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Und zum Schluss dann noch ein Beschluss zu den Beiordnungsgründen des § 140 Abs. 2 StPO, und zwar „Schwere der Tat“ in Zusammenhnag mit der Gesamtstrafenfähigkeit. Dem Verfahren lag zwar auch eine „Rückwirkungsproblematik“ zugrunde. Die wird im LG Hannover, Beschl. v. v. 16.06.2021 – 63 Qs 23/21 – elegant „umschifft“. Das LG lässt die Frage offen und lehnt die Bestellung (schon) aus sachlichen Gründen ab:
„Ob eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung ausnahmsweise erfolgen kann, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, ein Antrag auf Beiordnung rechtzeitig gestellt und das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Bestellung nicht beachtet wurde, kann vorliegend indes dahinstehen, da bereits kein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 StPO gegeben war. Insoweit kam allenfalls eine Beiordnung wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge nach § 140 Abs. 2 StPO in Betracht, da ausweislich der Ausführungen des Verteidigers gegen den Beschwerdeführer ein weiteres Strafverfahren anhängig ist und zwischenzeitlich wegen eines Verbrechensvorwurfs Anklage zum Schöffengericht erhoben wurde. Gleichwohl lagen bereits zu dem Zeitpunkt, als der Beiordnungsantrag gestellt wurde, die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge nicht vor.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war der Verdacht des versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln durch das Bestellen von Hanfblütentee mit einem THC-Gehalt von weniger als 0,2 Gramm. Der Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Zusätzlich lag der fakultative Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB vor. Zwar ist der Beschwerdeführer bislang vielfach und vor allem auch einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat bereits Jugendstrafe verbüßt. Bisher erfolgte allerdings „lediglich“ eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht wegen eines am 11.04.2019 erfolgten unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro. Daher ist insgesamt davon auszugehen, dass im vorliegenden Verfahren eine relativ geringe Straferwartung gegeben war, so dass allein aus diesem Grund kein Anlass für eine Beiordnung wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge bestand.
Auch der Umstand, dass aus der Strafe, die im vorliegenden Verfahren in Betracht gekommen wäre, und der Strafe, die in dem anhängigen Verfahren im Falle einer Verurteilung zu erwarten ist. eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen wäre, rechtfertigt keine Beiordnung gemäß § 140 Abs. 2 StPO.
Zwar ist insoweit zu berücksichtigen, dass eine Straferwartung von 1 Jahr Freiheitsstrafe in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers bzw. einer Verteidigerin geben sollte, wobei diese Grenze auch gilt, wenn sie nur wegen einer Gesamtstrafen-bildung erreicht wird (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 140 Rdnr. 23a). Zu beachten ist insoweit aber auch, dass es sich hierbei um keine starren Grenzen handelt. Ein Delikt mit geringfügiger Straferwartung begründet nicht allein deshalb einen Anwendungsfall des § 140 Abs. 2 StPO, weil die Strafe später voraussichtlich in eine Gesamtstrafe von mehr als 1 Jahr einzubeziehen sein wird (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Es bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelfall, ob andere Verfahren und die Erwartung späterer Gesamtstrafenbildung das Gewicht des abzuurteilenden Falles tatsächlich so erhöhen. dass die Mitwirkung eines Verteidigers bzw. einer Verteidigerin geboten ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.03.2012 — 2 Ws 37/12 —, Rdnr. 7 bei juris). Dies war zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht der Fall. Selbst wenn es in dem vorliegenden und dem nunmehr zur Anklage gebrachten Verfahren zu einer Verurteilung und Gesamtstrafenbildung gekommen wäre, hätte die in diesem Verfahren zu erwartende Strafe die in dem weiteren Verfahren zu erwartende Strafe nur geringfügig erhöht. Im Vorverfahren bestand daher noch keine Veranlassung einer Beiordnung wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge.“