Und als letzte Entscheidung dann noch ein Beschluss des KG. Der KG, Beschl. v. 19.11.2019 – (3) 121 Ss 143/19 (80 + 81/19) ist schon etwas älter, ich bringe ihn aber dann doch noch.
Das KG hat über die Strafbarkeit von Werbung zum Schwangerschaftsabbruch auf einer Internetseite von Ärztinnen entschieden (§ 219a StGB). Grundlage waren folgende Feststellungen des AG:
W1. Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagten am 14. Juni 2019 wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft nach § 219a Abs. 1 Nr. 1 erster Fall StGB jeweils zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 100,- Euro verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen betrieben die Angeklagten – beide sind Gynäkologinnen – in B. eine Gemeinschaftspraxis. Dazu heißt es im amtsgerichtlichen Urteil weiter:
„Beide betrieben zumindest vom 02.02.2018 bis zum 12.07.2018 unter www.xxxx.de eine Internetseite, die der Öffentlichkeit frei zugänglich war. Unter der Rubrik „Leistungsspektrum – Sie sind schwanger . . .“ stand unter anderem auch: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen.“
Beide Angeklagten standen im Impressum der Internetseite.“
……
Nach Auffassung des Amtsgerichts haben die Angeklagten mit ihrem Verhalten den Tatbestand des gemeinschaftlichen Werbens für den Abbruch der Schwangerschaft nach §§ 219a Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB verwirklicht. Dazu hat es festgestellt, dass sie „durch die öffentlich zugängliche Internetseite […] eigene (Frau pp.) bzw. fremde (Frau pp.) Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs angeboten“ haben. Der auf der Internetseite öffentlich zugänglich gemachte Text verwirkliche das Tatbestandsmerkmal des Anbietens, das auch dann vorliege, wenn der Erklärung kein anpreisender Werbeeffekt innewohne. Auch hätten beide Angeklagten ihres Vermögensvorteils wegen gehandelt. Dazu heißt es in den Urteilsgründen:
„Die Angeklagte pp. erhält für einen durchgeführten Schwangerschaftsabbruch das dafür vorgesehene ärztliche Honorar. […] Aber auch die Angeklagte Dr. W. hat ein Interesse an den finanziellen Zuwendungen, die die Mitangeklagte erhält, denn beide teilen sich zumindest die Praxisräume und das Personal, so dass die Einnahmen der einen Angeklagten zumindest indirekt auch der anderen zugutekommen.“
Weiter hat das Amtsgericht ausgeführt, das Handeln der Angeklagten stelle auch keine nach § 219a Abs. 4 StGB von der Strafbarkeit ausgenommene Handlung dar. Für eine tatbestandliche Einschränkung durch § 219a Abs. 4 StGB sei im vorliegenden Fall kein Raum, weil danach allein die Mitteilung erlaubt sei, dass Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, nicht aber, wie diese vorgenommen würden.“
Das KG hat die Revision der Angeklagten einen verworfen, die andere hatte zunächst Erfolg. Ich stelle hier aus dem recht langen Beschluss nur die Leitsätze vor, die für beide Angeklagte gelten, und zwar:
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Ein Arzt, der auf seiner Internetseite in dem angebotenen Leistungsspektrum auf die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen unter Angabe der verwendeten Behandlungsmethode und dem Zusatz „in geschützter Atmosphäre“ hinweist, macht sich auch auf der Grundlage des neu eingefügten § 219a Abs. 4 StGB nach § 219a Abs. 1 StGB wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft strafbar.
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Das Tatbestandsmerkmal um seines Vermögensvorteils willen im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB ist zwar im Sinne einer Bereicherungsabsicht zu verstehen. Die Ausgestaltung von § 219a Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt ist dabei aber zu berücksichtigen.
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Bietet ein Arzt fremde Schwangerschaftsabbrüche an, liegt eine Bereicherungsabsicht im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB nicht auf der Hand. In so gelagerten Fällen bedarf es für das Bejahen dieses Merkmals darüber hinausgehender Feststellungen, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse belegen.