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Nochmals Erstattung der Aktenversendungspauschale, oder: „Kopfschüttelentscheidung“ und Zeitdiebstahl

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Im zweiten Posting dann noch einmal etwas zur Erstattung der Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG. Es handelt sich um den AG Tiergarten, Beschl. v. 21.02.2023 – 336 Cs 209/18. Das ist eine dieser – von mir so bezeichneten – „Kopfschüttelentscheidungen“, bei denen ich mich immer frage: Wozu braucht man für die Frage eigentlich eine Gerichtsentscheidung?

„Gestritten“ worden ist um Erstattung der Aktenversendungspauschale. Der Angeklagte ist frei gesprochen worden mit der Folge der Kosten- und Auslagenerstattung durch die Staatskasse. Der Verteidiger macht seine Gebühren geltend, die auch – wohl antragsgemäß – festgesetzt werden, nur eben die 12 EUR für die Aktenversendungspauschale nicht. Begründung offenbar: Hättest die Akten ja auch abholen können, daher sind die Kosten nicht notwendig. Dagegen dann die Erinnerung, die – natürlich – Erfolg hat:

„Entgegen der dem verfahrensgegenständlichen Beschluss zugrunde gelegten Auffassung stellen sich die im Zuge der Akteneinsichtnahme dem Rechtsanwalt entstandenen Versendungskosten grundsätzlich ohne Weiteres als notwendige Auslagen der Prozessführung dar und sind damit bei gegebenem Erstattungsanspruch auszugleichen. Notwendig im Sinne des § 464a Abs. 2 StPO sind Auslagen bereits dann, wenn Sie von dem Rechtsanwalt redlicherweise als Ausdruck einer verfahrenszweckgerichteten kosteneffizienten Prozessführung verstanden werden durfte, wobei dieser den ihm – etwa durch eine alternativ mögliche Abholung der Akte bei Gericht entstehenden Zeit- und Arbeitsaufwand – in die vergleichende Betrachtung miteinbeziehen darf; bei seiner Geschäftsführung im Grundsatz gar muss. Die Notwendigkeit der Kostenentstehung liegt damit bei Anfall einer Aktenversendungspauschale in Höhe von lediglich 12,00 Euro auf der Hand.“

Kostenbeamte/Rechtspfleger müssen viel Zeit haben, wenn sie solche „ausgekauten“ = mehrfach entschiedenen Fragen, immer wieder „zum Spruch stellen“. Die Zeit, die dadurch bei den Gerichten vergeudet wird, könnte man sicherlich nutzbringender einsetzen; es handelt sich also um „Zeitdiebstahl“.

Im Übrigen der VerfGH Berlin lässt das AG Tiergarten mit (mindestens) einer Entscheidung grüßen: VerfGH Berlin, Beschl. v. 18.05.2022 – VerfGH 91/21.

Ist die Aktenversendungpauschale angefallen? oder: Vollständige Originalakte und Rücksendepflicht

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Zum Schluss der Woche gibt es heute drei gebührenrechtliche AG-Entscheidungen mit kurzen, knappen Begründungen zu Fragen, die immer wieder eine Rolle spielen. Zunächst hier zwei Entscheidungen zur Aktenversendungspauschale.

Da weise ich dann zunächst (noch einmal) hin auf den AG Vechta, Beschl. v. 21.10.2022 – 93 OWi 234/22. In dem zugrunde liegenden Bußgeldverfahren hatte der Betroffene die Übersendung des Beschilderungsplans beantragt, der war ihm aber nicht zur Verfügung gestellt worden, was das AG als rechtsfehlerhaft angesehen hat. Der Landkreis hatte aber dennoch die Aktenversendungspauschale geltend gemacht. Diesen Kostenansatz hat das AG aufgehoben:

„b) Der vom Landkreis Vechta erlassene Kostenansatz der Pauschale von 12 Euro für die Versendung der Akte ohne des Beschilderungsplanes war aufzuheben, da dieser rechtswidrig ist Die Aktenversendungspauschale gern. § 107 Abs. 5 OWiG fällt nur bei Übersendung der vollständigen Originalakte an (Gassner/Seith/Sandherr, 2. Auflage 2020, § 107 OWiG Rn. 29). Da der Beschilderungsplan zum notwendigen Bestandteil der Akte gehört, hätte dieser mitübersendet werden müssen, was nicht der Fall war.“

Und als zweite Entscheidung hier dann der AG Langenburg, Beschl. v. 08.11.2022 – 1 Cs 36 Js 543/22 – mit folgender Aussage:

„Die Aktenversendungspauschale nach KV 9003 GKG kann nur erhoben werden, wenn eine Rücksendepflicht besteht. Bei Übersendung von Fotokopien eines Teils oder aber der gesamten Akte zum Verbleib fällt neben den Schreibauslagen daher keine Aktenversendungspauschale an.“

Erfasst die VG auch Dienstaufsichtsbeschwerden?, oder/und: Glaubhaftmachung der AVP-Zahlung

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Heute am Gebührenfreitag – ich will dan mal hier alles normal weiterlaufen lassen, es wird also keinen LiveBlog „Corona“ geben – stelle ich zunächst den LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 26.02.2020 – 2 Qs 18/20 – vor. Er behandelt zwei Themen, und zwar einmal den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr und dann die Frage der Glaubhaftmachung von Auslagen.

Beim Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr geht es konkret darum, ob die Tätigkeit in Zusammenhang mit Dienstaufsichtsbeschwerden von der Verfahrensgebühr erfasst wird. Das LG sagt: Grundsätzlich ja, hier aber nicht:

„Die Begründung der Ausgangsentscheidung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet. Die Kammer teilt die auf die zutreffenden Stellungnahmen der Bezirksrevisorin vom 18.11.2019 und 10.12.2019 gestützte Auffassung des Erstgerichts und tritt den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei.

Das Amtsgericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend als unterdurchschnittlich und die Bestimmung der Grundgebühr und der Verfahrensgebühren durch den Antragsteller auch unter Berücksichtigung eines Toleranzspielraums von 20 % als unbillig anzusehen sind.

Ergänzend bemerkt die Kammer: Die von Rechtsanwalt pp. gefertigte Dienstaufsichtsbeschwerde vom 26.06.2019 rechtfertigt die angesetzte Verfahrensgebühr Nr. 5109 RVG in Höhe von 190 € nicht. Zwar gehören zum Umfang der anwaltlichen Tätigkeit insbesondere auch Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden und mit dem Rechtszug bzw. Verfahren zusammenhängen (Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 14 Rn. 18-21; vgl. auch § 19 RVG). Ein derartiger Zusammenhang besteht, wenn die Tätigkeiten im Verfahren selbst vorgenommen werden, wie dies etwa bei einem Ablehnungsantrag oder auch einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen eine im Verfahren selbst tätige Person der Fall ist. Vorliegend war Gegenstand des Bußgeldverfahrens der Vorwurf gegen die Erziehungsberechtigte, an im einzelnen genannten Tagen nicht für einen ordnungsgemäßen Schulbesuch ihrer Tochter Sorge getragen zu haben. Die Dienstaufsichtsbeschwerde hingegen richtete sich gegen die im vorliegenden Verfahren nicht beteiligte Klassenlehrerin mit dem Vorwurf, diese habe die Tochter der Betroffenen vor der Klassengemeinschaft in unangemessener Weise auf vorgeblich infolge des vorliegenden Verfahrens zu leistende Sozialstunden hingewiesen. Zwar mag die Dienstaufsichtsbeschwerde wie von Rechtsanwalt pp. vorgetragen aus prozesstaktischen Gründen erhoben worden sein, dies begründet jedoch noch nicht die erforderliche Zugehörigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu vorliegendem Verfahren.“

Und zum Nachweis der Zahlung von 12 EUR für die Aktenversendungspasuchale führt man aus:

„…..Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gem. § 464b S. 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO die entstandenen Beträge glaubhaft zu machen und gem. § 103 Abs. 2 S. 2 ZPO entsprechende Belege beizufügen sind. Dass die anwaltliche Versicherung mit der geforderten Glaubhaftmachung nicht gleichzusetzen ist, ergibt sich aus § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO, wonach die anwaltliche Versicherung lediglich bei der Geltendmachung von Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne der Nr. 7001 und 7002 VV-RVG – um solche handelt es sich vorliegend nicht – als ausreichend erachtet wird.“

Nun ja, dazu sage ich dann mal lieber nichts…..

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Sind das “Torgauer Zustände” oder wie läuft das mit der Aktenversendungspauschale?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Zu der Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Sind das “Torgauer Zustände” oder wie läuft das mit der Aktenversendungspauschale?, sind dann doch nicht so viele Lösungsvorschläge gekommen. Aber dann doch ein Kommentar, der mich zur Nachfrage veranlasst hat, nämlich: „Ich nenne das “Fladenzores”.“ Und die Antwort auf meine Nachfrage, da ich dazu auch bei Google nicht weiter gekommen bin: „Ja, Google ersetzt eben doch nicht die gute alte abendländische Bildung, die wir nur in jahrzehntelanger Selbstvervollkommnung aus guten Büchern ziehen können. In diesem Falle Friedrich Torberg (Friedrich Kantor-Berg), “Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten”: Fladenzores sind hiernach Sorgen untergeordneter Art, wie sie z.B. entstehen, wenn man darüber nachdenkt, ob man bei Herstellung von “Fladen” , einer Mehlspeise aus dem habsburgischen Kulturraum des 19. Jahrhunderts, besser 15 Eier nimmt, oder derer 17. Ich wüsste das auch nicht, hätte mich nicht zufällig vor 25 Jahren ein Bücherwurm auf die Tante Jolesch aufmerksam gemacht. Schönes Wochenende aus Berlin!“

Also das habe ich dann schon mal gelernt. Muss man sich für vergleichbare Fälle merken :-).

Zur Sache: Wenn ich den Sachverhalt richtig verstanden habe, dann müsste die Antwort richtig sein, die ich dem Kollegen aus meinem Handbuch, Ermittlungsverfahren, zitiert habe. Da heißt es nach den Aktualisierungen für die nächste Auflage bei „Akteneinsicht, Kosten“:

„….Beantragt der Rechtsanwalt gebührenfreie AE über sein Gerichtsfach bei der die Akten führenden Behörde, wird ihm die Akte aber dennoch gebührenpflichtig auf dem Postweg übersandt, kann ihm die Aktenversendungspauschale im Ergebnis nicht in Rechnung gestellt werden (AG Stuttgart StraFo 2008, 352; vgl. auch [ähnlich] OLG Koblenz JurBüro 2014, 379 und OLG Köln VRR 2014, 480 m. Anm. Burhoff unter Hinweis auf die Änderungen durch das 2. KostRMoG v. 23.07.2013, BGBl 2013, S. 2586; s. auch noch OLG Köln AGS 2009, 339; LG Chemnitz StraFo 2010, 261; AG Frankfurt am Main, 31.10.2008 – 942 OWi 64/08)…“

Zudem haben wir es mit einem justizinternen Pendeldienst zu tun. Aber da ist manches im Fluß.

Der Sachverhalt ist m.E. anders als im OLG Bamberg, Beschl. v. 05.03.2015 – 1 Ws 87/15 oder im AG Saarbrücken, Beschl. v. 17.04.2015 – 7 Gs 901/15. Wenn ich das alles so lese, dann ist der Kommentar mit dem „Fladenzores“ nicht ganz unberechtigt und man muss sich fragen, on der Gesetzgeber mit der Schaffung der Nr. 9003 KV GKG, die ja Geld in die (Landes)kasse bringen sollte, betriebswirtschaftlich nicht das Gegenteil erreicht hat. denn wenn sich zahlreiche AG, LG und OLG mit der Frage beschäftigen (müssen), dann dürfte das mehr kosten als einbringen.

Im Übrigen: Interessant für mich der Hinweis auf die „Bezirksrevisorenkonferenz“ und die Reaktion der StA darauf, die den dann gleich in geltendes Recht umsetzt.