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Lesen, ärgern, als falsch abheften

© Alex White _Fotolia.com

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Lesen, ärgern, als falsch abheften, mehr kann und mehr sollte man mit dem LG Saarbrücken, Beschl. v. 05.02.2015 – 6 Qs 17/15 nicht tun. Und viel mehr habe ich auch nicht getan, aber geärgert habe ich mich schon über den in meinen Augen – mal wieder falschen – Beschluss aus Saarbrücken. In ihm werden dem Verteidiger für das Berufungsverfahren nämlich gerade mal 80 € für die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RV G zugebilligt/gewährt – das ist die Mindestgebühr. Und für den Berufungshauptverhandlungstermin von 30 Minuten Dauer gibt es im Rahmen der Terminsgebühr dann 110,– €. Und das m.E. jeweils mit falscher Begründung:

Zur Verfahrensgebühr heißt es:

„Im Hinblick auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV-RVG erscheint im vorliegenden Fall die Mindestgebühr in Höhe von 80,– Euro zuzüglich Mehrwertsteuer angemessen, da sich die Tätigkeit des Verteidigers im Hinblick auf die mit der Verfahrensgebühr abgegoltenen Tätigkeiten vor Gericht außerhalb der Hauptverhandlung lediglich auf die Entgegennahme des Berufungsurteils beschränkte. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, er habe sich kurzfristig auch nach der üblichen Bürozeit in die Angelegenheit einarbeiten müssen, so ist diese Tätigkeit bereits mit der Grundgebühr, welche im vorliegenden Fall mit der Mittelgebühr in Ansatz gebracht wurde, abgegolten.“

Falsch meine Damen und Herren vom LG. Denn ihr führt selbst aus, dass der Verteidiger auch noch ein zweites Gespräch geführt hat. Das ist dann aber jedenfalls nicht von der Grundgebühr abgedeckt, da das über die Einarbeitung hinausgeht. Steht so in jedem Kommentar, gilt aber offenbar in Saarbrücken nicht. Und ob nicht auch sonst mehr als die „Mindestgebühr“ – also weniger kann man nicht tun – gerechtfertigt gewesen wäre, wage ich auch zu bezweifeln.

Zur Terminsgebühr heißt es:

„Im Hinblick auf die geltend gemachte Terminsgebühr ist die vom Amtsgericht vorgenommene Kürzung auf 110,– zuzüglich Mehrwertsteuer für den Termin vom 27.03.2014 ebenfalls sachgerecht. Wesentliches Bemessungskriterium bei der Terminsgebühr ist regelmäßig die Dauer des Termins. Im vorliegenden Fall dauerte die Hauptverhandlung 30 Minuten. Dies ist im Vergleich mit allen beim Landgericht – Kleine Strafkammer – anhängigen Berufungsverfahren als unter dem Durchschnitt anzusehen. Auch sonstige Kriterien, welche die unterdurchschnittliche Dauer kompensieren könnten, namentlich die Dimension der Bedeutung, der Schwierigkeit und des Umfangs der Angelegenheit, liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Die Angelegenheit war denkbar einfach gelagert. Auch die Bedeutung der Angelegenheit im Hinblick auf das Fahrverbot für den Angeklagten ist nicht derart hoch zu gewichten, als dass sie die unterdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlung im vorliegenden Fall kompensieren könnte.“

Auch das ist m.E. im Hinblick auf die sonstigen Umstände falsch, allein schon wegen des im Raum stehenden Fahrverbots. Ob die geltend gemachte Mittelgebühr berechtigt gewesen ist, mag dahinstehen, 110 €, also etwas mehr als die Mindestgebühr, sind m.E. aber nicht „sachgerecht“.

Ein bisschen mehr als „Lesen, ärgern, als falsch abheften“ habe ich dann doch getan. Ich habe mich bei dem „armen“ Kostenbeamten aus Saarbrücken bedankt für die Übersendung des Beschlusses – er tut mir schon ein wenig leid, weil er immer die ganze Breitseite abbekommt. Geschrieben habe ich ihm: „…danke. Ich spare mir einen Kommentar, außer: Ich wünsche den Richtern, dass sie mal für die Netto-Sätze, von denen dann noch Büro, Angestellte usw. bezahlt werden müssen, arbeiten dürfen.

Das kleine gallische Dorf im Gebührenrecht: AG Meißen versus LG Dresden – zur Nachahmung empfohlen

Like - thumb upAn das berühmte kleine gallische Dorf in den Astrix-Geschichte denke ich nicht mehr nur bei PoliscanSpeed, wenn es um das AG Emmendingen geht (vgl. “ein kleines gallisches Dorf…”, oder: AG Emmendingen versus PoliscanSpeed, die 2.„) sondern (jetzt) auch im Gebührenrecht, wenn es um das AG Meißen geht. Ein Kollege hatte mir nämlich den AG Meißen, Beschl. v. 23.01.2015 –  13 OW 703 Js 22714/12 – übersandt, der eine Abrechnung im Bußgeldverfahren, und zwar die Bemessung der Rahmengebühren, zum Inhalt hat. Und ich war dann hoch erfreut, als ich mal wieder lesen konnte, dass die anwaltlichen Tätigkeiten im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren eben nicht grundsätzlich unterdurchschnittlich sind, wie einige Bußgeldkammern verschiedener Landgerichte meinen. Anders der o.a. Beschluss und das dann auch noch mit der Formulierung gegenüber der eigenen Beschwerdekammer: „Die Betrachtungsweise der Bußgeldkammer des Landgerichts Dresden findet im Gesetz keine Stütze.“ Hut ab, Frau Kollegin 🙂 .

„In Bußgeldverfahren erhält der Verteidiger Rahmengebühren, welche der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Von Letzterem ist die Rechtspflegerin hinsichtlich der Gebühren Nr. 5100 und 5110 VV in nicht zutreffender Weise ausgegangen. Im Übrigen ist gegen die Einschätzung der Rechtspflegerin hinsichtlich der von der Staatskasse angegriffenen Festsetzung der jeweiligen Mittel-gebühren nichts zu erinnern.

Das Amtsgericht Meißen folgt der Rechtsprechung der Bußgeldkammer des Landgerichts Dresden, wonach wegen des Massencharakters von Verkehrsordnungswidrigkeiten die anwaltliche Tätigkeit in diesen Sachen lediglich als unterdurchschnittlich einzustufen sei, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, in eigener ständiger Rechtsprechung nicht.

Die Betrachtungsweise der Bußgeldkammer des Landgerichts Dresden findet im Gesetz keine Stütze. Soweit dort unterschieden ist zwischen Verfahren mit einer Geldbuße von 40,00 Euro bis 5.000,00 Euro und Verfahren mit einer Geldbuße über 5.000,00 Euro, so ist hieraus nicht zu entnehmen, dass die Anwaltsgebühr in Relation zur Höhe der Geldbuße zu stehen habe. Vielmehr ist das Gesetz nach den zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden da-hingehend zu verstehen, dass Verfahren, in denen Geldbußen von mehr als 5.000,00 Euro zur Anwendung regelmäßig rechtlich und tatsächlich schwierig sind, weil es bereits deren Tatbestand ist. Dies sind regelmäßig recht seltene Fälle aus Nebengesetzen, die in der Regel Spezialkenntnisse verlangen. Verfahren, in denen Geldbußen von 40,00 Euro bis 5.000,00 Euro sollen hingegen der Normalfall an Bußgeldverfahren sein. Dabei soll die dortige Mittelgebühr wiederum den dort durchschnittlichen Bußgeldfall abdecken. Durchschnittsfall im Bußgeldreferat, sei es die richterliche oder anwaltliche Tätigkeit, ist aber die Verkehrsordnungswidrigkeit. Diese Verfahren nehmen den weit überragenden Teil aller Bußgeldverfahren ein. Die vom Landgericht Dresden zum Vergleich herangezogenen Bußgeldtatbestände anderer Rechtsgebiete, insbesondere auf dem Gebiet des Wirtschafts- , Steuer- oder Umweltrechtes machen, wenn sie denn überhaupt einmal auftreten, einen verschwindend geringen Anteil im bußgeld-rechtlichen Dezernat aus. Sie können somit nicht als Durchschnittsfall gelten. So stellt es im durchschnittlichen amtsrichterlichen Dezernat den Normalfall dar, wenn eine Geldbuße um die 100 € verhängt wird. Bereits die Verhängung eines Fahrverbotes ist verhältnismäßig selten höhere Geldbußen ebenfalls. Der Regelfall ist ein Fall der vorliegenden Art und Güte.

Stellen solche Art Verfahren den Normalfall dar, sind sie auch gleichzeitig der Normalfall anwaltlicher Tätigkeit. Dieser soll entsprechend des gesetzgeberischen Willens gerade durch die Mittelgebühr honoriert werden. Soweit es einmal doch zu einem Bußgeldverfahren in Wirtschafts-, Steuer- oder Umweltverfahren kommen sollte, mag dies durch entsprechende Erhöhung der Mittelgebühr bis hin zur Höchstgebühr berücksichtigt werden. Jenseits einer Geldbuße von 5.000 €käme dann ohnehin Nr. 5111 VV zur Anwendung.

Hinzu kommt, dass bei der anzustellenden Einzelfallprüfung ohnehin die jeweilige Bedeutung der Angelegenheit nur ein Entscheidungskriterium neben anderen Erwägungen ist, keinesfalls doch das Ausschließliche oder das Überragende. Im Sinne einer wertenden Entscheidung des Einzelfalls sind vielmehr sämtliche Umstände heranzuziehen, die für die Bestimmung des jeweiligen Gebührenrahmens von Belang sein können. Die Bewertung beschränkt sich namentlich nicht auf die in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG benannten Merkmale. Die Verwendung des Wortes „vor allem“ belegt vielmehr, dass diese nicht enumerativ sondern lediglich exemplarisch aufgeführt sind, vgl. auch Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2004, L6B 92/03 RJ-KO — noch zu § 12 Abs. 1 BRAGO und der dortigen Verwendung des Wortes „insbesondere“. Gemessen an diesem Maßstab ist die von dem Erinnerungsführer in Ansatz ge-brachte Gebührenbestimmung mit der Mittelgebühr nicht unbillig.“

Zur Nachahmung empfohlen.

Ich habe da mal eine Frage: Gibt es im (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren immer die Mittelgebühr?

© AllebaziB - Fotolia.com

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Es ist Freitag und damit mal wieder Zeit für das RVG-Rätsel, das sich heute mit einer Frage aus dem Bußgeldverfahren befasst, die in der Rechtsprechung der LG und AG schon eine größere Rolle spielt und die auch häufig an mich herangetragen wird. Es geht nämlich um die Bemessung der Rahmengebühren im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren. Da stellt sich die immer wieder die Frage: Wo liegt der Ausgangspunkt für deren Bemessung? Ist das immer die Mittelgebühr oder ist immer eine unter der Mittelgebühr liegende Gebühr Ausgangspunkt für die Bemessung der angemessenen Gebühr? Das sind Fragen, die für den Verteidiger im Bußgeldverfahren im Hinblick auf die Höhe seiner Gebühren/seines Honorars schon von erheblicher Bedeutung sein können.

Also, ist m.E. nicht schwer und bis zum Endspiel am Sonntag ist ja auch noch ein wenig Zeit. Wenn „unsere Jungs“ gewinnen, dann gibt es allerdings mehr als die Mittelgebühr, dann gibt es die Höchstgebühr mit Prämie und ****-Sterne. 🙂 🙂 🙂 🙂

Pflichti X: Der „prozessökonomisch“ arbeitende Pflichtverteidiger

RVG KasseDer „prozessökonomisch“ arbeitende Pflichtverteidiger bekommt eine Pauschgebühr bzw. eine prozessökonomische Tätigkeit des Pflichtverteidigers kann bei der Bemessung einer Pauschgebühr  berücksichtigt werden. So das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 27.03.2014 –  5 RVGs 8/14. Das ist allerdings keine neue Rechtsprechung, sondern ist so oder ähnlich schon früher vom OLG Hamm und auch anderen OLG vertreten worden (vgl. dazu OLG Hamm StraFo 2005, 173 = AGS 2005, 112; NJW 2006, 75 = JurBüro 2006, 138 = StV 2006, 203; JurBüro 2005, 535; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315= StV 2006, 205 = NStZ-RR 2005, 286). Allerdings haben die OLG früher darauf abgestellt, dass zusätzlicher zeitlicher Aufwand erforderlich, um den Umstand, dass der Pflichtverteidiger zur Abkürzung des Verfahrens beigetragen hat, berücksichtigen zu können. Dazu führt das OLG jetzt – ausdrücklich – nichts mehr aus. da heißt es nur:

„Hinsichtlich der Bemessung der Pauschgebühr ist zu bemerken, dass – worauf auch der Vertreter der Staatskasse bereits zutreffend hingewiesen hat der Senat entsprechend seiner gefestigten Rechtsprechung die offenbar prozessökonomische Tätigkeit des Antragstellers berücksichtigt hat. So hat ich der ehemalige Angeklagte geständig eingelassen und die Hauptverhandlung konnte an nur einem Tat durchgeführt  werden.“

Grundsätzlich ok, aber: Geständige Einlassung des Angeklagten – das ist „Prozessökonomie“ an anderer Stelle. Aber das OLG meint sicherlich, dass der Pflichtverteidiger dem Angeklagten zu „prozessökonomischen“ Verhalten geraten hat…..

Ich möchte das „Geschrei“ nicht hören, wenn man selbst betroffen wäre…

© mpanch - Fotolia.com

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Und zum Abschluss des Tages – bevor die Osterfeiertage dann richtig beginnen – noch der Hinweis auf das AG Düsseldorf, Urt. v. 18.02.2014 – 20 C 3087/13 – zur Frage der Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren. Ein Thema, das für den anwaltlichen Geldbeutel von großer Bedeutung ist.

Das AG setzt sich in seiner Entscheidung mit den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG auseinander und geht bei der Gebührenbemessung von einer an den Kriterien des § 14 RVG orientierten Einzelfallbetrachtung aus. Insoweit stimme ich dem AG zu. Seine Auffassung entspricht der erkennbaren Tendenz in der Rechtsprechung, eine Gesamtabwägung aller Umstände vorzunehmen (vgl. dazu u.a. LG Saarbrücken VRR 2013, 39 = RVGreport 2013, 53 = RVGprofessionell 2013, 107 = StRR 2013, 315 und So macht Gebührenrecht Spaß: Munition im Kampf um die Mittelgebühr)

Probleme habe ich dann aber mit der weiteren Argumentation des AG. Dabei mag die Frage des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit und deren Schwierigkeit dahinstehen. Die Umstände kann man nur abschließend beurteilen, wenn man das Verfahren im Einzelnen kennt. M.E. ist es aber einfach falsch, wenn das AG das von mir „eingeführte“ gebührenrechtliche Doppelverwertungsverbot verneint (vgl. dazu z.B. auch Jungbauer DAR 2007, 56; Hansens RVGreport 2006, 210; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Vor Vorb. 5.1 Rn. 6). Eine nachvollziehbare Begründung gibt das AG dafür nicht. M.E. kann man aber den Umstand der Höhe der Geldbuße, nachdem sie für die Ermittlung der Gebührenstufe herangezogen worden ist, nicht noch einmal verwenden, um die Gebührenhöhe zu bestimmen.

Unzutreffend ist es m.E. auch, wenn das AG die Punktebelastung im Fall einer Verurteilung als für die Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit nicht bzw. nicht besonders maßgebliches Kriterium ansieht. Das Gegenteil ist m.E. der Fall. Und die Bedeutung wird sich ab 01.05.2014 nach Verschärfung des Punktesystems noch erhöhen. Denn dann sind nur noch 8 Punkte erforderlich, bis die Fahrerlaubnis entzogen wird. Und die sind schnell erreicht. In dem Zusammenhang: Ich möchte das „Geschrei“ nicht hören, wenn der Amtsrichter selbst Betroffener eines solchen Verkehrsverstoßes wäre und die Bedeutung der Angelegenheit so herabgestuft würde, wie man es hier tut. Es gäbe dann sicherlich keine bedeutendere Angelegenheit als die eigene. Dann bitte aber auch bei dem „normalen“ Betroffenen, dem drei Punkte im VZR oder demnächst ein oder zwei Punkte im FAER drohen.