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OWi I: „… es war kein Mobiltelefon, sondern ein Taschenrechner…“, oder: Neue Einlassung „geboren“?

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Über den OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.06.2018 – 2 Ss (OWi) 175/18 – ist ja schon an einigen anderen Stellen berichtet worden. Ich weise dann heute hier aber auch noch einmal darauf hin, und zwar allein schon deshalb, weil es m.E. die erste obergerichtliche Entscheidung zur Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO ist.

Das AG hatte den Betroffenen u.a. auch wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO – Stichwort: Mobiltelefon im Straßenverkehr bzw. „elektronisches Gerät“ – verurteilt. Dazu hat das AG ausgeführt; „Auf dem Lichtbild pp. ist zu sehen, dass der Betroffene ein technisches Gerät in seiner Hand vor das Gesicht hält. Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung erklärt, hierbei handele es sich nicht um ein Mobiltelefon, sondern um einen Taschenrechner. Diesen hatte er in Hauptverhandlung auch vorgelegt. Tatsächlich könnte es sich um dieses Gerät gehandelt haben, wobei sich allerdings die Frage stellt, warum sich der Betroffenen diesen Taschenrechner vor das Gesicht hält. Nach der Neufassung des § 23 Abs. 1 StVO unterliegt auch das Halten und Aufnehmen eines mobilen Flachrechners dem Verbot dieser Vorschrift.“

Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die Erfolg hatte. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und die Verurteilung wegen des Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO aufgehoben:

„Nach der Neufassung des § 23 StVO, die auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, darf derjenige, der ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt, ist nur unter den in Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 und 2 genannten Voraussetzungen benutzen.

Dabei sind Geräte im Sinne des Satzes 1 auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorecorder.

Ein Taschenrechner unterfällt dieser Norm nicht.

Der Senat (DAR 2010, 232) hat im Zusammenhang mit der Prüfung der Bestimmtheit einer Bußgeldvorschrift folgendes ausgeführt:

Auch wenn es in Grenzfällen zweifelhaft ist, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht, so muss der Normadressat aber jedenfalls im Normalfall anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen können, ob ein Verhalten ordnungswidrig ist (BVerfG, NJW 2010, 754; NJW 1986, 1671, 1672). Unter diesem Aspekt ist für die Bestimmtheit einer Strafvorschrift in erster Linie der für den Adressaten erkennbare und verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes maßgeblich (BVerfG, NJW 2010, 754; BVerfG, NJW 1986, 1671, 1672). Nur in der dadurch gesetzten Grenze der Auslegung können daneben auch systematische, historische und teleologische Auslegung herangezogen werden (BVerfG, NJW 2010, 754; NJW 1978, 101; NJW 1978, 1423, BVerfG, Beschluss vom 29.04.10 2 BvR 871/04 und 2 BvR 414/08, Rz. 55, – juris -).

Ein Taschenrechner lässt sich nicht als ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation bzw. der Unterhaltungselektronik oder der Ortsbestimmung dient bzw. dienen soll, bezeichnen.

Zwar sollte die Aufzählung in der Neufassung des § 23 Absatz 1a StVO nicht abschließend sein. In der Begründung des Entwurfes der Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (S. 26, abgedruckt unter BR Drucksache 556/17) heißt es, dass unter die Geräte zum Beispiel sämtliche Handys, Smartphones … Tablet-Computer, Touchscreens, elektronische Terminplaner, Diktiergeräte, …Walkman, Discman und Notebooks fallen sollen.

In der Kommentierung von Eggert in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 23 StVO 1. Überarbeitung wird ausgeführt, dass der technikoffene Ansatz wesentliche Verschärfungen insoweit mit sich bringe, als jetzt auch Gerätschaften erfasst würden, die bislang selbst bei extensiver Auslegung nicht unter dem Begriff Mobiltelefon hätten subsumiert werden können. Der beliebten Flucht in Alternativgeräte sei durch den weit gefassten Gerätebegriff ein Riegel vorgeschoben, wenngleich so plumpe Ausreden wie „Rasierapparat“ oder „Kühlakku wegen Zahnschmerzen“ möglich blieben.

Vom vollständigen Verbot der Nutzung von elektronischen Geräten während der Fahrt hat der Verordnungsgeber abgesehen, weil sie ein Übermaß darstellen würden (BR Drucksache 556/17 Seite 4).

Lässt sich ein Diktiergerät noch als ein Gerät bezeichnen, das der Kommunikation dient, fällt ein reiner Taschenrechner unter keinen der genannten Oberbegriffe. Die Annahme, die Eingabe einer Rechenoperation und deren anschließendes Ablesen unterfiele einem Informationszweck, würde nach Auffassung des Senats die Auslegung der Norm überdehnen und wäre für den Normadressaten nicht erkennbar.“

Die Entscheidung ist sicherlich zutreffend. Es würde in der Tat zu weit führen, auch einen reinen Taschenrechner, um den es hier wohl ging, als von § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO erfasst anzusehen. Es handelt sich zwar um ein elektronisches Gerät, aber nicht um eins im Sinn des Satz 1. Vom vollständigen Verbot der Nutzung von elektronischen Geräten während der Fahrt hat der Verordnungsgeber aber gerade abgesehen, weil sie ein Übermaß darstellen würde (BR Drucksache 556/17, S. 4; zum neuen Recht News zu Elektronisches Gerät/ Mobiltelefon im Straßenverkehr). Nicht ganz zu Unrecht hat sich allerdings das AG die Frage gestellt, warum sich der Betroffene diesen/einen Taschenrechner vor das Gesicht gehalten hat. Es geht dann aber nicht so weit, die Einlassung des Betroffenen ggf. als „lebensfremd“ abzutun  (vgl. dazu für den Akkurasierer OLG Hamm, Beschl. v. 22.08.2006 – 2 Ss OWi 528/06). Schön damals auch die Geschichte mit dem Wärmeakku im OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2007 –  2 Ss OWi 606/07).

Vielleicht ist mit dem „Taschenrechner“ ja eine neue Einlassung „geboren“ 🙂 .

Fahrverbot I: Absehen beim Berufskraftfahrer, oder: Existenzvernichtend muss es sein

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Heute dann mal ein Fahrverbotstag, oder auch ein Tag der Entscheidungen des KG. Denn alle drei Entscheidungen, die ich vorstellen möchte stammen vom KG. Zunächst ist das der KG, Beschl. v. 06.03.2018 – 3 Ws (B) 73/18 – zum Absehen von einem Fahrverbot beim Berufskraftfahrer.

Das AG hatte wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von dort 60 km/h um 52 km/h eine Geldbuße von 560,00 € festgesetzt, von der Verhängung eines Fahrverbots aber abgesehen, weil dessen Verhängung zu einer massiven Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen führen würde, weshalb eine „existenzvernichtende“ außergewöhnliche Härte vorliege, und zur Begründung insoweit Folgendes ausgeführt:

„Der Betroffene ist als Krankentransportfahrer zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, um seine Tätigkeit ausüben zu können. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Schreibens des Arbeitgebers des Betroffenen vom 26.1.2017 hat dieser angekündigt, das Arbeitsverhältnis mit dem Betroffenen für den Fall des Führerscheinentzuges zu beenden. Daraus folgt, dass seitens des Arbeitgebers auch keine Bereitschaft besteht, den Betroffenen für die Dauer des Fahrverbotes anderweitig zu beschäftigen. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Arbeitsvertrages wäre es dem Betroffenen zudem unter Berücksichtigung seines jährlichen Urlaubsanspruches nicht möglich, das Regelfahrverbot von zwei Monaten durch Urlaub zu überbrücken. Darüber hinaus scheiden aufgrund der Art der Tätigkeit des Betroffenen auch grundsätzlich in Betracht zu ziehende Alternativmaßnahmen wie die Beschäftigung eines Fahrers durch, den Betroffenen für die Zeit des Fahrverbotes hier naturgemäß aus. In einer Gesamtwürdigung liegen damit zur Überzeugung des Gerichts besondere Umstände vor die es rechtfertigen hier ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen.“

Das reicht dem KG nicht:

„….. In solchen Fällen kann die Anwendung der Regelbeispielstechnik des Bußgeldkataloges nur dann unangemessen sein, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich abweicht, dass er als Ausnahme zu werten ist. Dem tatrichterlichen Beurteilungsspielraum sind jedoch der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit wegen enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalles nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. KG, VRS 108, 286 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Das Amtsgericht hat von der Verhängung eines Fahrverbotes mit der Begründung abgesehen, dass bei Anordnung eines Fahrverbots eine „existenzvernichtende“ außergewöhnliche Härte vorliege. Den allein maßgeblichen schriftlichen Urteilsgründen sind die tatsächlichen Voraus-setzungen für eine solche Härte indessen nicht zu entnehmen. Der Arbeitgeber des Betroffenen hat hiernach nur angekündigt, das Arbeitsverhältnis mit dem Betroffenen für den Fall des Führerscheinentzuges zu beenden. Vorliegend geht es indessen nur um ein zweimonatiges Fahrverbot, nicht um den Entzug der Fahrerlaubnis. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, warum es dem Betroffenen nicht möglich sein soll, das Fahrverbot unter Inanspruchnahme seines jährlichen Urlaubsanspruches zu überbrücken, denn zu dessen Höhe verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Ebenso bleibt unerörtert, ob der Betroffene über seinen Urlaubsanspruch hinaus Mehrarbeit durch Freizeit ausgleichen und ggf. auch unbezahlten Urlaub nehmen könnte. Denn es ist einem Betroffenen zuzumuten, durch – gegebenenfalls unbezahlten – Urlaub die Zeit eines Fahrverbots zu überbrücken und für die finanziellen Belastungen notfalls einen Kredit aufzunehmen (vgl. KG, Beschluss vom 5. November 2014 – 3 Ws (B) 528/14122 Ss 150/14 -). An das Vorliegen einer den Wegfall des Regelfahrverbotes rechtfertigenden Härte ganz außergewöhnlicher Art ist nach der Einführung des § 25 Abs. 2a StVG mit der Möglichkeit, den Beginn der Wirksamkeit des Verbotes innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten selbst zu bestimmen, zudem ein noch strengerer Maßstab als in der Vergangenheit anzulegen (vgl. KG, Beschluss vom 23. Dezember 2008 – 3 Ws (B) 478/08 – 2 Ss 320/08 -).“

Rücksichtsloses Überholen, oder: Wenn der Überholte schneller ist…

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Heute mache ich dann mal wieder einen „Verkehrsrechtstag“. Und den eröffnet der OLG Koblenz, Beschl. v. 19.12.2017 – 2 OLG 6 Ss 138/17 -, der eine Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) zum Gegenstand hat. Es geht um rücksichtsloses Überholen, und zwar wie folgt: Der Angeklagte fährt zunächst mit seinem Pkw, einm Skoda Fabia RS, dessen Dieselmotor eine Leistung von 96 kW bzw. 130 PS, schön brav hinter einem BMW 328, der über eine Leistung von 142 kW bzw. 193 PS verfügt auf einer Landstraße im bereich eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h. Und dann:

Unmittelbar nach Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h setzte der Angeklagte, der sich alleine in seinem Fahrzeug befand, zum Überholen des vor ihm fahrenden Fahrzeugs des Zeugen …[A] an. Hierbei war dem Angeklagten nicht nur bewusst, dass er die vom (Anm. des Senats: gemeint ist „von ihm“) benötigte Überholstrecke von 300 – 330 m nicht annähernd einsehen konnte, da die Sicht maximal 250 m betrug, sondern auch, dass das Fahrzeug des Zeugen …[A] über eine erhebliche Beschleunigung verfügen musste. In seiner höchst eigensinnigen Art, die grundsätzlich dadurch gekennzeichnet wird, dass der Angeklagte meint, sich über Interessen anderer Verkehrsteilnehmer hinwegsetzen zu dürfen, aber auch um des schnelleren Fortkommens willens (Anm. des Senats: richtig: willen), überholte der Angeklagte das Fahrzeug des Zeugen …[A]. Dies stellte sich allerdings als schwierig dar, da auch der Zeuge …[A] zum Ende der Geschwindigkeitsbegrenzung sein Fahrzeug voll beschleunigte. Obwohl der Angeklagte dies zwanglos erkannte, setzte er seinen Überholvorgang munter unter Außerachtlassung jedweder Sorgfalts- und Rücksichtspflichten fort und versuchte weiterhin das Fahrzeug des Zeugen …[A] „auf Teufel komm raus“ zu überholen, wobei der Angeklagte Bedenken gegen seine Fahrweise nicht aufkommen ließ. Nach ca. 200 m erkannte der Angeklagte, dass ihm Gegenverkehr entgegenkam und er daher den Überholvorgang nicht fortsetzen konnte, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. All dies interessierte den Angeklagten jedoch nicht. Er beabsichtigte weiterhin, sein vermeintliches Überholrecht durchzusetzen und dem Zeugen …[A] in selbstsüchtiger und bedenkenloser Manier mit aller Gewalt zu zeigen, wie er, der Angeklagte, den Überholvorgang eiskalt und berechnend ohne Rücksicht auf Verluste fortsetzt und schneller als der Zeuge vorankommt. Der Angeklagte zog daher mit seinem Fahrzeug in Kenntnis der absoluten Gefährlichkeit seines Tuns nach rechts auf die Fahrspur des Zeugen herüber. Hierbei war dem Angeklagten nicht nur bewusst, dass (Anm. des Senats: zu ergänzen ist „er“) das Fahrzeug des Zeugen schneiden musste, um nach rechts ziehen zu können, sondern auch dass der Zeuge durch das Lenkmanöver gezwungen sein würde, sein Fahrzeug nach rechts zu ziehen und abzubremsen. Der Angeklagte zog wie von ihm beabsichtigt in der vorbeschriebenen Art brutal und bedenkenlos nach rechts, so dass der Zeuge …[A] durch des Lenkmanövers (Anm. des Senats: gemeint ist „das Lenkmanöver“) des Angeklagten gezwungen wurde, sein Fahrzeug weiter nach rechts zu lenken und darüber hinaus, um dem Angeklagten ein Einscheren zu ermöglichen, sein Fahrzeug unverzüglich sehr stark auf ca. 30 km/h abzubremsen. Dies tat der Zeuge auch. Wäre der Zeuge …[A] unvermindert weitergefahren, wäre es zwangsläufig zu einem Zusammenstoß nicht nur mit dem entgegenkommenden Fahrzeug, sondern auch mit dem Fahrzeug des Zeugen …[A] gekommen, wobei neben erheblichen Sachschäden auch Personenschäden (Zeuge …[A] und seine damalige Ehefrau als Beifahrerin) zu erwarten gewesen wären.“

AG und LG haben den Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung „infolge grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen falschen Überholens mit fahrlässiger Herbeiführung der Gefahr“ verurteilt und ihm für die Dauer eines Monats untersagt, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen (§§ 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 2, 44 StGB).

Das OLG hebt auf die Revision des Angeklagten hin auf un verweist zurück. Die Leitsätze der recht umfangreichen  Entscheidung betreffend § 315c StGB:

1. Eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs ist anzunehmen, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund objektiv nachträglicher Prognose die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache von bedeutendem Wert durch das Verhalten des Täters so stark beeinträchtigt ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob die Rechtsgutverletzung eintritt oder nicht.
2. Wegen ungenügender Aussagekraft reichen zur Feststellung wertende Begriffe wie z.B. „Notbremsung“, „Vollbremsung“ oder „scharfes Abbremsen“ nicht aus.
3. Nach der Rechtsprechung handelt rücksichtslos im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen darüber hinwegsetzt, oder wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise darauf losfährt.
4. In subjektiver Hinsicht darf die Rücksichtslosigkeit des Täters nicht allein aus dem äußeren Tatgeschehen geschlossen werden. Bedeutung gewinnen können der Grad der objektiven Verkehrswidrigkeit, vorangehendes oder nachfolgendes Verhalten des Täters und der Ausschluss entlastender subjektiver Faktoren, wie ein mögliches Augenblicksversagen, Schreck, Eile aus nachvollziehbaren Gründen.

M.E. nichts Neues, ruft aber noch einmal ins Gedächtnis, worauf man achten muss…..

Strafzumesssung III: Ausländerrechtliche Folgen der Tat, oder: Keine Strafmilderung

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Und als dritte Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 15.02.2018 – 4 StR 506/17 – mit einer Problematik, zu der der BGH in der letzten schon einige Male Stellung genommen hat, und zwar die Frage der Wertung ausländerrechtlicher Folgen einer Tat:

„2. Die Strafzumessung weist auch in den beiden anderen, der Verurteilung des Angeklagten zugrunde liegenden Fällen – den Taten am 18. Dezember 2016 und am 6. Februar 2017 – Rechtsfehler zu seinen Gunsten auf.

a) Das Landgericht hat bei allen Taten strafmildernd „die voraussichtlichen ausländerrechtlichen Folgen der Taten gewertet“ (UA 15 f.). Dies begegnet – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349) – durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Strafkammer keine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Begründung gegeben hat:

Ausländerrechtliche Folgen einer Verurteilung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine bestimmenden Strafmilderungsgründe. Dies war bereits zur früheren ausländerrechtlichen Rechtslage auch für die damals vorgesehene zwingende Ausweisung anerkannt und gilt nunmehr vor dem Hintergrund der seit 17. März 2016 geltenden Regelung des § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG, nach der bei einer Ausweisungsentscheidung generell eine Abwägung zwischen Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) vorzunehmen ist, umso mehr. Eine andere strafzumessungsrechtliche Bewertung ist nur gerechtfertigt, wenn im Einzelfall zusätzliche Umstände hinzutreten, welche die Beendigung des Aufenthalts im Inland als besondere Härte erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 2017 – 4 StR 259/17, NStZ-RR 2018, 41 [Ls]; vom 5. De-zember 2001 – 2 StR 273/01, NStZ 2002, 196; Beschlüsse vom 12. Januar 2016 – 5 StR 502/15; vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147; vom 31. August 2007 – 2 StR 304/07, StV 2008, 298; vom 27. November 1998 – 3 StR 436/98, NStZ 1999, 240; vom 11. September 1996 – 3 StR 351/96, NStZ 1997, 77). Solche einzelfallbezogenen Umstände hat das Landgericht nicht dargetan. Sie sind angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte erst im März 2016 in das Bundesgebiet eingereist ist, auch sonst nicht ersichtlich; seine Lebensgefährtin, mit der er zwei Kinder hat, lebt weiterhin – ebenso wie seine ihn finanziell unterstützende Mutter – in Ghana.“

Über den Beschluss hatte ich übrigens schon mal berichtet, und zwar hier: Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, oder: Mal wieder Taxifahrer(über)fall.

Strafzumessung II: Klassiker Doppelverwertungsverbot, oder: Schwierig?

Und als zweites Posting dann ebenfalls ein Klassiker aus dem Bereich der Strafzumessung im Betäubungsnittelrecht. Es sind dann gleich Beschlüsse, auf die ich hinweisen kann, nämlich auf den BGH, Beschl. v. 23.01.2018 – 3 StR 586/17 – und auf den BGH, Beschl. v. 24.04.2018 – 4 StR 60/18. Beide behandeln u.a. die Problematik der Gewinnerzielungsabsicht beim Handeltreiben. Dass z.B. das Hndeltreiben mit einer Gewinnerzielungsabsicht einhergeht, sollte man eigentlich wissen als Strafkammer und daher alles an Ausführungen vermeiden, aus dem man schließen könnte das habe bei der Strafzumessung auch eine Rolle gespielt. Dann vermeidet man solche Ausführungen wie:

BGH, Beschl. v. 23.01.2018 – 3 StR 586/17:

„…. In diesem Rahmen hat die Strafkammer ebenso wie bei der anschließenden konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten in die Abwägung eingestellt, „dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt, und dass das Amphetamin zum überwiegenden Teil in den Verkehr gelangte“.

Diese Erwägungen erweisen sich mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn zum einen erfasst das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln typischerweise deren Verkauf an andere Personen (BGH, Beschluss vom 28. November 2003 – 2 StR 403/03, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 5) und damit auch, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr geraten (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 11).

Darüber hinaus sind die Erwägungen des Landgerichts auch nicht frei von Bedenken, soweit es strafschärfend berücksichtigt, dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt. Zwar kommt der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314). Jedoch besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von so genannten harten Drogen wie Heroin oder Kokain über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu so genannten weichen Drogen wie Cannabis (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314). Daran gemessen ist es verfehlt, dem Umstand, dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt, strafschärfendes Gewicht beizumessen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 13).“

BGH, Beschl. v. 24.04.2018 – 4 StR 60/18:

„Weiterhin hat die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „allein um seines finanziellen Vorteils willen bereit war, Drogen in großem Umfang und guter Qualität in den Verkehr zu bringen“ und „nicht unter Konsumzwang, sondern als sog. ‚trockener Dealer‘ gehandelt hat“. Auch diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt. Denn das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln setzt tatbestandlich voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. November 2017 – 4 StR 393/17 mwN). Ferner begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer mit der beim Angeklagten nicht bestehenden Drogensucht das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, StV 2011, 224).

In beiden Fällen also: Das Doppelverwertungsverbot lässt grüßen.