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Do it yourself? Ja, aber Gebühren gibt es nicht

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Ein alt bekanntes Problem ruft der LG Potsdam, Beschl. v. 09.01.2014 – 24 Qs 151/13 – in Erinnerung. Nämlich die Frage: Kann der Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt und frei gesprochen wird bzw. bei dem das Verfahren eingestellt wird, gegenüber der Staatskasse Gebühren nach dem RVG abrechnen. Das ist früher in der Rechtsprechung vertreten worden, heute geht die h.M. in die andere Richtung, m.E. zu Recht. So auch – für das Bußgeldverfahren – der LG Potsdam-Beschl., in dem es heißt:

„a) Zu Recht hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Potsdam eine Festsetzung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gebühren und Auslagen abgelehnt. Denn für die Verteidigung in eigener Sache erhält der Rechtsanwalt als Betroffener eines Bußgeldverfahrens, für das gemäß §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG die Regelungen der Strafprozessordnung sinngemäß gelten, keine Gebühren erstattet.

aa) Zwar gehören zu den notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers, die nach der Auslagenentscheidung des Amtsgerichts Potsdam die Landeskasse zu tragen hat, gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Die Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 ZPO kann allerdings – entgegen einer früher teilweise vertretenen und offenbar auch vom Beschwerdeführer favorisierten Ansicht (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1973, 1991 [OLG Frankfurt am Main 08.08.1973 – 2 Ws 200/72]; LG Wuppertal, NJW 1975, 2309 [LG Wuppertal 01.07.1975 – 25 Qs 5/75]; LG Mainz, NJW 1979, 1897) – nicht dahin verstanden werden, wegen des Wortlauts der Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO (danach sind dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte) stehe ein anwaltlicher Gebührenanspruch auch einem sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt zu. Dabei wird nämlich übersehen, dass nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO der in eigener Sache am Straf- oder Bußgeld verfahren beteiligte Rechtsanwalt kostenrechtlich nur dann wie ein im Verfahren durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertretener Beteiligter behandelt werden soll, wenn er die Aufgaben, die das Verfahrensrecht einem bevollmächtigten Rechtsanwalt zuweist, aufgrund eigener Sachkunde selbst wahrgenommen hat und nach dem Strafprozessrecht auch wahrnehmen durfte (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78]; NJW 1994, 242 [BVerfG 01.04.1993 – 2 BvR 253/93]).

Dies ist jedoch bei der Selbstverteidigung in einem Straf- oder Bußgeldverfahren – anders als im Zivilprozess, in dem § 78 Abs. 4 ZPO dem Rechtsanwalt die Möglichkeit der Selbstvertretung eröffnet – nicht der Fall. Nach übereinstimmender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum ist es nicht zulässig, dass der Rechtsanwalt in dem von der StPO und dem OWiG gebrauchten Sinne sein eigener Verteidiger sein kann (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78]; NJW 1998, 2205 [BVerfG 19.03.1998 – 2 BvR 291/98]; LG Nürnberg-Fürth, NJW 1973, 913; LG Zweibrücken, Rpfleger 1983, 330; LG Berlin, NJW 2007, 1477; Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 138 Rdn. 6). Denn der Status des Verteidigers, der als Organ der Rechtspflege mit spürbarer Distanz zum Beschuldigten grundsätzlich gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft im Prozess tätig wird, und die Stellung des Angeklagten/Betroffenen im Straf- bzw. Bußgeldverfahren sind offensichtlich miteinander unvereinbar (BVerfG, NJW 1994, 242; NJW 1998, 2205 [BVerfG 19.03.1998 – 2 BvR 291/98]).

Aus diesem Grund findet die auf den Zivilprozess zugeschnittene Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nach ganz herrschender und auch von der Kammer geteilter Auffassung im Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 464a Rdn. 14 m.w.N.; Göhler, OWiG, 16. Auflage, vor § 105 Rdn. 45). Entsprechend dieser einschränkenden Auslegung des § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, die nicht nur verfassungsrechtlich vertretbar ist, sondern nahe liegt (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78]; NJW 1994, 242 [BVerfG 01.04.1993 – 2 BvR 253/93]), steht einem Rechtsanwalt, der sich als Angeklagter/Betroffener in einem Straf- bzw. Bußgeldverfahren selbst verteidigt hat, kein anwaltlicher Gebühren- und Auslagenanspruch zu (LG Nürnberg-Fürth, NJW 1973, 913; LG Göttingen, Rpfleger 1991, 337; Meyer-Goßner, a.a.O., § 464a Rdn. 14; Göhler, a.a.O., vor § 105 Rdn. 45).“

Ganz leer geht der Betroffene/Verteidiger aber ggf. nicht aus:

„aa) Wie jeder Beteiligte, dessen notwendige Auslagen die Landeskasse zu tragen hat, kann der sich selbst verteidigende Rechtsanwalt als Betroffener gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auch den Vermögensverlust, der durch notwendige Zeitversäumnis entstanden ist, sowie sonstige, etwa durch die Teilnahme an einem Hauptverhandlungstermin verursachte Auslagen nach den Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten, erstattet verlangen (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78] [1678]; LG Zweibrücken, Rpfleger 1983, 330; Meyer-Goßner, a.a.O., § 464a Rdn. 15; Göhler, a.a.O., vor § 105 Rdn. 45). Eine Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG), Zeitversäumnis (§ 20 JVEG) oder sonstigen Aufwand (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 JVEG i.V.m. §§ 6, 7 JVEG) setzt allerdings jeweils voraus, dass der daraufgerichtete Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz JVEG bei der heranziehenden Stelle ordnungsgemäß geltend gemacht wird.

Nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung – zumindest dann, wenn das AG „schummeln“ will

Ich mag die – vor allem landgerichtlichen Entscheidungen -, die sich gegen die obergerichtliche Rechtsprechung stellen, wonach eine Pflichtverteidigerbeiordnung nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr möglich sei (vgl. die Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn., Rn. 2326), immer wieder gern. Diese Entscheidungen sind nämlich zumindest dann zutreffend, wenn die AG durch „Untätigkeit“ die Pflichtverteidigerbestellung umgehen wollen. Und die die Annahme liegt nahe, wenn ein AG wie in einem gerade vom LG Potsdam entschiedenen Fall (vgl. LG Potsdam, Beschl. v. 31.01.2014 – 25 Qs 8/14) mehr als sechs Monate „herumgedoktert“, ohne einen zeitnah mit Beginn des Verfahrens gestellten Pflichtverteidigerantrag zu bescheiden. Solches Vorgehen sehen die LG nicht gern und bestellen nachträglich dann einen Pflichtverteidiger.

1. Die gemäß § 304 StPO statthafte Beschwerde ist zulässig.

a) Zwar ist in großen Teilen die Rechtsprechung eine nachträgliche und mit Rückwirkung versehende Pflichtverteidigerbestellung, wie sie der Angeschuldigte mit seiner nach erfolgter Einstellung des Strafverfahrens erhobenen Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung des Amtsgerichts Nauen begehrt, „schlechthin unzulässig“ und mithin grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. nur OLG Hamm, 5. Strafsenat, 5 Ws 184/08 vom 27. Mai 2008 — zitiert nach Juris).

Denn nach h. M. mangelt es in solchen Fällen in der Regel am Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers.

 b) Von diesem Grundsatz ist jedoch nach Ansicht der Kammer jedenfalls dann abzuweichen, wenn das Amtsgericht den rechtzeitig beantragten Beiordnungsbeschluss nicht zeitnah bescheidet und aus nicht nachvollziehbaren Gründen über Monate hinweg von der Entscheidung absieht. So ist die Sachlage hier.

Das Amtsgericht hat den am 19. Juli 2013 gestellten Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers nahezu sechs Monate im Wesentlichen unbearbeitet gelassen und ihn erst an 7. Januar 2014 zusammen mit dem Einstellungsbeschluss beschieden.

Diese Zeitdauer, die sich mit dem Strafverfahren nicht erklären lässt und sich auch mit den Verfügungen des Richters nicht erklären lässt, lässt die Vermutung befürchten, dass das Gericht mit seiner Pflichtverteidigerbestellung ablehnenden Entscheidung — zeitgleich mit dem Einstellungsbeschluss — die Anfechtungsmöglichkeit seines Beschusses zu negieren beabsichtigte.

Dieses Prozedere steht im Grunde einer Nichtentscheidung gleich (vgl. dazu Landgericht Potsdam, 4. Strafkammer, Beschluss vom 25. August 2004, 24 Qs 90/03, StV 2/2005, 83). Die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen, steht der Verpflichtung über einen rechtzeitig vor der möglichen Verfahrensbeendigung gestellten Beiordnungsantrag zeitnah zu entscheiden, nicht entgegen.“

Dazu passen dann übrigens auch die OLG Entscheidungen, die in der letzten Zeit eine zeitnahe Entscheidung über den Beiordnungsantrag angemahnt haben (vgl. OLG Hamm StV 2011, 658; OLG Stuttgart StRR 2011, 64).

Gibt es für eine Hauptverhandlungsdauer von 11 bzw. 8 Minuten die Mittelgebühr?

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Über Jurion bin ich auf den gebührenrechtlichen LG Potsdam, Beschl. v. 15.08.2013 – 24 Qs 77/13 gestoßen, der sich zur Bemessung der Terminsgebühr im Bußgeldverfahren verhält. Der Verteidiger hatte die Mittelgebühr der Nr. 5110 VV RVG – also 215,00 € – geltend gemacht, die Rechtspflegerin hatte nur 100 € festgesetzt. Das LG hat das „gehalten“ und stellt auf folgende Umstände ab:

Ausgangspunkt ist die grundsätzlich zu gewährende Mittelgebühr:

Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung, die der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bei Rahmengebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen hat, ist – auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeld verfahren – nach überwiegend vertretener Auffassung, die von der Kammer in ständiger Rechtsprechung geteilt wird, grundsätzlich die Mittelgebühr des jeweils in Betracht kommenden Gebührenrahmens (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage, § 14, Rdn. 10; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage, W 5100, Vorbem. Rdn. 5; Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Auflage, vor § 105, Rdn. 42b; LG Düsseldorf JurBüro 2007, 84; LG Saarbrücken, Beschluss vom 7. November 2012, 2 Qs 40/12 [bei […]]; LG Potsdam JurBüro 2013, 189; aA LG Osnabrück, Beschluss vom 21. März 2012, 15 Qs 12/12 [bei […]], das dem Verteidiger bei Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich nur Gebühren unterhalb der Mittelgebühr zugesteht).“

(Mindernd) zu berücksichtigen sind dann aber folgende Umstände:

  • einfache Sach- und Rechtslage, die sich in beiden HV-Terminen jeweils auf die Frage beschränkte, ob der Betroffene der Fahrer des gemessenen Fahrzeugs war oder nicht.
  • kurze Dauer der Verhandlungen von elf bzw. acht Minuten.
  • Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen ebenfalls unterdurchschnittlich. In der Sache ging es lediglich um eine Geldbuße von 120,00 €und einen Punkt im Verkehrszentralregister; die Verhängung eines Fahrverbotes stand nicht im Raum.
  • Das in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Kriterium der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers bliebt außer Betracht,  da zu den wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nach Aktenlage keine Feststellungen getroffenen wurden.

Nun, angesichts der weitgehend gebührenmindernden Umstände wird man den Ansatz der Mittelgebühr schon bezweifeln können, ob allerdings die dargelegten Umstände so stark mindernd sind, dass nur 100 € als angemessen anzusehen sind, ist m.E. fraglich. Zudem halte ich es für nicht zutreffend, wenn die Sach- und Rechtslage als einfach angesehen wird. M.E. spricht das eingeholte Gutachten eher dagegen.

„Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht….“, das liest man als Autor gerne

Im JurBüro 2013, 189 bin ich auf den LG Potsdam., Beschl. v. 26.11.2012 – 24 Qs 118/11 gestoßen. Und beim Lesen kommt dann große Freude auf. In dem „gebührenrechtlichen Beschluss“ heißt es im Zusammenhang mit der Frage nach der anwaltlichen Mitwirkung i.S. der Nr. 5115 VV RVG:

Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht, dass der Verteidiger seine erste Eingabe im Bußgeldverfahren mit einen Einstellungsantrag verbinden solle, weil dann seine Mitwirkung an einer späteren Einstellung kaum zu widerlegen sein dürfte.“

So etwas liest man als Herausgeber/Autor/Kommentator natürlich gerne. Es beweist das, was ich schon immer gesagt habe: An Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, kommt man bei der Abrechnung im Straf- oder Bußgeldverfahren, aber auch bei Teil 6 VV RVG, nicht vorbei. So, das war jetzt Werbung :-).

Dabei war diese Passage in dem LG-Beschluss gar nicht notwendig, da m.E. so oder „Mitwirkung“ vorgelegen hat, denn:

Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Mitwirkung des Verteidigers aus den Akten. Der ist danach schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde umfassend für den Betroffenen tätig geworden. Er hat für diesen nicht nur Einspruch eingelegt und erfolgreich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist erreicht, sondern mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2010 an die Verwaltungsbehörde auch vorgetragen, dass ein anderer als sein Mandant der Fahrzeugführer gewesen sein könnte, weil der betreffende Pkw üblicherweise von mehreren Mitarbeitern genutzt werde. Das vorhandene Lichtbild lasse weder seinen Mandanten noch einen seiner Mitarbeiter zweifelsfrei erkennen. Diese Argumentation hat die zuständige Amtsrichterin zumindest auch veranlasst, der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 6. Mai 2011 mitzuteilen, dass die Fahrereigenschaft des Betroffenen „sehr zweifelhaft“ sei. Gleichzeitig regte sie an, einer Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG zuzustimmen. Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde dann das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.

Im Übrigen hat sich das LG der h.M. in Rechtsprechung und Literatur (auch von Burhoff/Burhoff, RVG ;-)) angeschlossen, wonach dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr ein Ermessensspielraum von 20 % zugebilligt wird.