Nachdem ich gestern drei Entscheidungen zum StGB gebracht habe, kommen heute dann drei Entscheidungen zum Verfahrensrecht. Ja, drei, obwohl in Teilen der Republik Feiertag ist. Im Rest des Landes wird aber gearbeitet. Daher: Drei Entscheidungen 🙂 .
Zunächst bringe ich den BGH, Beschl. v. 24.07.2018 – 3 StR 132/18, und zwar wegen der vom BGH angesprochenen verfahrensrechtlichen Problematik. Das LG hat den Angeklagten wegen Untreue verurteilt. Mit seiner Revision hat der Angeklagte beanstandet, die Urteilsgründe stünden in Widerspruch zu einem Beschluss, mit dem die Strafkammer einen Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt hat (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO). Der BGH folgt dem:
„a) Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass neun weitere (namentlich benannte) Personen, für die der Angeklagte ebenfalls als gerichtlich bestellter Betreuer tätig gewesen sei, zu den (konkret datierten) Zeitpunkten, als sie ihre notariellen Testamente errichtet hätten, nicht testierunfähig gewesen seien. Zur Begründung des Antrags hat der Verteidiger vorgebracht, in diesen neun Fällen habe die Ernennung des Angeklagten zum Testamentsvollstrecker dem rechtlich beachtlichen Willen der jeweiligen betreuten Person entsprochen. Beweisziel sei der Nachweis der Tatsache, dass sich der Angeklagte nicht unrechtmäßig von einer Vielzahl vormals von ihm Betreuter als Testamentsvollstrecker habe einsetzen lassen.
Die Strafkammer hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung, weil die Beweisbehauptung selbst im Fall der Erwiesenheit die Entscheidung nicht zu beeinflussen vermöge. Eine Einflussnahme des Angeklagten auf die Testamentserrichtung der im Antrag benannten Personen sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
b) In den Urteilsgründen hat die Strafkammer der im Ablehnungsbeschluss als unerheblich bezeichneten Beweistatsache Bedeutung beigemessen und sich somit hierzu in Widerspruch gesetzt (s. dazu BGH, Beschlüsse vom 27. November 2012 – 5 StR 426/12, juris Rn. 5; vom 29. April 2014 – 3 StR 436/13, NStZ 2015, 179; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 227).
Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch darauf gestützt, dass – über die drei verfahrensgegenständlichen Fälle hinaus – im tatrelevanten Zeitraum mindestens neun weitere Fälle mit im Kern übereinstimmenden Geschehensabläufen belegt seien. Diese Fälle, in denen ausweislich der Urteilsgründe der Angeklagte ebenfalls von wegen geistiger Einschränkungen unter Betreuung Stehenden mit notariellem Testament zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde, betreffen eben die in dem Beweisantrag benannten Personen (s. UA S. 46 ff.). In diesem Zusammenhang führt das Urteil aus, der Angeklagte habe die Betreuten zur Testamentserrichtung „in Ausnutzung ihrer aufgehobenen Einsichtsfähigkeit bewegt“ (UA S. 48). Das lässt sich mit einer noch vorhandenen Testierfähigkeit, wie sie der Ablehnungsbeschluss unterstellt hat, nicht in Einklang bringen.
Hiernach ist dem Generalbundesanwalt nicht darin zu folgen, dass die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich „den äußeren Ablauf der Beurkundungen bei den übrigen neun Betreuten als Indiz hinsichtlich des Zustandekommens der verfahrensgegenständlichen Testamente und des Ablaufs der Beurkundungen verwertet“ habe, jedoch davon ausgegangen sei, nur in den drei abgeurteilten Fällen seien die Betreuten „zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig“ gewesen (Antragsschrift S. 4 f.). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, inwieweit die Strafkammer mit Blick auf das im Beweisantrag angegebene Beweisziel gehalten gewesen wäre, bereits im Ablehnungsbeschluss solche – für sich gesehen nicht zu beanstandende – Erwägungen mitzuteilen (zu den grundsätzlich geltenden Anforderungen an die Begründung der Bedeutungslosigkeit s. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 3 StR 193/16, NStZ-RR 2017, 119; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225 f.).“
Nichts Neues, da der BGH das häufiger beanstanden muss. Denn es wird häufig übersehen: Was als bedeutungslos angesehen worden ist, darf dann keine Bedeutung erlangen.