Beckenprellung.

Der Angeklagte, der den Sturz der Zeugin bemerkte und es für möglich hielt, dass sie sich dabei eine Verletzung zugezogen hatte, fuhr ohne Unterbrechung zügig weiter (Fall II.3 der Urteilsgründe).

Das Landgericht hat dieses Geschehen als fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gewürdigt.

II.

Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Generalstaatsanwaltschaft ist wirksam auf die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2 und II.3 der Urteilsgründe beschränkt. Sie führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II.3 der Urteilsgründe. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der Anordnung des Fahrverbots nach sich. Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos.

1. Die Verurteilung des Angeklagten lediglich wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort im Fall II.3 der Urteilsgründe kann schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die Annahme einer versuchten Nötigung gemäß § 240 Abs. 3, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB mit rechtsfehlerhaften Erwägungen verneint hat.

a) Die Strafkammer hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Angeklagte durch das mehrfache kurze Antippen des Gaspedals der Zeugin konkludent drohen wollte, sie anzufahren, falls sie den Weg nicht freigebe. Vielmehr habe er sofort gebremst, als er bemerkte, dass die Zeugin stehen blieb. Auch habe die Zeugin das Verhalten des Angeklagten nicht als Drohung verstanden, sondern sei fest davon ausgegangen, dass dieser nicht losfahren werde, solange sie direkt vor der Kühlerhaube stehe.

b) Diese Erwägungen tragen die Verneinung eines auf die Begehung einer Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB gerichteten Tatentschlusses nicht.

aa) Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestands bezieht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 – 4 StR 324/19, NStZ 2020, 402 Rn. 17; Urteil vom 10. September 2015 – 4 StR 151/15, NJW 2015, 3732 Rn. 13). Die Annahme einer versuchten Nötigung gemäß § 240 Abs. 3 StGB in der Variante der Drohung mit einem empfindlichen Übel setzt daher in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz; vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Oktober 1953 – 3 StR 153/53, BGHSt 5, 245, 246), dass sein Verhalten von dem Tatopfer als ein Inaussichtstellen eines erheblichen Nachteils (hier eines Anfahrens mit dem Pkw) verstanden wird. Dazu bedarf es einer umfassenden Würdigung aller objektiven und subjektiven Umstände.

bb) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Die Erwägungen des Landgerichts zum Bremsen nach dem Ausbleiben einer Reaktion der Zeugin legen gerade nahe, dass der Angeklagte beim Antippen des Gaspedals damit rechnete, die Zeugin werde sein Verhalten als die Androhung eines Anfahrens verstehen und deshalb den Weg freigeben. Dass der Angeklagte tatsächlich vom Gas ging, zeigt für sich genommen lediglich, dass er die angekündigte Handlung bei Erfolglosigkeit seiner Drohung nicht in die Tat umsetzen wollte. Der Umstand, dass die Zeugin das Verhalten des Angeklagten nicht als eine Drohung verstand, steht dem nicht entgegen, da es insoweit auf das Vorstellungsbild des Angeklagten ankommt.

c) Um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die Verurteilung im Fall II.3 der Urteilsgründe insgesamt auf. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe und der Anordnung des Fahrverbots nach sich.“

Klima I: Straßenschilder besteigen und Abseilen, oder: Man muss das Gesamtgeschehen bewerten

Klima

Und zum Wochenanfang dann „Klima-Entscheidungen“.

Zunächst hier zwei schon etwas ältere Entscheidungen aus Bremen, auf die ich im Zusammenhang mit der Recherche wegen einer anderen Frage gestoßen bin. Ich stelle sie trotz ihres Alters noch vor.

Folgender Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft Bremen hat dem Beschuldigten vier Nötigungen in Bremen vorgeworfen. Der Beschuldigte soll als Kontaktstelle und Sprecher der mindestens ca. 120-130 Mitglieder umfassenden Gruppe „Extinction Rebellion“ (?) an der Planung, Vorbereitung und Organisation einer im Stadtgebiet Bremen durchgeführten Aktion beteiligt, gewesen sein, in deren Zuge Aktivisten der Gruppe u. a. Straßenschilder bestiegen, um darauf Plakate für den Klimawandel und die Verkehrswende zu befestigen, was teilweise mit einem Abseilen von den Schildern in Richtung der Straße verbunden war. Dabei kam es zu Verkehrsbehinderungen. Der Beschuldigte selber soll persönlich bei einer Aktion beteiligt gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft hat die Durchsuchung beim Beschuldigten beantragt. Das AG Bremen hat das im AG Bremen, Beschl. v. 18.05 – 92b Gs 448/21 (225 Js 25762/21) – abgelehnt:

„Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Anordnung liegen nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht vor, da die Tat nicht als verwerflich i.S.v. § 240 Abs. 2 StGB anzusehen ist. Demnach ist die Tat rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Verwerflichkeit meint einen erhöhten Grad sittlicher Missbilligung, vgl. Fischer, StGB-Kommentar, 68. Aufl. 2021, § 240, Rn. 40. Nach der vierten Blockadeentscheidung des BVerfG aus dem Jahre 2001 muss im Rahmen des § 240 Abs. 2 StGB auch das Grundrecht aus Art. 8 GG Berücksichtigung finden. Dabei ist die Strafzumessungslösung praktisch verworfen und der Weg der praktischen Konkordanz im Rahmen der Verwerflichkeitsklausel gewählt worden. Bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung des Geschehens und der Frage, ob die Tathandlung als verwerflich anzusehen ist, ist die soziale Gewichtigkeit des Blockadeanliegens ausschlaggebend, vgl. für Vorstehendes MüKo § 240, Rn. 143 f. Dabei ist nicht jede Gewaltanwendung, die darauf ausgelegt ist, die Bewegungsfreiheit Dritter zu beeinträchtigen, als verwerflich anzusehen. Die Handlungen des Beschuldigten fallen solange unter den Schutz von Art. 8 GG, als dass sie nicht unfriedlich sind. Unfriedlichkeit ist erst bei Handlungen von einiger Gefährlichkeit anzunehmen (Eisele, in Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, § 240, 30. Aufl. 2019, Rn. 28).  Auch daraus, dass eine Handlung nicht mehr verwaltungsmäßig ist, folgt nicht die Strafrechtswidrigkeit, so dass auch eine fortgesetzte Versammlung nach erfolgter Auflösung nicht per se verwerflich ist (Eisele, a.a.O. Rn. 28). Daneben ist bei der erforderlichen Gesamtabwägung auf die soziale Gewichtigkeit des verfolgten Anliegens abzustellen, wobei existenziellen Fragen der Allgemeinheit grundsätzlich größeres Gewicht zukommt als Eigeninteressen. Im Ergebnis ist der Grad der Beeinträchtigung einerseits und die Art der Demonstrationsmotive zu berücksichtigen (Eisele, a.a.O. Rn. 29).

Bei der Frage der Verwerflichkeit der Tathandlung ist somit der Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit der stehenden Autofahrer und das Ziel der Demonstranten gegeneinander abzuwägen. Dabei kommt dem Ziel, auf die Notwendigkeit des Klimaschutzes hinzuweisen, erhebliches Gewicht zu, wobei nach Auffassung des Gerichts die Fortbewegungsfreiheit der im Stau stehenden Autofahrer nicht erheblich beeinträchtigt ist, zumal es insbesondere auf Autobahnen und insbesondere auf der Lesumbrücke schon aufgrund der nunmehr mehrere Jahre andauernden Bauarbeiten stets zu verkehrsbedingten Behinderungen kommen kann. Bei der Frage der Verwerflichkeit ist hier auch zu berücksichtigen, dass eine Gefährlichkeit für Dritte bislang nicht festgestellt worden ist. Ein erhöhter Grad sittlicher Missbilligung kann in diesem Fall nach Auffassung des Gerichts nicht angenommen werden, so dass die dem Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen nicht als verwerflich anzusehen sind. Trotz zielgerichteter Blockade des Verkehrs ist den Demonstrant:innen ein Akt der auf das Ziel hinweisenden Kommunikation zuzugestehen, der in diesem Fall noch nicht derart tief in die Fortbewegungsfreiheit der Autofahrer eingreift, als dass er eine Strafbarkeit gem. § 240 StGB begründen und die Anordnung einer Durchsuchung rechtfertigen würde.“

Die Staatsanwaltsschaft hat dann dagegen Beschwerde eingelegt. Die hat das LG Bremen mit dem LG Bremen, Beschl. v. 22.06.2021 – 2 Qs 213/21 – zurückgewiesen. Zur Abwäging führt das LG u.a. noch aus:

„Ein gewichtiger Umstand im Rahmen der Abwägung ist der Sachbezug der von der Blockade betroffenen Personen – nämlich die Teilnehmer des Individualverkehrs. Stehen die äußere Gestaltung der Blockademaßnahme und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema und/oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und damit in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen auf die Feststellung der Verwerflichkeit einwirkenden Bezug zum Versammlungsthema haben (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08. Januar 2015 – 1 (8) Ss 510/13 –, juris).

Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung des Geschehens als Meinungsäußerung und nicht nur als längerfristige Verhinderung des Verkehrs in der Gesamtschau der bisher bekannten bzw. ermittelten Umstände auch aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden.“

Klima II: Straßenblockaden der Klimaaktivisten, oder: Erstmals (kurze) Haftstrafen ohne Bewährung

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Und im zweiten Posting dann eine/die Entscheidung, die vor einigen Tagen die Gemüter bewegt hat. Es handelt sich um das – noch nicht rechtskräftige – AG Heilbronn, Urt. v. 06.03.2023 – 26 Ds 16 Js 4813/23  -, das mir der Kollege Dr. J. Rienhoff aus Marburg übersandt hat. Über das Urteil ist ja auch in der Tagespresse berichtet worden, vor allem wohl deshalb weil es – so weit ersichtlich – die erste Entscheidung ist, die für Straßenblockaden der Klimaaktivisten Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt hat.

Nach den Feststellungen des AG hatten die Angeklagten am 06.02.2023 an einer bundesweiten Protestaktion in Form einer Straßenblockade der „Letzte Generation“ teilgenommen. Ziel der Angeklagten, die sich allesamt aus politischer Überzeugung der „Letzte Generation.“ angeschlossen hatten, war es, den Verkehr öffentlichkeitswirksam zu blockieren, Aufmerksamkeit für die Belange des Klimaschutzes zu erregen und Druck auf die Bundesregierung auszuüben, insbesondere zur Einrichtung eines sog, „Gesellschaftsrats“. Die Protestaktion war für mehrere Städte – darunter Heilbronn – im Vorfeld medial ohne Mitteilung der genauen Orte der Straßenblockade angekündigt worden.

In Ausführung dieses Planes setzen sich die Angeklagten gegen 8 Uhr in Heilbronn auf die stadteinwärts führende mehrspurige Neckarsulmer Straße (B27) und setzten sich dem gemeinsamen Tatplan entsprechend mit jeweils rund einem bis eineinhalb Meter Abstand zueinander in einer Reihe auf die drei Richtungsfahrbahnen. Dem Tatplan entsprechend befestigte sodann zwei Angeklagte jeweils eine Hand mittels Kleber auf dem Asphalt, so dass die Angeklagten beim Heranfahren von Kraftfahrzeugen nicht ausweichen konnten, und um hierdurch zugleich die Einsatzkräfte für eine nicht unerhebliche Zeit daran zu hindern, die Fahrbahn zu räumen, und die auf der Neckarsulmer Straße stadteinwärts am Verkehr teilnehmenden Kraftfahrzeugfahrer während der Dauer der Blockadeaktion von der Weiterfahrt abzuhalten.

Wie von den Angeklagten beabsichtigt, hielten die dann in der ersten Reihe stehenden Fahrzeuge, unter anderem die Zeugin E. mit ihrem Pkw Ford Kuga, amtliches Kennzeichen pp., an, wodurch, wie von den Angeklagten beabsichtigt, die dahinter befindlichen Kraftfahrzeuge aufgrund der die Fahrbahn blockierenden Fahrzeuge ihrerseits am Weiterfahren gehindert waren, so dass es zu einem Rückstau kam, wobei, wie von allen Angeklagten aufgrund ihrer Aktion beabsichtigt, insbesondere ein in zweiter Reihe mit seinem Pkw befindlicher Arzt sowie eine in dritter Reihe mit ihrem Fahrzeug stehende weitere Geschädigte nicht mehr weiterfahren konnten. Wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext.

Das AG hat die Angeklagten wegen Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt. Insoweit verweise ich wegen der Begründung/Ausführungen des AG ebenfalls auf den Volltext. Die Überlegungen des AG lassen sich in folgenden Leitsätzen zusammen fassen:

    1. Keine Gewalt i.S. des § 240 StGB ist die „bloße Anwesenheit“ von Demonstranten auf der Fahrbahn, soweit sie sich nur als psychische Hemmung auf die anhaltenden Fahrer auswirkt, die Demonstranten nicht zu überfahren. Ab der „zweiten Reihe“ der anhaltenden Fahrer wirkt aber nicht nur die psychische Hemmung, sondern auch die in erster Reihe bzw. davorstehenden Fahrzeuge als physische Sperre.
    2. Zur Verwerflichkeit einer Straßenblockade i.S. von § 240 Abs. 2 StGB
    3. Auch wenn man den Klimawandel als eine gegenwärtige Gefahr einstuft, ist eine Straßenblockade dennoch weder ein erforderliches noch angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr im Sinne des § 34 StGB.

Von besonderem Interesse dann aber die Strafzumessungserwägungen des AG. Dazu heißt es:

„Der Strafrahmen ist § 240 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der Geldstrafe bzw. Freiheitsstrafe bis 3 Jahre vorsieht.

Im Rahmen der konkreten Strafzumessung ist zugunsten aller Angeklagten zu berücksichtigen, dass sie bislang alle nicht vorbestraft sind und Motiv der Tat ein für die Allgemeinheit wichtiges Thema darstellt. Auch war zu berücksichtigen, dass die Angeklagten eine Konfrontation mit der Staatsgewalt und Gewalttätigkeiten oder weitere Eskalationen vermeiden wollten und zugleich mittels ihrer Banner dafür sorgten, den Sinn ihrer Aktion zu verdeutlichen. Weiter ist den Angeklagten zu Gute halten, dass sich bewusst nur die äußersten Sitzblockadeteilnehmer am Asphalt festklebten, um im Notfall eine Rettungsgasse freimachen zu können, wobei diesbezüglich anzumerken ist, dass infolge des geringen Abstands von an der Ampel haltenden Fahrzeugen ein Rangieren und damit das Freimachen einer Rettungsgasse nicht möglich sein dürfte.

Strafschärfend fiel ins Gewicht, dass eine Vielzahl von Verkehrsteilnehmern von der Straßenblockade betroffen waren und infolge der Blockade der Zeuge Dr. pp. mit einer Verspätung von einer Stunde an seiner Arztpraxis ankam, sodass zahlreiche Patienten, darunter auch ein Notfall, nicht behandelt werden konnten.

1. PP1 und PP2

Zulasten der Angeklagten PP1 und PP2 ist weiterhin zu berücksichtigen, dass sie bereits an Straßenblockaden – laut der seitens der Staatsanwaltschaft übergebenen und als Anlage zu Protokoll genommenen ZStV für den Angeklagten PP1 41 an der Zahl, für den Angeklagten PP2 zwei an der Zahl teilgenommen haben, die jeweils gegen sie eingeleiteten Ermittlungsverfahren sie nicht beeindruckt haben, sondern sie vielmehr weiterhin an Straßenblockaden bundesweit teilnehmen und teilzunehmen beabsichtigen, was zeigt, dass keinerlei Unrechtseinsicht bei ihnen vorhanden ist und eine rasante Rückfallgeschwindigkeit vorliegt. Auch konnten den Angeklagten PP1 ergangene, jedoch noch nicht rechtskräftige Strafbefehle sowie eine bereits gegen ihn durchgeführte Hauptverhandlung nicht beeindrucken.

Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass der Angeklagte PP1 angibt, kein Urteil könne ihn davon abhalten, weiterhin gleichgelagerte Straftaten zu begehen und Geldstrafen träfen ihn nicht, da er die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und eine Geldstrafe auf dem Stapel unbezahlter Rechnungen lande, liegen besondere Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten PP1 vor, die zur Einwirkung auf ihn die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB auch unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes unerlässlich machen.

Nach Abwägung der vorgenannten Strafzumessungserwägungen hielt das Gericht daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten gegen den Angeklagten PP1 für tat- und schuldangemessen.

Nachdem der Angeklagte PP2 ebenfalls glaubhaft angegeben hat, von strafrechtlichen Sanktionen nicht davon abgehalten zu werden, gleichgelagerte Straftaten zu begehen, liegen besondere Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten PP2 vor, die zur Einwirkung auf ihn die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB auch unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes unerlässlich machen.

Nach nochmaliger Abwägung der vorgenannten Strafzumessungserwägungen hielt das Gericht daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten gegen den Angeklagten PP2 für tat- und schuldangemessen.

Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen konnte für die Angeklagten PP1 und PP2 nicht gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Dass die Angeklagten auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine weiteren Straftaten mehr begehen werden, kann nicht erwartet werden. Nicht übersehen wurde dabei, dass die Angeklagten erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, der Angeklagte PP2 darüber hinaus das erste Mal vor Gericht stand. Trotzdem erscheint selbst bei Ausschöpfung aller, nicht im Strafvollzug bestehenden Sanktionen die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens nicht größer als diejenige neuer Straftaten. Denn nicht zu übersehen ist, dass beide Angeklagten glaubhaft und nachdrücklich bekundet haben, von neuen gleichgelagerten Straftaten durch kein Urteil der Welt abzuhalten zu sein. Durch die bislang eingeleiteten Ermittlungsverfahren waren die beiden Angeklagten nicht zu beeindrucken. Auch die bereits gegen den Angeklagten PP1 durchgeführte Hauptverhandlung hat ihn von weiteren zumindest tatbestandsmäßigen Handlungen nicht abgehalten. Dies zeigt, dass bei beiden Angeklagten mit weiteren gleichgelagerten Straftaten jederzeit zu rechnen ist, sodass eine Einwirkung auf sie mittels des Strafvollzugs als einzig zur Verfügung stehendes Mittel anzusehen ist.

2. PP3, pp4 und pp5

Nachdem die Angeklagten PP3, pp4 und pp5 sich erstmals einem Strafverfahren stellen müssen, hielt das Gericht unter Abwägung der vorgenannten Strafzumessungserwägungen folgende Geldstrafen für tat- und schuldangemessen:……“

Nun, wie gesagt: Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wir werden dann zu den Fragen, vor allem auch zur Strafzumessung, sicher etwas vom zuständigen OLG Stuttgart hören. Ich frage mich allerdings, welche Sanktionen das AG – bei den Feststellungen – sonst hätte verhängen sollen.

Und die Geschichte mit dem „Gesellschaftsrat“ muss man mir auch erst mal erklären. Ich meine, den haben wir bereits. Den nennt man Bundestag. Dem soll dann also ein Gremien „aus zufällig gelosten Menschen, die die Bevölkerung Deutschlands nach Kriterien wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und Migrationshintergrund bestmöglich abbilden“ Vorgaben machen?