Schlagwort-Archive: Beleidigung

Bezeichnung eines Richters als „Lügner“ und „Krimineller“ – strafbar?

© stockWERK - Fotolia.com

© stockWERK – Fotolia.com

In einem Sozialrechtsstreit schreibt der Kläger an den Präsidenten des Landessozialgericht – bezogen auf einen Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht – u.a.

„11) Da sie sich erlauben mitzuteilen, dass weitere Eingaben zur Wahrung meiner Rechte von einem Dr. R. nicht mehr beschieden werden, um Kriminelle und Lügner wie der Dr. P. widerrechtlich zu schützen, muß ich hiermit meinen persönlichen Besuch zur Klärung bekannt geben.“

Daraus wird ein Strafverfahren wegen Beleidigung, in dem der Kläger – nunmehr der Angeklagte – vom Vorwurf der Beleidigung (§ 185 StGB) frei gesprochen wird. Die StA geht in die Revision, die vom OLG Celle im OLG Celle, Urt. v. 27.03.2015 – 31 Ss 9/15 – verworfen wird. Es bleibt also beim Freispruch. Der Leitsatz der Entscheidung, die die herrschende Rechtsprechung zu der Problematik m.E. sehr schön zusammenfasst:

„Die Bezeichnung eines Richters als „Lügner“ und „Krimineller“ im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde stellt keine strafbare Beleidigung dar, wenn die Äußerung sich als Schlussfolgerung sachlich vorgetragener Umstände darstellt, aus Sicht des Handelnden im „Kampf ums Recht“ seinem Anliegen in der Sache dient und der Ehrenschutz des betroffenen Richters bei einer vorzunehmenden Gesamtabwägung hinter der Meinungsfreiheit des Äußerers zurücktreten muss.“

Allerdings mit dem abschließenden Hinwies es OLG:

„Der Senat erlaubt sich abschließend und vorsorglich aber den klarstellenden Hinweis, dass die auf diesen Erwägungen beruhende Bestätigung des Freispruchs allein auf der konkreten Situation im vorliegenden Verfahren und den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen im Einzelfall beruht und dies nicht bedeutet, dass ein bzw. der hier betroffene Richter sonst straflos als Lügner oder Krimineller bezeichnet werden darf.“

Also Vorsicht.

„Sie Schmalspurjuristin“ ? – Lieber nicht, kann teuer werden….

© pedrolieb -Fotolia.com

© pedrolieb -Fotolia.com

Bei LTO gefunden habe ich die Meldung über ein Urteil des AG Limburg: „AG Limburg verurteilt Rechtsanwalt wegen Beleidigung : „Schmalspurjuristin“ kostet 3.000 Euro“. Da heißt es in der Meldung:

„Teurer Standesdünkel: Wegen Beleidigung einer hessischen Amtsanwältin ist ein 63 Jahre alter Rechtsanwalt aus Lahnstein (Rheinland-Pfalz) zu 3.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Das AG Limburg verhängte am Mittwoch 30 Tagessätze zu je 100 Euro gegen den Juristen.

In einem Schriftsatz hatte er die Amtsanwältin, eine Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft, als „Schmalspurjuristin“ bezeichnet, die nicht fähig sei, auf der Klaviatur des Rechts auch nur „Hänschen klein“ zu klimpern. Anlass war eine Anzeige des Anwalts gegen einen Lkw-Fahrer wegen Unfallflucht; die Amtsanwältin hatte das Verfahren eingestellt.

Der Leiter der Staatsanwaltschaft Limburg sah durch das Schreiben seine Mitarbeiterin diffamiert und zeigte den Rechtsanwalt an. Vor Gericht sagte der Angeklagte, er sei sich keiner Schuld bewusst. Er selbst sei auch schon als Feld-, Wald- und Wiesenanwalt tituliert worden. Den Vorschlag des Richters, sich bei der Amtsanwältin zu entschuldigen und eine Geldbuße zu zahlen, um eine Verurteilung zu vermeiden, lehnte der 63-jährige Anwalt ab.

Bei Amtsanwälten handelt es sich um Justizbeamte, deren Aufgaben denen von Staatsanwälten ähneln. Die Details variieren von Bundesland zu Bundesland; in der Regel sind sie aber nur für die Anklage in Verfahren mit geringer maximaler Strafandrohung zuständig. Die Befähigung zum Richteramt ist für eine Tätigkeit als Amtsanwalt nicht erforderlich, weshalb manche Volljuristen einen gewissen Standesdünkel gegenüber Amtsanwälten zur Schau stellen.“

Na ja, ob das mit dem „Standesdünkel“ so stimmt, kann ich nicht beurteilen. Ich hatte und habe jedenfalls nie/keine Probleme mit AmtsanwältInnen :-).

„You’re complete crazy“ – sagt man das zu einem (bayerischen) Polizeibeamten?

entnommen: openclipart.org

entnommen: openclipart.org

Da haben wir mal wieder eine – taufrische – Entscheidung zur Beleidigung/Schmähkritik, und zwar den OLG München, Beschl. v. 06.11.2014 – 5 OLG 13 Ss 535/14. Das OLG hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen:

„Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Angeklagte in einer Bar mindestens 6 Whiskys getrunken, was zu einem Atemalkoholwert von 2,3 Promille führte. Er geriet mit dem Wirt der Bar über die Höhe der Rechnung in Streit. Ein anderer Gast hatte zahlreiche Getränke auf die Rechnung des Angeklagten setzen lassen, was den Angaben des Angeklagten nach nicht mit ihm vereinbart war. Der herbeigerufenen Polizei nannte der Angeklagte eine Adresse in Berlin und händigte seinen Reisepass aus, aus dem sich jedoch lediglich Berlin als Wohnsitz ergab. Die Überprüfung der Personalien nahm einige Zeit in Anspruch. Da sich der Angeklagte erst kurz zuvor umgemeldet hatte, konnte zuerst nicht die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten festgestellt werden. Während der gesamten Personalienfeststellung war der Angeklagte uneinsichtig und verhältnismäßig laut. Zur Geschädigten Polizeibeamtin pp. sagte der Angeklagte: „You’re complete crazy“, um so seine Missachtung auszudrücken.“

Das AG hatte den Angeklagten verurteilt. Das OLG hat aufgehoben und frei gesprochen:

„Eine ehrverletzende Äußerung ist dann nicht mehr hinzunehmen, wenn mit ihr die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. Selbst eine überzogene und ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähkritik. Eine herabsetzende Äußerung nimmt erst dann den Charakter einer Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BayObLG NJW 2005, 1291, 1292).

Die Äußerung des Angeklagten ist anlässlich seiner Personalienfeststellung gegenüber der die Abfrage durchführenden Beamtin gefallen und vor dem Hintergrund zu sehen, dass der – zudem stark alkoholisierte Angeklagte vorher von ihrem Kollegen zu Unrecht der Angabe falscher Personalien bezichtigt worden war und sich die Abfrage eine Weile hinzog. Angesichts der Anlassbezogenheit dieser Äußerung, der in der Einlassung des Angeklagten geschilderten Verärgerung über den Vorwurf, gelogen zu haben und der Dauer der Kontrolle kann trotz des Umstands, dass der Vorwurf nicht durch die Geschädigte selbst, sondern durch ihren Kollegen erhoben wurde, nicht davon ausgegangen werden, dass die Diffamierung der Polizeibeamtin, sondern das ihm von der Polizei als Institution entgegengebrachte Misstrauen und die damit verbundene langdauernde Kontrolle durch die beiden Beamten im Vordergrund stand. Trotz der scharfen Kritik ist deshalb die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten. Ein durch das Grundrecht auf Meinungsäußerung nicht gedeckter Angriff auf die Menschenwürde liegt ebenso wenig vor, wie eine Formalbeleidigung.“

Freispruch ja, aber leicht ist er dem OLG offenbar nicht gefallen. Denn am Ende gibt es dann noch etwas „fürs Leben“:

„Der Senat bemerkt ausdrücklich, dass die Entscheidung nicht als Billigung der Äußerung und der Vorgehensweise des Angeklagten missverstanden werden darf. Die Auseinandersetzung mit tatsächlich oder vermeintlich falschen Entscheidungen oder Vorgehensweisen von Behörden hat grundsätzlich allein mit den Mitteln zu erfolgen, die die jeweiligen Verfahrensordnungen zur Verfügung stellen, ohne, dass Anlass und Raum für verletzende und kränkende, die gebotene sachliche Atmosphäre lediglich vergiftenden Angriffe auf die handelnden Personen veranlasst wären. Strafbar ist das Verhalten des Angeklagten nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Grundsätze aber nicht.“

Tja, auch wenn es schwer fällt…..

Wie werde ich einen „missliebigen Richter los“?

HammerKlein, aber fein, der AG Nürnberg, Beschl. v. 23.09.2014 – BwR 403 Ds 304 Js 6812/10, der eine Problematik behandelt, zu der die „Big Two“ – BVerfG und BGH – in der Vergangenheit auch schon etwas gesagt haben. Nämlich zu der Frage, ob die Besorgnis der Befangenheit eines Richters gerechtfertigt ist, wenn der vom Angeklagten beleidigt worden ist und deswegen Strafantrag gestellt hat. So war der Ablauf wohl in einem Strafvollstreckungsverfahren beim AG Nürnberg-Fürth. Und das AG sagt – in Übereinstimmung mit den „Big Two“: ist

„Gleiches gilt für die Tatsache, dass Richter am Amtsgericht- vom Antragsteller beleidigt wurde, der insoweit auch Strafantrag gestellt hat. Insoweit wurde der Antragsteller mittlerweile auch wegen Beleidigung verurteilt. Die Beleidigung eines Richters durch den Angeklagten kann aber generell nicht dessen Befangenheit begründen, da es ansonsten im Belieben eines Angeklagten stünde, durch eine Beleidigung den missliebigen Richter loszuwerden.“

„Schön“ die Formulierung „loszuwerden“. Aber zutreffend: Mit einer Beleidigung und anschließendem Strafantrag des Richters wird man den nicht los 🙂 .

„…bei uns im Moment die DUSCHLampe kaputt ist..“ – Beleidigung? Welche Strafe?

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

© Haramis Kalfar – Fotolia.com

Der Angeklagte schickt, nachdem er aufgrund eines Haftbefehls zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe festgenommen und inhaftiert worden war, an die zuständige Vollstreckungsrechtspflegerin der StA ein Schreiben, in welchem er sich über seine Festnahme und Inhaftierung mokierte. Das Schreiben schließt mit den Worten: „Im Übrigen wollte ich noch mitteilen, dass bei uns im Moment die DUSCHLampe kaputt ist, aber ich gehe von einer baldigen Reparatur aus…“.

Das wird von den Ermittlungsbehörden und auch AG/LG dahin gewertet, dass der Angeklagte die Rechtspflegerin als „Du Schlampe“ titulieren wollte. Er wird zu einer Geldstrafe verurteilt, allerdings – wie das OLG Bamberg im OLG Bamberg, Urt. v. 24.o9.2014 – 3 Ss 94/14 – ausführt: Zu milde:

„a) Zum einen zieht die Berufungskammer bei der Strafzumessung zugunsten des Angekl. Umstände heran, denen keine für die Schuld des Angekl. maßgebliche Bedeutung zukommt.

aa) So ist es bereits rechtsfehlerhaft, soweit das LG zugunsten des Angekl. berücksichtigt, dass er sich bei der Verletzten mit Schreiben vom 23.08.2012 entschuldigt habe. Zwar kann eine Entschuldigung beim Tatopfer durchaus für die Strafzumessung von Bedeutung sein. Im vorliegenden Fall war es nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil jedoch so, dass der Angekl. mit weiterem Schreiben vom 06.10.2012 gegenüber der Verletzten geäußert hat, dass „sich sein Entschuldigungsschreiben lediglich auf das ‚Sehr geehrte‘ bezogen“ habe. Damit hat der Angekl. seine ursprüngliche Entschuldigung nicht nur vollends zurückgenommen, was das LG zu Unrecht als bloße „Relativierung“ einstuft, sondern obendrein einen erneuten Angriff auf den Achtungsanspruch der Verletzten unternommen. Eine strafmildernde Bedeutung kann damit der ursprünglichen, vom Angekl. selbst wieder zurückgenommenen ‚Entschuldigung‘ nicht mehr beigemessen werden.

bb) Ferner hat das LG eine „nachvollziehbare Verärgerung“ des Angekl. angenommen und zu seinen Gunsten bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass er sich „ungerecht behandelt gefühlt“ habe. Auch diesem Gesichtspunkt hätte schon deshalb keine relevante Bedeutung beigemessen werden dürfen, weil ein Zusammenhang mit der Person der Verletzten nicht bestand, zumal nach den Urteilsgründen gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese einen „nachvollziehbaren Anlass“ für die Verärgerung des Angeklagten gegeben hatte.

cc) Ebenfalls nicht plausibel sind die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil, soweit dort der Umstand, dass der Angekl. im vorliegenden Verfahren „mehr als 100 Tage“ im Hinblick auf die Verschubung „nach den Bedingungen eines Untersuchungshäftlings und nicht nach denen eines Strafgefangenen untergebracht war“, zu seinen Gunsten berücksichtigt wurde. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern dies eine besondere, den Angekl. belastende Tatsache darstellen sollte, die im Rahmen der Strafzumessung für ihn sprechen könnte.“

Das OLG sieht die verhängte Geldstrafe aber auch deswegen als rechtsfehlerhaft, weil es sich dabei um eine unvertretbar milde Strafe handelt, die ihre Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nicht erfüllt. Dazu verhält sich dann der Leitsatz der Entscheidung:

„Eine Geldstrafe in Höhe von nur 30 Tagessätzen löst sich auch bei einer Verurteilung wegen Beleidigung dann nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, wenn der Angeklagte bereits vielfach und gewichtig vorbestraft ist und die Tat während einer Inhaftierung begangen hat. In einem solchen Fall liegt wegen besonderer in der Persönlichkeit des Täters liegender Umstände vielmehr die Notwendigkeit der Verhängung einer (kurzen) Freiheitsstrafe i.S.d. § 47 Abs. StGB nahe.“