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Gebührenbemessung im Bußgeldverfahren, oder: Macht es das AG Viechtach richtig?

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Es ist Freitag und damit Zeit für Gebühren. Und da stelle ich heute zunächst den AG Viechtach, Beschl. v. 08.07.2019 – 6 II OWi 215/19 – vor. Es geht (mal wieder) um die Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren. Der Verteidiger hatte nach Einstellung des Verfahrens und Auferlegung der notwendigen Auslagen der Betroffenen auf die Staatskasse u.a. über der Mittelgebühr liegende Gebühren geltend gemacht, und zwar bei den Verfahrensgebühren genau 20% plus. Die Verwaltungsbehörde hat dann unter der Mittelgebühr liegende Gebühren festgesetzt, das AG hebt auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung etwas an:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zum Teil begründet.

a) Relevante Kriterien bei der Bedeutung der Angelegenheit

Die Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße sagt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel nicht viel über die Bedeutung der Angelegenheit aus, da die Geldbußen meistens im unteren Bereich angesiedelt sind. In erster Linie werden bei Verkehrsordnungswidrigkeiten Einsprüche gegen Bußgeldbescheide eingelegt wegen den mit der Geldbuße verbundenen Punkten im Fahreignungsregister im Hinblick auf ein zukünftig drohendes Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug durch die Verwaltungsbehörde, wegen eines verhängten Fahrverbots oder zur Abwehr oder Vorbereitung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche. Von Bedeutung ist insbesondere auch, ob d. Betr. beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

b) Maßgebende Kriterien zur Einordnung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit

Bei der Einordnung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind u.a. die Kriterien des Aktenumfangs, der Anzahl und Dauer der Besprechungen mit Mandanten, Sachverständigen und Dritten, der Notwendigkeit der Einarbeitung in Rechtsmaterie, einschließlich des ggfs. notwendigen Studiums von Rechtsprechung und Literatur, Zahl und Umfang der Schriftsätze, auswärtige Beweisaufnahmen, Auswertungen von Beiakten oder Sachverständigengutachten zu berücksichtigen.

3. Für den vorliegenden Fall gilt unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe folgendes:

a) Bedeutung der Angelegenheit

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Betroffene ist auch unter Würdigung des Umstands, dass sie als Pharmareferentin im Außendienst beruflich auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen ist, im Hinblick auf die Höhe des Bußgelds und der Verhängung nur eines Punktes im Fahreignungsregister bei Vorliegen keiner Voreintragung, als gering anzusehen.

b) Zur Grundgebühr 5100

Diese fällt an für die erstmalige Einarbeitung in die Sache und das erste Mandantengespräch. Der Zeitaufwand hierfür kann nur als unterdurchschnittlich bewertet werden. Weder zum Zeitpunkt des Erstgesprächs, noch im Rahmen des Einspruchsverfahrens bis zur Einstellung des Verfahrens war Akteneinsicht gewährt worden, sodass die Einarbeitung in den Fall bis zur Einstellung „nur das Studium des Bußgeldbescheids und das Mandantengespräch“ umfassen konnte. Der Ansatz der Mittelgebühr ist daher angesichts des geringen Umfangs der Sache zum Zeitpunkt der erstmaligen Einarbeitung, welche ein maßgebliches Kriterium für die Bemessung der Grundgebühr ist (vgl. hierzu Krumm in Mayer/Kroiß, Kommentar zum RVG, 7. Aufl. 2018 RdNr. 7), nicht angemessen. Allerdings erscheint vorliegend unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine Grundgebühr von 80 EUR angemessen, da aufgrund des dargelegten Zeitdrucks fernmündliche Nachforschungen beim Polizeiverwaltungsamt angestellt wurden. Tätigkeiten im Zusammenhang mit der drohenden Vollstreckung wurden durch die Gebühr 5200 VV RVG berücksichtigt.

c) Zur Verfahrensgebühr 5103

Hier ist (neben der unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit) auch der Umfang und Schwierigkeitsgrad im weiteren Verlauf des Verfahrens zu berücksichtigen. Vorliegend ist dabei nicht nur der begründete Einspruch zu berücksichtigen, sondern auch der gestellte und umfangreich begründete Antrag auf gerichtliche Entscheidung, was nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall einen durchschnittlichen Umfang der Angelegenheit zu begründen vermag. Auch unter Berücksichtigung der unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit ist bei Berücksichtigung des durchschnittlichen Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich der Verfahrensgebühr ein Ansatz knapp unter der Mittelgebühr in Höhe von 140 EUR angemessen. Gleiches gilt hinsichtlich der Zusatzgebühr 5115 VV RVG.“

Dazu:

Die Richtigkeit von Entscheidungen betreffend die Festsetzung von Rahmengebühre ist immer schwierig zu beurteilen, wenn man die Verfahrensakten und damit alle maßgeblichen Umstände nicht kennt. Hier erscheint es mir aber so, dass das AG zu Unrecht nicht von den Mittelgebühren ausgegangen ist, die auch im Bußgeldverfahren nach h.M. Grundlage der Gebührenbestimmung sind. Das wären hier bei der Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG 100 EUR gewesen, die vom Verteidiger auch geltend gemacht waren und bei der Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG 160 EUR. Die mitgeteilten Umstände reichen m.E. nicht aus, die Mittelgebühr zu unterschreiten. Andererseits: Nach den Gründen lässt sich allerdings auch nicht beurteilen, ob die vom Verteidiger bei der Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG geltend gemachten 192 EUR angemessen gewesen wären. Das wären (genau) 20% mehr als die Mittelgebühr von 160 EUR gewesen. Das AG ist offenbar davon ausgegangen, dass der Verteidiger das ihm im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat, so dass es sich deshalb nicht an die von der Rechtsprechung entwickelte 20%-Toleranzgrenze gebunden gefühlt hat. Dafür spricht der Umstand, dass das AG diese Frage im Beschluss angesprochen hat.

Sowohl der Verteidiger als auch das AG haben aber auf jeden Fall die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG falsch bemessen. Der Verteidiger hatte insoweit 192 EUR verlangt und sich damit an die Höhe der von ihm geltend gemachten Gebühr Nr. 5103 VV RVG angelehnt, das AG hat 140 EUR festgesetzt und sich damit ebenfalls an die Gebühr Nr. 5103 VV RVG angelehnt. Richtig wäre es aber gewesen, die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG in Höhe von 160 EUR festzusetzen. Denn bei der Gebühr handelt es sich nach zutreffender h.M. um eine Festgebühr, die nach dem Rahmen der jeweiligen Verfahrensgebühr nach der Instanz, in der die Hauptverhandlung entbehrlich geworden ist, bemisst. Das wäre hier die Nr. 5109 VV RVG – gerichtliches Verfahren im ersten Rechtszug – gewesen. Die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG haben bei der Bemessung der Gebühr keine Bedeutung. Das war bislang auch Auffassung des AG Viechtach (vgl. AGS 2007, 84 m. Anm. N. Schneider). Wenn das AG das nun anders sieht, wäre es schön gewesen, wenn es sein Umschwenken näher begründet hätte.

Zu allem auch <<Werbemodus an: zu allem Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 5. Aufl. Wo man den bestellen kann, weiß der kundige Leser <<Werbemodus aus>>.

Grundgebühr angemessen bemessen, Terminsgebühr außerhalb des Toleranzbereichs

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Als zweite Gebührenentscheidung des Tages dann nach längerer Zeit mal wieder etwas zu § 14 RVG, und zwar der LG Hechingen, Beschl. v. 21.05.2019 – 3 Qs 31/19, den der Kollege Kabaus aus Bad Saulgau erstritten hat.

Das LG äußert sich zur Höhe der Grundgebühr und zur Höhe einer Terminsgebühr, und zwar wie folgt:

„Die Geltendmachung einer Gebühr in Höhe der Mittelgebühr von 200,00 € als Grundgebühr nach Nr. 4100 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG erscheint im vorliegenden Fall nicht unangemessen. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Die Festsetzung der Gebühr ist jedoch nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist ein Gebührensatz in der Regel dann, wenn er den Rahmen des Angemessenen um mehr als 20 % übersteigt (Winkler in: Mayer/ Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, § 14 Rn. 56, OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, LG Saarbrücken, Beschluss vom 04. Dezember 2008, 4 II 50/60 I, Entscheidungen jeweils zitiert nach <juris>). Die Mittelgebühr soll im „Normalfall“ gelten, geht also jeweils vom durchschnittlichen Gewicht der vom Gesetzgeber aufgeführten Kriterien aus (Winkler, aaO, Rn. 39). Vorliegend mag der Aktenumfang zum Zeitpunkt der Akteneinsicht des Verteidigers mit ca. 30 Seiten eher gering gewesen sein. Jedoch ist vorliegend weiter zu berücksichtigen, dass die Angelegenheit für den (ehemaligen) Angeklagten durchaus bedeutend gewesen ist, nachdem er noch keine Eintragung im Bundeszentralregister aufwies, im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zu befürchten hatte, dass sein Führungszeugnis nach §§ 30 ff. BZRG nicht mehr eintragungsfrei sein würde und und ihm ein für sein berufliches Fortkommen als Physiotherapeut massiv schädigender Vorwurf eines sexuellen Übergriffes zur Last gelegt wurde. Darüber hinaus ist der Sachverhalt in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht jedenfalls durchschnittlich gelagert, zumal in Ermangelung weiterer Tatzeugen eine Aussage-gegen-Aussage Konstellation gegeben war, die eine besonders sorgfältige Auseinandersetzung mit den Angaben der Belastungszeugin erforderte (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2013, 2 Ws 263/13, zitiert nach <juris>). Die Geltendmachung der Mittelgebühr ist somit nicht zu beanstanden.

Was die Geltendmachung der Höchstgebühr von 480 € als Terminsgebühr nach Nr. 4108 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG anbelangt, erscheint diese im vorliegenden Fall – auch unter Berücksichtigung des zuzubilligenden Toleranzspielraums von bis zu 20 % – unbillig. Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände bewegt sich demzufolge die Geltendmachung der Höchstgebühr außerhalb des Toleranzbereiches des ausgeübten anwaltlichen Ermessens. Bei der Terminsgebühr für einen Hauptverhandlungstermin ist die Dauer der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung, da durch die Gebühr der zeitliche Aufwand vergütet werden soll, den der Rechtsanwalt durch die Teilnahme an diesem Termin hat (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG VV 4108 Rn. 18). Bei der Bemessung ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen und der Wahlanwalt kann sich an den Grenzen der Längenzuschläge nach Nrn. 4110, 4111 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG orientieren (OLG Köln, aaO, Rn. 11, KG, Beschluss vom 24. November 2011, 1 Ws 113-114/10, zitiert nach <juris>), sodass unter deren Berücksichtigung eine Hauptverhandlungsdauer von mehr als fünf bis acht Stunden eine erheblich über die Mittelgebühr hinausgehende Terminsgebühr rechtfertigt (so auch BeckOK RVG-Knaudt, Stand 1. März 2019, RVG VV 4108, Rn. 24.2) und wenn mehr als acht Stunden verhandelt wird, auf jeden Fall die Höchstgebühr gerechtfertigt sein wird (Gerold/Schmidt/Burhoff, aaO). Gemessen hieran bewegt sich unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände die Geltendmachung der Höchstgebühr im vorliegenden Fall außerhalb des Toleranzbereiches des ausgeübten anwaltlichen Ermessens. Die Hauptverhandlungsdauer hat vorliegend die Grenzen der Längenzuschläge nach Nrn. 4110, 4111 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG nicht einmal erreicht; vielmehr sind diese mit einer Verhandlungsdauer von knapp 4 Stunden noch erheblich unterschritten. Selbst im Falle deren Erreichens ist nach den einschlägigen Kommentierungen lediglich eine „erheblich über die Mittelgebühr hinausgehende Terminsgebühr“ gerechtfertigt, sodass es wertungswidersprüchlich erschiene, wenn im Falle deren Unterschreitens bereits die Höchstgebühr verlangt werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist die festgesetzte Höchstgebühr unbillig und erscheint die in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Gebühr von 360,00 €, mit welcher die Mittelgebühr um 30% überschritten wird, angemessen.“

Mal wieder ein schönes Beispiel dafür, dass die gesetzlichen Rahmen einfach zu niedrig sind.

Das Höchstmaß der Geldbuße, oder: Die Begründung des OLG Stuttgart lässt das Arbeiten mit altem Gesetzestext besorgen..

entnommen openclipart.org

Dieses ist das erste Arbeitsposting des Jahres 2019. Daher noch einmal allen Lesern ein frohes und erfolgreiches neues Jahr.

Und ich eröffne dann heute mit einem kleinen Schmankerl, nämlich dem OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.11.2018 – 4 Rb 25 Ss 1007/18, der mir vor einigen Tagen übersandt worden ist mit der Frage, ob in unserem OWi-HB bei den Rn. 1732 ff. die Rechtslage nicht richtig dargestellt werde? Bei solchen Fragen ist man als Herausgeber natürlich gleich „alarmiert“ und prüft und schaut sich die Sache an.

Worum geht es? Dem OLG Stuttgart-Beschluss liegt ein Verfahren beim AG Reutlingen zugrunde, in dem gegen den Betroffenen „wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen eine Vorschrift über die Vorfahrt in Tateinheit mit einem fahrlässigen Verstoß gegen eine Vorschrift über das allgemeine Verhalten im Straßenverkehr eine Geldbuße von 145 € verhängt“ worden ist. Das AG ist wohl davon ausgegangen, dass es sich dabei um die Regelbuße gehandelt hat.

Gegen das Urteil wird Rechtsbeschwerde eingelegt, die wegen der geringen Geldbuße der Zulassung bedarf (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 OWig). Das OLG lässt dann durch den Einzelrichter nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zu. Begründung: „Das Amtsgericht geht im angefochtenen Urteil bei der Bemessung der Geldbuße für die festgestellte Ordnungswidrigkeit von einem nach Tabelle 4 im Anhang zu § 3 Abs. 3 BKatV unzutreffenden Regelsatz aus. Die Begründung lässt besorgen, dass es sich dabei nicht nur um einen Rechtsfehler im Einzelfall handelt.“ Und: „Weil hier die Nachprüfung des Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, ist die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.“

Und dann ändert das OLG durch den Senat – also in Dreierbesetzung –  den Rechtsfolgenausspruch. Das begründet es u.a. mit folgenden Ausführungen:

„2. Der Rechtsfolgenausspruch kann auch nach dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Rechtsbeschwerdegerichts keinen Bestand haben.

Rechtsfehlerhaft ist bereits der angegebene Bußgeldrahmen von 5 € bis zu 1.000 €. Bei den hier in Rede stehenden fahrlässigen Ordnungswidrigkeiten beträgt gemäß § 17 Abs. 2 OWiG das Höchstmaß der Geldbuße 500 €, weil dem Betroffenen lediglich fahrlässiges Handeln zur Last fällt und § 24 Abs. 2 StVG für das Höchstmaß der Geldbuße von 1.000 € nicht zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln unterscheidet.“

Wer findet den Fehler? Nun m.E. nicht ganz so schwer. Denn diese Begründung lässt besorgen 🙂 , dass das OLG entweder keinen gültigen Gesetzestext zur Verfügung hatte (davon kann man aber wohl im „reichen“ Baden-Württemberg“ nicht ausgehen) oder eben einen alten Gesetzestext herangezogen hat. Denn die o.a. Passage ist nicht zutreffend. In § 24 Abs. 2 StVG heißt es nämlich schon seit 2009: „Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden.“ Und kombiniert man das mit § 17 Abs. 2 OWiG, in dem es heißt: „Droht das Gesetz für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Geldbuße an, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden, so kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden.“, dann kommt man aus den Ausgangspunkt des Amtsrichters für die Bemessung der Geldbuße, nämlich „Bußgeldrahmen von 5 € bis zu 1.000 €„.

Und nun? Nichts weiter. Der Amtsrichter wird diebische Freude haben über den Fehler des OLG, das ihn wahrscheinlich in anderen Fällen auch gerne immer mal wieder belehrt, und dem OLG die „virtuelle Zunge herausstrecken“. Der Fehler ist ja nicht schlimm. Oder doch? Nun, schlimm nicht, aber man fragt sich schon, warum eigentlich sechs Augen – ich erinnere Dreierbesetzung – die insgesamt mit R 7 (R 3 und 2 x R 2) bezahlt werden, das überlesen. Und: Man hat sogar die Rechtsbeschwerde zugelassen. Na ja, kann man passieren, darf/sollte aber nicht…

Wen es interessiert, wie es in der Sache weiter gegangen ist: Das OLG hat eine Geldbuße von nur 50 € festgesetzt:

„Das Amtsgericht geht bei seiner Rechtsfolgenentscheidung von einem unzutreffenden Regelsatz von 145 € aus, obwohl dieser gemäß Lfd. Nr. 34 BKat in Verbindung mit § 3 Abs. 3 BKatV in Ver-bindung mit Tabelle 4 lediglich 120 € beträgt. Gemäß § 3 Abs. 3 BKatV erhöhen sich die Regelsätze des Bußgeldkatalogs bei Vorliegen einer Gefährdung oder Sachbeschädigung nach Tabelle 4, soweit diese Merkmale oder eines dieser Merkmale nicht bereits im Tatbestand des Bußgeldkatalogs enthalten sind. Lfd. Nr. 34 BKat umschreibt den hier einschlägigen Tatbestand wie folgt: „Vorfahrt nicht beachtet und dadurch eine vorfahrtsberechtigte Person gefährdet“. Der Bußgeldkatalog enthält demnach eine Gefährdung, nicht aber eine Sachbeschädigung. Für diesen Fall sieht die Tabelle 4 (in ihrem zweiten Teil) eine Erhöhung des Regelsatzes von 100 € auf 120 € vor. Da das Amtsgericht ausdrücklich die „Regelbuße“ festsetzen wollte, beruht die Rechtsfolgenentscheidung auf diesem Rechtsfehler.

3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden und verhängt eine Geldbuße von 50 €. Den vorfahrtsberechtigten Verletzten trifft am Unfallgeschehen und der eingetretenen Gefährdung ein nicht unerhebliches Mitverschulden, da er nach den getroffenen Feststellungen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 24 km/h überschritten hat. Für die Rechtsfolgenentscheidung ist zu Gunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass sich dieses verkehrswidrige Verhalten des Verletzten auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hat; der Senat schließt aus, dass bei einer erneuten tatrichterlichen Verhandlung — jedenfalls unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes — für den Betroffenen nachteilige Feststellungen getroffen werden können. Die durch das Mitverschulden des Verletzten begründete Abweichung von den gewöhnlichen Tatumständen, von denen der Regelsatz ausgeht (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV), rechtfertigt die Verhängung einer geringeren Geldbuße. Nach Auffassung des Senats ist unter Berücksichtigung der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Vorwurfs, der den Betroffenen trifft, eine Geldbuße von 50 € angemessen.“

Insofern: Fehlerfrei :-).

Für mich Entwarnung beim OWi-Handbuch. Und das führt dann gleich <<Werbemodus an>> zum ersten Werbehinweis 2019: Man kann das OWi-Handbuch, das in 5. Auflage vorliegt, hier bestellen <<Werbemodus>> aus.

Nur sehr knapp bemessene Verfahrensgebühren, oder: Wirklich gar nichts getan?

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Am Gebührenfreitag starte ich mit dem LG Hagen, Beschl. v. 05.04.2018 – 43 Qs 14/18 -, der sich mal wieder zur Bemessung der Rahmengebühren (§ 14 RVG) verhält. Das Verfahren gegen den Beschuldigten ist eingestellt worden. Die Verteidigerin macht die Gebühren aus abgetretenem Recht geltend. Sie setzt jeweils die Mittelgebühren an. Aber die sieht das LG nur für die Grundgebühr als angemessen an. Bei allen anderen Gebühren macht man erhebliche Abschläge. Die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren wird sogar nur in Höhe der Mindestgebühr gewährt:

Vor diesem Hintergrund durfte das Amtsgericht Schwelm hier im angefochtenen Beschluss hinsichtlich der oben zu 2. und 3. genannten Rahmengebühren die Kosten jeweils abweichend festsetzen. Die von der Beschwerdeführerin insoweit getroffene Gebührenbestimmung war nicht verbindlich, weil sie i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG als unbillig anzusehen war.

„1. Für die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren liegt die angemessene Gebührenhöhe vorliegend bei 40,00 €. Damit stellt die von der Beschwerdeführerin angesetzte Gebühr in Höhe von 200,00 € eine deutliche Überschreitung um mehr als 20 % der als angemessen anzusehenden Gebühr dar.

Die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren (Nr. 4104 VV RVG) sieht einen Gebührenrahmen von 40,00 € bis 290,00 € vor. Die Gebühr deckt die gesamte anwaltliche Tätigkeit im Ermittlungsverfahren ab, soweit sie nicht durch die Grundgebühr (Nr. 41 OO VV RVG) und etwaige Terminsgebühren (Nr. 4102, 4103 VV RVG) abgegolten wird (N. Schneider in Schneider/Wolf, RVG, 6. Aufl. 2012, vor VV 4104 f., Rn. 6). Somit werden von dieser Gebühr v.a. Besprechungen mit dem Mandanten und die Informationsaufnahme, Beratungen des Mandanten, Einsichtnahme in die Ermittlungsakten, Anfertigen von Schriftsätzen, Tätigkeit im Verfahren nach § 111a StPO sowie Verhandlungen mit Staatsanwaltschaft oder Gericht erfasst (vgl. N.Schneider a.a.O., VV 4101-4105, Rn. 18).

Vorliegend ist der in diesem Verfahrensabschnitt von der Beschwerdeführerin entfaltete Aufwand als weit unterdurchschnittlich anzusehen, sodass sich der Ansatz der geringsten Gebühr von 40,00 € rechtfertigt. Bereits im Rahmen der Grundgebühr wurde die Mandatsübernahme einschließlich der Entgegennahme der Erstinformationen durch den Mandanten sowie die Einsichtnahme in die äußerst übersichtliche und einen einfach gelagerten Sachverhalt betreffende Ermittlungsakte berücksichtigt und kann hier kein weiteres Mal zum Tragen kommen. Weitere Tätigkeiten, die über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG) hinausgehen, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Aufwand stellt sich damit insbesondere vor dem Hintergrund des äußerst einfach gelagerten Sachverhalts und der übersichtlichen Ermittlungsakte als weit unterdurchschnittlich dar.

2. Für die Verfahrensgebühr im ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht liegt die angemessene Gebührenhöhe bei 100,00 €. Die von der Beschwerdeführerin mit 165,00 € angesetzte Gebühr übersteigt die als angemessen anzusehende Gebühr mithin ebenfalls um mehr als 20 %.

Die Verfahrensgebühr im ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht (Nr. 4106 VV RVG) sieht einen Gebührenrahmen von 40,00 € bis 290,00 € vor. Sie deckt die gesamte Tätigkeit des Verteidigers nach dem Abschluss des vorbereitenden Verfahrens ab. Maßgeblich für die Bemessung der Höhe dieser Gebühr sind alle vom Verteidiger in diesem Verfahrensabschnitt erbrachten Tätigkeiten (Burhoff a.a.O., VV 4108-41 1 1, Rn. 14).

Hier beschränkte sich die Tätigkeit der Beschwerdeführerin auf die Fertigung eines gut eine Seite umfassenden Schriftsatzes, der zum größten Teil in einer reinen Rekapitulation des Inhalts der Ermittlungsakte bestand. Insbesondere auch vor dem Hintergrund des äußerst übersichtlich und einfach gelagerten Prozessstoffs ist auch hier das Ausmaß der dadurch veranlassten anwaltlichen Mühewaltung als unterdurchschnittlich zu bewerten und daher mit 100,00 € angemessen abgegolten.“

Unschön der Beschluss. Kein Wort zum Ausgangspunkt der Bemessung, nämlich der Mittelgebühr, und warum das Verfahren nicht zumindest durchschnittlich war. So klingt es für mich jedenfalls. Und für das vorbereitende Verfahren nur die Mindestgebühr? D.h.: Noch weniger geht gar nicht bzw. die Verteidigerin hat gar nichts getan. Allerdings: Dazu hätte man dann vielleicht vortragen sollen. Dann hätte das LG nicht schreiben können: „… sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich„.

 

Terminsgebühr des Wahlanwalts, oder: Die Pflichtverteidigergebühren geben „Hilfestellung“

Es ist „Money-Friday“, d.h., dass es heute gebührenrechtliche Entscheidungen gibt. Und zunächst gibt es den OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2018 – 1 Ws 51/18, der für die Praxis nicht unwichtige Ausführungen zur Bemessung der Terminsgebühr des Wahlanwalts enthält. Zwar ist das, was das OLG Bamberg ausführt, nicht neu, aber es ist schön, es wieder mal zu lesen.

Der Verteidiger hatte für jeden Verhandlungstag grundsätzlich die Mittelgebühr – entweder mit oder ohne Haftzuschlag – angesetzt und die dann unter Berücksichtigung der Schwere des Tatvorwurfes – versuchter Totschlag -, der Bedeutung der Sache für die freigesprochene Mandantin usw. angemessen erhöht. Wegen der Abwägung im Einzelnen verweise ich auf den Beschluss des OLG. Das hatte der Rechtspflegerin nicht gepasst. Die hatte jeweils niedriger festgesetzt. Und das passt dem OLG nicht:

„Eine Abweichung von der Bestimmung des Verteidigers kommt im Festsetzungsverfahren demnach nur in Betracht, wenn sich diese als unbillig hoch erweist. Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung können Abweichungen bis zu 20 % im Verhältnis zu den angemessenen Gebühren noch als verbindlich angesehen werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, 1 Ws 305/14).

Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr unbillig ist und weil mit der Aufzählung der Umstände, die einerseits für die Erhöhung, andererseits für eine Ermäßigung der Gebühr sprechen, der Praxis nicht viel geholfen ist, weil ihr ein Ansatzpunkt fehlt, hat die Praxis sich diesen Ansatzpunkt mit der sogenannten Mittelgebühr geschaffen. Die Mittelgebühr soll gelten und damit zu konkreten billigen Gebühr in den „Normalfällen“ werden, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen. Auszugehen ist bei der Bestimmung der Gebührenhöhe demnach zunächst von der Mittelgebühr (vgl. Hartmann, Kostengesetzte, 46. Auflage 2016, § 14 RVG, Rn. 14; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, Rn. 39). Diese liegt hier für den ersten Hauptverhandlungstag (ohne Haftzuschlag) bei 530,00 € und‘ ab dem zweiten Hauptverhandlungstag bei 646,25 €.

Bei der Bestimmung der Höhe der Gebühren sind, wie bereits erwähnt, im Einzelnen insbesondere die in § 14 Abs. 1 §. 1 RVG genannten Umstände zu berücksichtigen, dazu zählen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Aufraggeber sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Im Hinblick auf die geltend gemachten Terminsgebühren spielt jedoch auch die Dauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins eine bestimmende Rolle (KG JurBüro 2012, 482; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Auflage 2015, 41084111 W, Rn. 18; Hartmann a.a.O., Nr. 4108, 4109 VV RVG, Rn, 16), Bei der Bemessung der Gebühr kann der Verteidiger sich an den Grenzen der Längenzuschläge VV RVG Nm. 4110, 4111 orientieren (KG a.a.O., Gerold/Schmidt/Burhoff a.a.O.). Eine Verhandlungsdauer von bis zu fünf Stunden ist dabei als durchschnittlich zu bewerten (KG a.a.O., vgl. insgesamt OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, Rn. 9, OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, 1 Ws 305/14 m. w. N.).

Vor diesem Hintergrund kann die durch die Rechtspflegerin vorgenommene Kostenfestsetzung keinen Bestand haben.

Dem Verteidiger ist zunächst zuzugeben, dass es sich bei dem Verfahren und seiner sich hieraus ergebenden Tätigkeit in Anbetracht der Beweissituation dem Grunde nach um eine jedenfalls nicht als völlig bedeutungslos einzustufende Sache handelte, welche für die Freigesprochenen, der immerhin die Beihilfe zu einem versuchten. Tötungsdelikt sowie zu einer gefährlichen Körperverletzung zur Last gelegt wurden, von erheblicher Bedeutung war.

Allerdings ist dies bei Verfahren vor den großen Strafkammern, insbesondere der Schwurgerichtskammer, regelmäßig der Fall. Es entspricht überwiegend dem juristischen Alltag, dass sich Verfahren wegen Tötungs- oder schweren Sexualdelikten oder auch Wirtschaftsstrafverfahren als kompliziert und komplex darstellen und die Betroffenen im Falle einer Verurteilung mit ganz empfindlichen Strafen zu rechnen haben, die häufig als nahezu existenzvemichtend einzustufen sind.

Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls die Termine vom 24.02.2016, 29.02.2016 sowie 14.03.2016 eine Verhandlungsdauer von jeweils leicht über oder um die 5 Stunden aufweisen und jeweils 2 Sachverständige sowie mehrere Zeugen (3 bis 11) geladen waren. Bei dem Hauptverhandlungstermin vom 24.02.2016 handelte es sich zudem um den ersten Termin, für welchen anerkanntermaßen ein erhöhter Vorbereitungsbedarf angenommen wird, welcher die Geltendmachung einer erhöhten Gebühr rechtfertigt. Hinsichtlich des Termins vom 18.03.2016 mag sich die Verhandlungsdauer auf lediglich 3 Stunden belaufen haben, allerdings wurden an diesem Tag die Plädoyers gehalten, in deren Rahmen die Staatsanwaltschaft jedenfalls noch die Verurteilung der Freigesprochenen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung sowie die Unterbringung gemäß § 64 StGB beantragt hatte.

In der Gesamtschau hält der Senat daher die jeweils durch den Verteidiger vorgenommenen Erhöhungen der Grundgebühren) für die Termine vom 24.02.2016, 29.02.2016 sowie 14.03.2016 auf 850,00 € bzw. 900,00 € nicht für unbillig. Auch die Inansatzbringung der Mittelgebühr für den Tag der Plädoyers ist aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden. Ein Abschlag ist daher nicht vorzunehmen.“

Zu dem Ganzen natürlich auch „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017″, bei den Rahmengebühren. Zu dem Werk gibt es gerade heute – passend 🙂 – eine sehr schöne Rezension bei den Rezensenten, auf die mich der Kollege Krenberger dankenwerter Weise hingewiesen hat; darum auch das Bild zu dem Beitrag. Ich weise dann auf diese Rezension hin. Sie findet man hier. Und wer nach dem Lesen – dann endlich überzeugt ist 🙂 – und bestellen will, der kann das hier.  So, das war Werbung 🙂 . Aber lohnt sich für die Angesprochenen 🙂 .