Angenommen: Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, oder: Weisungen der StA/höhere Streitwerte geplant

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Und im zweiten „Bericht aus Berlin-Posting“ weise ich dann auf folgende Änderungen und Vorhaben hin, und zwar:

Zunächst:  Der Bundestag hat am 06.06.2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts (20/9471, 20/10015, 20/10131 Nr. 1.21) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (20/11661) angenommen.

In das Gesetz aufgenommen wurden weitere Tatbestände der sexualisierten Gewalt. Dazu gehören der Vorlage zufolge unter anderem die Tatbestandsalternativen des „sexuellen Übergriffes“, der „sexuellen Sklaverei“, des „Gefangenhaltens eines unter Zwang geschwängerten Menschen“ sowie des „erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs“. Mit der Anpassung wird laut Entwurf auch auf bereits vorgenommene Änderungen im Strafgesetzbuch reagiert.

Die erweiterten Tatbestandsalternativen kommen sowohl beim Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des VStGB) als auch beim Tatbestand des Kriegsverbrechens gegen Personen (§ 8 VStGB) zum Tragen. Zudem wird „die sexuelle Orientierung als unzulässiger Grund für die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft durch Entziehung oder wesentliche Einschränkung grundlegender Menschenrechte“ aufgenommen.

Und dann sind folgende Vorhaben interessant:

  • Es gibt einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft. Der geht zurück auf das EuGH, Urt. v. 27.05.2019, verbundene Rechtssachen C-508/18 und C-82/19). In dem hatte der EuGH, im Zusammenhang mit der Rolle der deutschen Staatsanwaltschaft als ausstellende Justizbehörde eines Europäischen Haftbefehls festgestellt, dass diese die Gewähr für unabhängiges Handeln unter anderem deshalb nicht biete, weil im GVG nicht näher geregelt sei, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form das Weisungsrecht ausgeübt werden könne. Mit dem Gesetzentwurf soll den Kritikpunkten begegnet und das  Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft ausdrücklich geregelt werden.
  • Und dann noch die Anhebung des Grenzstreitwertes beim Amtsgericht. Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht dazu vor, dass der in § 23 GVG vorgesehene Zuständigkeitsstreitwert der AG von bisher 5.000 EUR auf nunmehr 8.000 EUR angehoben wird. Daneben soll durch eine streitwertunabhängige Zuweisung bestimmter Sachgebiete an die AG und die LG die Spezialisierung der Justiz gefördert und eine effiziente Verfahrensführung unterstützt werden. So sollen bestimmte nachbarrechtliche Streitigkeiten streitwertunabhängig den AG zugewiesen werden. Streitigkeiten aus Heilbehandlungen, Vergabesachen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen streitwertunabhängig den LG zugewiesen werden, um so eine weitergehende Spezialisierung zu erreichen.

 

Grenzwert von 3,5 ng/ml für Drogenfahrt beschlossen, oder: Änderungen im StVG kommen

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Und heute dann ein Bericht aus Berlin 🙂 .

Zunächst auch hier die Mitteilung über die Änderungen im StVG, die durch das KCanG erforderlich geworden sind. U.a. also Einführung eines gesetzlichen Grenzwertes bei der Drogenfahrt.

Da hat der Bundestag am vergangenen Donnerstag – 06.06.2024 – Nägel mit Köpfen gemacht und die Änderungen und weitere beschlossen.

Ich mache es mir dann mal einfach und stelle hier dann den Text ein, den man auch auf der HP des Bundestages nachlesen kann, und zwar:

„Bundestag beschließt Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr

Nur wenige Wochen nach der Verabschiedung des Konsumcannabisgesetzes hat der Bundestag die Regelung nachjustiert. Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinal-Cannabisgesetzes“ (20/11366) stimmten am Donnerstag, 6. Juni 2024, die Koalitionsfraktionen zu. Die Unionsfraktion, die AfD und die Gruppe Die Linke lehnten ihn ab. Zur Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/11662) vor. Ein Entschließungsantrag der Gruppe Die Linke (20/11665) zum Gesetzentwurf wurde abgelehnt, ihm stimmten nur die Antragsteller zu.

Angenommen wurde der Koalitionsentwurf eines Gesetzes „zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften“ (20/11370), mit dem ein Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr festgeschrieben wird. Dem Gesetzentwurf stimmten die Koalitionsfraktionen zu, die Unionsfraktion und die AfD-Fraktion lehnten ihn bei Enthaltung der Gruppe Die Linke ab.

Abgelehnt wurde ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Für die Vision Zero und gegen die Erhöhung des Cannabis-Grenzwertes im Straßenverkehr“ (20/11143). Die Koalitionsfraktionen lehnten ihn ab, die Unionsfraktion und die AfD stimmten ihm zu, die Gruppe Die Linke enthielt sich. Zu beiden Vorlagen hatte der Verkehrsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/11666) abgegeben.

Hintergrund der Nachjustierung ist die Protokollerklärung, die die Bundesregierung im Rahmen der Sitzung des Bundesrates am 22. März 2024 zum Cannabisgesetz abgegeben hat. Die Veränderungen sollen den Bedenken und Wünschen der Länder Rechnung tragen, heißt es. So soll die im Konsumcannabisgesetz vorgesehene Evaluation erweitert und die Kontrolle von Anbauvereinigungen durch die Länder flexibilisiert werden.

Außerdem erhalten die Länder Handlungsspielraum beim Umgang mit Großanbauflächen. Darüber hinaus ist die Entwicklung eines Weiterbildungsangebotes durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Suchtpräventionsfachkräfte der Länder und Kommunen vorgesehen.

Der Gesundheitsausschuss hatte den Gesetzentwurf am 5. Juni gegen das Votum der Opposition in geänderter Fassung angenommen. Der Entwurf wurde einem Punkt geändert. Das Verbot der Bündelung verschiedener Tätigkeiten bei Angestellten in Anbauvereinigungen wurde gestrichen. Demnach dürfen die Cannabisclubs bezahlte Beschäftigte mit verschiedenen Tätigkeiten beauftragen, die nicht unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau oder der Weitergabe von Cannabis verbunden sind. Das soll den Organisationsaufwand geringer halten.

Der Gesundheitsausschuss hat den Entwurf zu Konsumcannabisgesetz und Medizinal-Cannabisgesetz in den Beratungen noch an einem Punkt geändert. Das Verbot der Bündelung verschiedener Tätigkeiten bei Angestellten in Anbauvereinigungen wurde gestrichen.
Demnach dürfen die Cannabisclubs bezahlte Beschäftigte mit verschiedenen Tätigkeiten beauftragen, die nicht unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau oder der Weitergabe von Cannabis verbunden sind. Das soll den Organisationsaufwand geringer halten.
Änderung des Straßenverkehrsgesetzes

Durch die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes wird ein THC-Grenzwert im Straßenverkehr sowie ein Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten eingeführt.

Der Grenzwert liegt der Neuregelung zufolge künftig bei 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum. Bei erstmaliger Überschreitung droht eine Strafzahlung von 500 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot.

Die Unionsfraktion spricht sich in ihrem abgelehnten Antrag gegen die Erhöhung des Cannabis-Grenzwertes im Straßenverkehr aus. Die Abgeordneten verweisen auf das „erhebliche Gefahrenpotenzial“, das vom Cannabiskonsum für die aktive Teilnahme im Straßenverkehr ausgehe. Die Anhebung des Cannabis-Grenzwertes von 1,0 Nanogramm pro Milliliter auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum stelle das individuelle Mobilitätsbedürfnis der Cannabiskonsumenten über den Allgemeinschutz der Verkehrsteilnehmer, wird kritisiert.
Im Sinne der „Vision Zero“ müsse daher auf die Anhebung des Grenzwerts für Cannabis verzichtet werden. Die Bundesregierung sollte aufgefordert werden, „ein generelles Fahrverbot für Cannabiskonsumenten auszusprechen, wie es mit dem THC-Grenzwert von 1,0 Nanogramm pro Milliliter in der Rechtsprechung bereits besteht“.

Beschlossen worden ist außerdem, dass Mischkonsum – also Cannabis und Alkohol – unzulässig ist. Zudem gilt für Fahranfänger (§ 24v StVG) ein absolutes Cannabisverbot.

Ich komme auf die sich ergebenden Fragen zurück.

Ich habe da mal eine Frage: Akte verloren gegangen, und was ist mit meinen Gebühren?

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Und dann zum Schluss des Tages die Gebührenfrage:

Werter Herr Kollege,

eine – vielleicht etwas absurde – Gebührenfrage: Ich habe vor einiger Zeit bei einem nordrhein-westfälischen Gericht die mir zustehenden Pflichtverteidigergebühren in ordentlicher Höhe abgerechnet. Nunmehr – nach dreifacher Mahnung – teilt man mir mit, dass die Akte „unauffindbar“ sei (was ich schon insoweit spannend finde, als dass gegen meinen Mandant in diesem Verfahren eine nicht bewährungsfähige Freiheitsstrafe vollstreckt wurde). Ich solle die Akte bitte erneut zusammenstellen (was mir weniger Probleme als üblich bereitet) und diese übermitteln.

Ich habe mitgeteilt, dass ich hierfür gegen Kostenübernahme gerne bereit sei. Die Antwort: Wenn ich meine Gebühren haben wolle, solle ich die Akte übermitteln, Kosten würden nicht erstattet.

Meine Fragen:

1. Wer trägt die Beweislast in solchen Fällen, dass die Ansprüche entstanden sind (sprich: wär ich der Depp, wenn die Akte bei mir schon gelöscht worden wäre)?
2. Kann ich die Gebühren dafür ggf. doch in Rechnung stellen?
3. Wenn ich die Akte nun digital per beA übermittele: gibt es DAFÜR einen Gebührentatbestand? „

Auslagenerstattung nach Verjährungseinstellung?, oder: Man möchte beim AG St. Ingbert schreien

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Und im zweiten Posting dann das AG St. Ingbert, Urt. v.  12.12.2023 – 22 OWi 66 Js 1319/23 (2348/23). Thematik: Auch die Auslagenerstattung nach Einstellung wegen eines Verfahrenshidnernisses. Ich habe diese Entscheidung bewusst nicht heute morgen mit den anderen – positiven – Entscheidungen vorgestellt, da ich mit dem Urteil erhebliche Probleme habe, wie leider häufig mit Entscheidungen von dem Gericht.

Das AG hat in dem Urteil das Bußgeldverfahren eingestellt, weil Verjährung eingetreten war. Gegen den Betroffenen waren wegen desselben Vorwurfs insgesamt zwei Bußgeldbescheide: ergangen: Einmal mit Datum vom 24.01.2023, wobei in diesem Bußgeldbescheid ein falscher Nachname des Betroffenen angegeben war. Dieser Bußgeldbescheid konnte daher dem Betroffenen nicht wirksam zugestellt werden. Dem Verteidiger des Betroffenen wurde dieser Bußgeldbescheid mit Verfügung vom 24.01.2023 formlos übersandt.

Nachdem die Behörde den richtigen Nachnamen des Betroffenen ermittelt hatte, erging nunmehr der Bußgeldbescheid vom 27.01.2023, wobei mit diesem Bußgeldbescheid der alte weder aufgehoben noch zurückgenommen wurde.

Das AG geht davon aus, dass dieser zweite Bußgeldbescheid wegen Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz „ne bis in idem „(Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz)  nichtig war. Der zuerst ergangene Bußgeldbescheid wäre aber trotz falscher Namensangabe grundsätzlich wirksam, jedoch konnte diese dem Betroffenen nicht zugestellt werden, so dass Verfolgungsverjährung eingetreten war.

Also Einstellung des Verfahrens nach § 260 Abs. 3 StPO, 46 OWiG. Zur Kostenentscheidung führt das AG dann aus:

„Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 OWiG, 467 StPO, wobei es gerechtfertigt erschien, die notwendigen Auslagen des Betroffenen nicht der Staatskasse aufzuerlegen. Der Betroffene wurde mit Anhör- Schreiben vom 17.11.2022 (Blatt 5 d.A.) zu der Sache angehört, wenn auch mit Angabe des falschen Nachnamens. Hierauf hin beauftragte er offensichtlich seinen Verteidiger, der sich mit Schreiben vom 24.11.2022 (7 d.A.) als Verteidiger des Betroffenen bestellte und vorsorglich Einspruch einlegte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betroffene somit Kenntnis von dem Vorwurf und dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren; ferner war für ihn ersichtlich, dass ein falscher Nachname angegeben war. Der zuerst erlassene Bußgeldbescheid konnte zwar dem Betroffenen wegen Angabe falschen Nachnamens nicht zugestellt werden, dieser wurde jedoch dem Verteidiger übersandt, sodass der Betroffene frühzeitig darüber informiert war, dass die Behörde fälschlicherweise (Gründe dafür sind aus der Akte nicht ersichtlich) einen falschen Nachnamen angegeben hatte, wobei die übrigen Angaben ausreichend sind und waren, den Betroffenen als solchen zu identifizieren, somit keine Verwechslungsgefahr bestand. Der 2. Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen dann förmlich zugestellt, worauf hin vom Verteidiger Einspruch eingelegt wurde.

Eine Verurteilung des Betroffenen wegen des vorgeworfenen Verstoßes (Verkehrsordnungswidrigkeit) wäre nach Aktenlage und der vorhandenen Beweismittel wahrscheinlich gewesen.“

M.E. falsch. Man möchte schreien wenn man es liest, so falsch ist die Entscheidung. Denn es handelt sich im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. u.a. BVerfG, Beschl. v.  26.05.2017 – 2 BvR 1821/16) sicherlich nicht um ein  vorwerfbar prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen, wenn er auf einen solchen Umstand nicht hinweist. Der nemo-tenetur-Grundsatz gilt auch im Bußgeldverfahren. Das bedeutet, dass der Betroffene auf solche Umstände, die ggf. zu seiner Verurteilung beitragen würden, nicht hinweisen muss. Das scheint sich noch nicht überall im Saarland herum gesprochen zu haben.

Auslagenerstattung nach Einstellung des Verfahrens, oder: Verfahrenshindernis der Verjährung

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Heute stelle ich dann ein paar Entscheidungen vor, die sich mit der Frage der Kosten- und Auslagenentscheidung nach Einstellung des Verfahrens, also §§ 467, 467a StPO, befassen.

Zunächst etwas aus Karlsruhe. Das AG Karlsruhe hatte eine Bußgeldverfahren wegen Verjährung eingestellt – der Bußgeldbescheid war nicht fristgemäß zugestellt – eingestellt. In der Kosten- und Auslagenentscheidung hieß es dann kurz und zackig nur: „Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 3 StPO. Unter Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls wird daher davon abgesehen, die notwendi­gen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

Das sieht das LG Karlsruhe dann im LG Karlsruhe, Beschl. v. 31.01.2024 – 4 Qs 46/23 – anders:

2. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25.08.2023 war auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen insoweit aufzuheben, als darin angeordnet wurde, dass die Betroffene ihre notwendigen Auslagen im Bußgeldverfahren selbst zu tragen hat. Diese waren der Staatskasse aufzuerlegen.

Gemäß § 467 Abs. 1 StPO fallen grundsätzlich die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Über § 46 Abs. 1 OWiG gilt diese Vorschrift sinngemäß auch für das Bußgeldverfahren. Gemäß §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG kann das Gericht jedoch davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

Ein Fall der §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG ist indes in vorliegender Sache im Ergebnis nicht gegeben:

Soweit in dem Beschluss des Amtsgerichts zur Begründung auf die „Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls“ abgestellt wird, bleibt schon unklar, ob damit ein Tatverdacht gegen die Betroffene in einem für eine Anwendbarkeit des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO erforderlichen Maß begründet werden sollte. In Rechtsprechung und Literatur gehen hin-sichtlich der insoweit zu fordernden Tatverdachtsstufe die Ansichten auseinander: § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO verlangt, dass der Angeschuldigte wegen einer Straftat „nur deshalb nicht verurteilt wird“ weil ein Verfahrenshindernis besteht. Teilweise wird insoweit verlangt, dass bei Hinweg-denken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit von einer Verurteilung auszugehen sein müsse (vgl. etwa KK-StPO/Gieg, 9. Aufl. 2023, StPO § 467, Rn. 10a). Dies erscheint vorliegend mangels einer Beweisaufnahme zum Tatvorwurf in der Sache zumindest zweifelhaft. Nach anderer Ansicht und wohl herrschender Rechtsprechung genügt eine niedrigere Tatverdachtsstufe und insbesondere ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht (vgl. etwa OLG Bamberg, Beschluss vorn 20.07.2010, Az.: 1 Ws 218/10). Letztlich kann die Frage der Verdachtsstufe aber vorliegend offen bleiben.

Die Möglichkeit, nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen. besteht nämlich nur dann, wenn zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem eine Verurteilung hindernden Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.05.2017, BvR 1821/16, NJW 2017, 2459). Die erforderlichen besonderen Umstände dürfen dabei aber gerade nicht in der voraussichtlichen Verurteilung und der zu Grunde liegenden Tat gefunden werden, denn das ist bereits Tatbestandsvoraussetzung für die Ermessensentscheidung des Gerichts (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.07.2010, 1 Ws 218/10) Grundlage für ein Absehen von der Erstattung notwendiger Auslagen muss vielmehr ein hinzutretendes vorwerfbar prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen sein. Bei einem in der Sphäre der Verwaltungsbehörde oder des Gerichtes eingetretenen Verfahrenshindernis hingegen, wird es regelmäßig der Billigkeit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzubürden (vgl. BVerfG. a.a.O., KK-StPO/Gieg, a.a.O., Rn 10b; LG Ulm, Beschluss vorn 06.11.2020 — 2 Qs 46/20, BeckRS 2020, 32961).

Im vorliegenden Fall liegt ein prozessuales Fehlverhalten der Betroffenen nicht vor. Der Grund für den Eintritt des Verfahrenshindernisses der Verjährung liegt vielmehr darin, dass eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids (unter der ausweislich der Meldeauskunft vorn 02.11.2021 seit dem 13.10,2021 maßgeblichen Adresse „26 Rue pp. in pp. /Frankreich“) nicht erfolgt ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nach §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO. 46 OWiG unbillig, die Betroffene entgegen der gesetzlichen Regel nach §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG mit ihren notwendigen Auslagen zu belasten.“

Und in die gleiche richtige Richtung geht der AG Limburg, Beschl. v. 19.03.2024 – 3 OWi 110/24.