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StGB III: „Dilemma unserer rot-grünen Sprachpolizei“, oder: „Neger/Zigeuner“ nicht immer allein Schimpfwort

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Und zum Abschluss dann noch der OLG Hamm, Beschl. v. 15.06.2023 – III-5 ORs 34/23 – noch einmal zur Volksverhetzung bei folgenden Feststellungen:

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils war der Angeklagte bis zum Jahr 2020 Vorsitzender der AfD-Ratsfraktion der Stadt Gelsenkirchen und postete in diesem Zeitraum auf der Internetplattform Facebook sowohl allgemeine als auch politische Kommentare. Am 22.02.2017 las er einen Artikel auf der Internetseite „Emma.des, welcher sich seinerseits mit einem Artikel der Autorin Mithu Sanyal befasste. In dem Artikel der Autorin Mithu Sanyal sprach diese sich dafür aus, Opfer sexueller Gewalt als ,Erlebende“ zu bezeichnen, um so zu ,höchstmöglicher Wertungsfreiheit zu gelangen. In dem ,,Ernma“-Artikel wurde dieser Vorschlag heftig kritisiert. Dieser Kritik schloss sich der Angeklagte an. Er postete bei Facebook folgenden Kommentar:

„ Das ist das Dilemma unserer rot-grünen Sprachpolizei. Negativ konnotierte Begriffe werden einfach umetikettiert. So wurde aus dem Neger ein Schwarzer, Farbiger und was weiß ich noch. Aus Zigeunern wurden Sinti und Roma (obwohl es zahlreiche andere Stämme gibt), dann Rotationseuropäer.

Aber was auch geändert wurde: die neuen Begriffe wurden dann immer wieder durch die Realität eingeholt und es mussten neue Bezeichnungen gefunden werden. Damit muss Schluss sein.

Ein Eimer Scheiße wird immer ein Eimer Scheiße bleiben, egal wie die Grünen es nennen.“

 

Den „Emma“-Artikel hängte der Angeklagte an diesen Kommentar an. Das Landgericht wertete diese Äußerung als Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Das OLG hat aufgehoben unc frei gesprochen:

„1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen eine Verurteilung wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 StGB nicht.

a) Nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Diese Tatbestandsalternative knüpft an Art. 1 Abs. 1 GG an und schützt damit den unverzichtbaren Kernbereich der menschlichen Persönlichkeit (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Mai 2006 – 1 Ws 75/06 Rn. 18, juris m.w.N.). Das Angreifen der Menschenwürde anderer stellt hierbei ein einschränkendes Merkmal des Tatbestands dar, dem nicht die Funktion eines erweiterten Ehrschutzes zukommt (Fischer, 70. Aufl. 2023, §‘ 130 StGB Rn. 12). Obwohl die Menschenwürde im Verhältnis zur Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig ist, steht das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG einer zu weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals Menschenwürde entgegen (BVerfG NJW 2001, 81, beck-online). Bloße Beleidigungen oder „einfache‘ Beschimpfungen reichen daher nicht aus, auch nicht jede ausgrenzende Diskriminierung. Vielmehr werden vom Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur besonders massive Schmähungen, Deformierungen und Diskriminierungen erfasst, durch die den angegriffenen ihr ungeschmälertes Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft bestritten wird und sie als ,,unterwertigem Menschen gekennzeichnet werden (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Mai 2006 -1 Ws 75/06 Rn. 19, juris).

b) Die Beurteilung, ob die beanstandete Äußerung die Menschenwürde anderer angreift, obliegt zuvörderst dem Tatrichter. Dieser hat nach ständiger Rechtsprechung den tatsächlichen Sinngehalt der beanstandeten Äußerung zu ermitteln (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 40, 97, 101). Kommt der Tatrichter zu einem vertretbaren Ergebnis, so hat das Revisionsgericht dessen Auslegung hinzunehmen, sofern sie sich nicht als rechtsfehlerhaft erweist, mag auch ein anderes Ergebnis durchaus vertretbar sein oder aus Sicht der Rechtsmittelinstanz sogar näherliegen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. November 2022 – 3 Ss 131/22 Rn. 13, juris).

Andererseits muss das Urteil des Tatrichters die erforderlichen Feststellungen enthalten, um dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung der tatgerichtlichen Entscheidung in dieser Hinsicht zu ermöglichen. Die Aufgabe des Revisionsgerichts ist es dabei, die Schlussfolgerungen, auf denen die Auslegung beruht, darauf zu überprüfen, ob sie einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungs-, Denk- oder Sprachgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lassen (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 23. Februar 2023 – 1 Ss 48/22 -, Rn. 37, juris m.w.N.). Als durch das Revisionsgericht zu überprüfender Verstoß gegen ein – Denkgesetz gilt auch, wenn der Tatrichter verkannt hat, dass nach den festgestellten Umständen mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, und es unterlassen hat, diese gegeneinander abzuwägen (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 23. Februar 2023 -1 Ss 48/22 -, Rn. 37, juris).

c) Bei der Auslegung einer Meinungsäußerung ist durch den Tatrichter deren objektiver Sinn zu ermitteln, wobei nicht die subjektive Absicht des sich Äußernden und nicht das subjektive Verständnis eines gegebenenfalls von einer Äußerung Betroffenen maßgeblich ist, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20. März 2023 – 206 StRR 1/23 -, Rn. 19, juris m.w.N.). Auszugehen ist insofern nach ständiger Rechtsprechung stets vom Wortlaut der Äußerung, zudem ist Ihr Kontext einzubeziehen; femliegende Deutungen sind auszuscheiden (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20. März 2023 – 206 StRR 1/23 -, Rn. 19, juris). Im Falle von mehrdeutigen Äußerungen ist grundsätzlich maßgeblich, ob eine der nicht auszuschließenden Bedeutungsvarianten straffrei wäre (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20. März 2023 208 StRR 1/23 -, Rn. 19, juris m.w.N.)

d) Den aufgezeigten Maßstab zugrunde legend hält zunächst die Auslegung des Landgerichts der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, dass der Angeklagte Farbige, Sinti und Roma allein durch die Verwendung der Begriffe „Neger und ‚Zigeuner In besonders herabsetzender Weise beschimpft und damit zugleich in ihrer Menschenwürde angreift. Beide Begriffe werden zwar heute in der Regel als diskriminierend bzw. herabwürdigend angesehen (vgl. die Einträge „Neger und „Zigeuner bei wikipedia.de m.w.N.; in diesem Sinne auch zum Begriff „Neger: OLG Köln, Urteil vom 19.01.2010 – 24 U 51/09; LG Karlsruhe, Beschluss vom 20.07.2016 – 4 Cis 25/16 – juris Rn. 16). Sie lassen sich indes nicht stets allein als Schimpfwort verstehen (zum Begriff Zigeuner: OLG Hamm, Beschluss vom 28. April 2048 – RVs 37/16 Rn. 15, juris; zum Begriff „Neger: Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss vom 1. Oktober 2018 – 1 W 41/18 Rn. 5, juris; s. auch: Fischer, a.a.O., § 185 StGB Rn. 12b). Entscheidend ist daher der Kontext, in welchem die Begriffe fallen (Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19. Dezember 2019 -1/19 -, Rn. 38, juris). So können die Worte insbesondere auch genutzt werden, um über ihre Verwendung und ihre Verwendbarkeit zu sprechen und damit als. inhaltliche Stellungnahme zu einer politischen Debatte beitragen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.10.2018 – 1 W 41/18 – bei juris; Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19. Dezember 2019 – 1/19 38, juris). Letzteres ist hier der Fall. Anknüpfend an den Artikel der Autorin Mithu Sanyal und deren Forderung, Opfer sexueller Gewalt als „Erlebende“ zu bezeichnen, beschreibt der Angeklagte in seinem Facebook-Post einleitend die Änderungen des Sprachgebrauchs betreffend die Begriffe „Neger bzw. „Zigeuner“ und lastet diese der „rot-grünen Sprachpolizei“ an. Der Angeklagte empfindet – ob dies eine sinnvolle Interpretation des geänderten Umgangs mit den Begriffen ist, unterliegt nicht der gerichtlichen Bewertung – den Sprachwandel als politisch verordnet und wehrt sich gegen diesen Vorgang, welchen er als „Umetikettlerung“ bewertet. Dies stellt eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung dar.

Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Angeklagte im nächsten Satz ausführt, dass die „neuen Begriffe […] dann immer wieder durch die Realität eingeholt [wurden]“. Hierin kommt zwar zum Ausdruck, dass der Angeklagten den vorbezeichnetet Bevölkerungsgruppen in diskriminierender Weise (nicht näher konkretisierte) negative Eigenschaften zuschreibt. Die Kritik ist indes so diffus gehalten, dass es sich nicht um eine besonders massive Schmähung oder Diskriminierung handelt, durch welche Farbigen, Sinti und Romaa das ungeschmälerte Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen wird.

e) Ferner geht das Landgericht im Ausgangspunkt zwar zutreffend davon aus, dass ein Angriff auf die Menschenwürde unzweifelhaft vorliegt, wenn Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen als „Dreck“, Unrat, Ungeziefer usw. geschmäht werden (Fischer, a.a.O., § 130 StGB Rn. 12a). Die weitere Annahme, dass der Angeklagte in seinem Facebook-Post die vorbezeichneten Bevölkerungsgruppen „Fäkalien“ gleichsetzt, ist indes nicht tragfähig begründet. Im Rahmen seiner Deutung versteht das Landgericht den Schlusssatz des Facebook-Posts „Ein Eimer Scheiße wird im immer ein Eimer Scheiße trielen, egal wie die Grünen es nennen.“ dahin, dass Farbige, Sinti und Roma (konkludent) als ,Eimer Scheiße bezeichnet werden. Hierbei lässt das Landgericht indes eine naheliegende, straflose Deutungsalternative außer Acht. So ist angesichts des Kontextes – der Angeklagte nimmt ausdrücklich zur geforderten Umbenennung von „Opfern sexueller Gewalt“ in „Erlebende Stellung – nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Erklärungsempfängers jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich das Begriffspaar „Eimer Scheiße“ auf die sexuelle Gewalt und deren Umetikettierung in ein „Erlebnis“ beziehen soll. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte seinem- Satz anfügt „egal wie die Grünen es nennen“. Hierdurch spannt er den Bogen zu seinem Eingangssatz, in welchem er – wenn auch offenkundig von einer unzutreffenden Bedeutung des Begriffes „Dilemma“ ausgehend – die Umbennungsforderung der Autorin Mithu Sanyal zu Opfern sexueller Gewalt als „Dilemma unserer rot-grünen Sprachpolizei“ bezeichnet.

Da somit eine straffreie Deutungsmöglichkeit des letzten Satzes besteht, darf die zur Bestrafung führende Interpretation nicht zugrunde gelegt werden….“

StGB II: Polizei-SS-Vergleich als Bildmontage bei FB, oder: Verfassungswidrige Kennzeichen/Beleidigung

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Und als zweite Entscheidung im heutigen Kontext dann das OLG Hamm, Urt. v. 27.06.2023 – 4 ORs 46/23.

Das AG hat den Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt.  Die gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat das LG mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie verurteilt worden ist.

Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte veröffentlichte am 19.11.2020 gegen 20:24 Uhr in A auf seiner öffentlich einsehbaren Facebook-Seite eine Bildmontage, um seiner kritischen Meinung gegenüber der Corona-Politik der Bundesrepublik Ausdruck zu verleihen. Diese Bildmontage ist überschrieben mit „…“wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, war so, ist so, und bleibt auch so! … Ich führe nur [es folgt die Bildmontage, Anm. des Unterzeichners] Befehle aus“. Außerdem beinhaltet dieser Post zwischen den Worten „Ich führe nur“ und „Befehle aus“ eine Bildmontage, welche halbseitig ein Foto des SS-Obersturmbandführers J. H. in Uniform, mit „Totenkopfemblem“ an der Mütze und mit der „Doppel -Siegrune“ auf dem Kragen und auf der anderen Seite den uniformierten Adhäsionskläger und Zeugen Polizeihauptmeister B. zeigt. Der Angeklagte, der diese Fotomontage aus dem Internet entnommen hat, hat dabei die naheliegende Möglichkeit erkannt, dass der Zeuge B. keine Einwilligung zur Verwendung seines Bildnisses erteilt hat und nahm dies jedenfalls billigend in Kauf.

Nachdem dem Angeklagten bekannt wurde, dass gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen wegen dieses Posts geführt werden, hat er den Post am 14.10.2021 gelöscht und ein Entschuldigungsschreiben auf seiner Facebookseite veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: „Das in diesem Beitrag von mir geteilte Bild (aus Unkenntnis der Rechtslage), verstößt gegen den § 86a StGB […] Bedauerlicherweise wurde es von Facebook gelöscht, daher entferne ich es heute am 14. Oktober 2021 selber“. („Auslassungen“ durch den Unterzeichner).“

Dagegen die Revision der StA und auch des Angeklagten. Nur die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

Das OLG führt zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a 1 Nr. 1 StGB aus:

„a) Das Landgericht hat zu Unrecht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a 1 Nr. 1 StGB verneint.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der auf dem Kragen des halbseitig abgebildeten SS-Obersturmbandführers J. H. befindlichen Sig-Rune in ihrer doppelten Darstellung um ein Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil v. 12. September 2005 – 1 Ss 58/05; OLG Bamberg, Urteil v. 18. September 2007 – 2 Ss 43/07; Paffgen/Klesczewski in NK-StGB, 6. Aufl. 2023, StGB, § 86a, Rn. 10). Dieser Doppel Sig-Rune hat sich die „Schutzstaffel“ (SS) der NSDAP bedient und sie verkörpert die Zugehörigkeit zu dieser Organisation.

Auch bei dem auf der Mütze des SS-Obersturmbandführers J. H. befindlichen Totenkopf handelt es sich um ein Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a StGB. Mit seinem stark ausgeprägten Kiefer mit zwei vollständig großen Zahnreihen sowie den Schädelöffnungen im Bereich der Augen und der Nase stellt er das spezifische Totenkopfsymbol, das Uniformabzeichen der SS-Verbände der NSDAP und damit ein verfassungswidriges Kennzeichen dar (vgl. OLG Jena, Urteil v. 1. Juni 2006 – 1 Ss 79/06 in BeckRS 2006, 9085).

Durch das „Posten“ auf seinem Facebook-Profil, das nach den – nicht zu beanstandenden – Feststellungen des Landgerichts öffentlich und für jedermann einsehbar war, hat der Angeklagte dieses Bild wissentlich und willentlich für eine nicht überschaubare Anzahl von Personen wahrnehmbar gemacht und somit im Sinne des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB verwendet.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts unterfällt die verwendete Fotomontage auch dem Schutzzweck des § 86a StGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich die Vorschrift des § 86a StGB gegen eine Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen und der von ihnen verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet werden (vgl. BGH, Urteil v. 15. März 2007 – 3 StR 486/06 in NJW 2007,1602). § 86a StGB soll auch verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen – ungeachtet der damit verbundenen Absichten – sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in Deutschland grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können (BGH, a.a.O.).

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die weite Fassung des § 86a StGB eine Restriktion des Tatbestands in der Weise erfordert, dass solche Handlungen, die dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken, nicht dem objektiven Tatbestand unterfallen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2008 – 3 StR 164/08; BGH, Urteil v. 15. März 2007 – 3 StR 486/06, zitiert nach juris). Dies ist für Fälle anerkannt, in denen das Kennzeichen in einer Weise dargestellt wird, die offenkundig gerade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zu Grunde liegenden Ideologie eingesetzt (vgl. BGH, Urteil v. 15. März 2007 – 3 StR 486/06, zitiert nach juris) oder erkennbar verzerrt, etwa parodistisch verwendet wird (vgl. BGH, Urteil v. 14. Februar 1973 – 3 StR 3/72 in NJW 1973, 766 f.). Mit dieser Rechtsprechung wird einerseits dem Anliegen, verbotene Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens zu verbannen, andererseits den hohen Anforderungen, die das Grundrecht der freien Meinungsäußerung an die Beurteilung solcher kritischen Sachverhalte stellt, Rechnung getragen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2008 – 3 StR 164/08 in NStZ 2009, 88 ff.).

Unter Zugrundelegung dessen handelt es sich vorliegend nicht um einen Ausnahmefall der zulässigen Verwendung verbotener Kennzeichen.

Aus Sicht eines objektiven Betrachters ist die Fotomontage in Form einer halbseitigen Abbildung des Adhäsionsklägers in Uniform und einer halbseitigen Abbildung des SS-Obersturmbandführers J. H. mit der Überschrift „Ich führe nur Befehle aus“ als Protest gegen das polizeiliche Handeln zu verstehen. Durch die Zusammenfügung der beiden Fotos zu einem Foto wird zum Ausdruck gebracht, dass das Handeln der heutigen Polizei an die Methoden der SS erinnere und das Vorgehen der Polizei mit den Methoden des NS-Staats vergleichbar sei.

Zweck der Fotomontage war eine Kritik an der Polizei. Es ging demnach nicht um eine Kritik an der verbotenen Vereinigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollen jedoch nur solche Handlungen nicht vom Tatbestand des § 86a StGB erfasst werden, in denen das Kennzeichen offenkundig gerade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zu Grunde liegenden Ideologie eingesetzt wird. Dies ist – wie ausgeführt – vorliegend nicht der Fall.

Zudem wird durch den Vergleich der heutigen Polizei mit der SS das von der SS begangene Unrecht relativiert, weil Organisation und Handlungen der Polizei in keiner Weise mit denjenigen des verbrecherischen Nazi-Regimes und insbesondere auch der SS vergleichbar sind. Das Handeln der SS, welches untrennbar mit der Massenvernichtung von Juden verbunden ist, wird durch den Vergleich mit dem Handeln der Polizei verharmlost und das von der SS begangene schwerste Unrecht in keiner Weise als solches anerkannt.

Da vorliegend keine der von dem Bundesgerichtshof entwickelten Fallgruppen der Tatbestandsrestriktion eingreift, ist der Tatbestand des § 86a StGB erfüllt. Die vorliegende Verwendung der Kennzeichnung ist gerade das, was die Vorschrift des § 86a StGB verhindern soll, denn sie soll einer Gewöhnung an bestimmte Kennzeichen zuvorkommen, indem diese aus allen Kommunikationsmitteln verbannt werden (sogenanntes „kommunikatives Tabu“).“

Das OLG hat auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB bejaht. Insoweit und wegen der Revision des Angeklagten verweise ich auf den Volltext.

StGB I: Ein „Knast für Quarantäne-Verweigerer“, oder: Verharmlosen von NS-Verbrechen?

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Ich mache heute dann mal wieder einen StGB-Tag. Also Entscheidungen zum StGB, und zwar alles sog. Äußerungsdelikte.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 21.03.2023 – 203 StRR 562/22. AG und LGhaben den Angeklagten wegen Volksverhetzung verurteilt. Das BayObLG hebt wegen nicht ausreichender Feststellungen für Verurteilung des Angeklagten wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB auf:

„Nach § 130 Abs. 3 StGB macht sich strafbar, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Das Merkmal des Verharmlosens ist erfüllt, wenn der Äußernde die Anknüpfungstatsachen für die Tatsächlichkeit der NS-Gewalttaten herunterspielt, beschönigt, in ihrem wahren Gewicht verschleiert oder in ihrem Unwertgehalt bagatellisiert oder relativiert (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 365/04 –, juris Rn. 24; Krauß in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, § 130 Volksverhetzung Rn. 107). Der Täter muss in qualitativer oder quantitativer Hinsicht Art, Ausmaß, Folgen oder Unrechtsgehalt einzelner oder die Gesamtheit nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen herunterspielen (vgl. Krauß a.a.O.).

Ein solches Relativieren und Bagatellisieren ist durch die Feststellungen des Landgerichts nicht belegt. Danach postete der Angeklagte am 15. Januar 2021 in die Telegram-Gruppe „dd2_Plz91“, zugänglich für 148 Teilnehmer der Gruppe, zu angeblichen Plänen des Freistaates Sachsen, einen „Knast für Quarantäne-Verweigerer“ einzurichten, als Reaktion auf den Kommentar einer Nutzerin, dass dies gar nicht schlimm sei, folgenden Beitrag: „Ja, evtll gibt es dort auch Duschräume und Impfzentren. Wahrscheinlich auch gestreifte Einheitskleidung. Wenn ich der Staat wäre würde ich solche Lager mit Bahnanbindung bauen“. Das Landgericht hat in dieser Äußerung eine vergleichende Gegenüberstellung der Judenverfolgung und -vernichtung in den Konzentrationslagern unter der Herrschaft des Nationalsozialismus einerseits und möglichen politischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gesehen, wodurch der Angeklagte die Judenvernichtung gröblich herabgesetzt und verharmlost hätte.

Auf der Grundlage der Feststellungen zum Wortlaut der Äußerungen konnte das Landgericht hier nach der verfassungsmäßig gebotenen Auslegung der vom Angeklagten verwendeten Formulierungen jedoch nicht ohne weiteres von einer Verharmlosung der Judenverfolgung und Judenvernichtung ausgehen. Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht einen Vergleich der Stimmung gegen die AfD und ihre Mitglieder mit dem nationalsozialistischen Völkermord von bis zu 6 Millionen Juden als Volksverhetzung angesehen, weil durch die Gleichsetzung von bloßen Befindlichkeiten und Belästigungen mit dem Holocaust den Verbrechen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates deren Dimension abgesprochen und ihr Unrechtsgehalt beschönigt wurde (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 205 StRR 240/20 –, juris; ähnlich Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Entscheidung vom 5. Juli 2022 – 1854/22 –, juris Rn. 12). Ob dies indes der Zielsetzung des Angeklagten entsprach, ist den bislang getroffenen Feststellungen nicht hinreichend zu entnehmen. Vielmehr kann es auch das Ziel der Anspielungen auf Duschräume, Einheitskleidung und Bahnanbindung gewesen sein, den Freistaat Sachsen zu bezichtigen, im Zusammenhang mit der pandemischen Lage Internierungslager einzurichten, in denen Ungeimpfte und erkrankte Personen entrechtet, entmenschlicht und eventuell auch getötet würden, also das Bundesland mit dem Verdacht eines schimpflichen faschistischen Verhaltens zu überziehen. Dies würde nicht den Tatbestand von § 130 Abs. 3 StGB erfüllen. In der Darstellung eines Bundeslandes als Unrechtsstaat, der sogar die Ermordung ihm unliebsamer Personen organisiert, könnte indes – auch unter Berücksichtigung der Reichweite von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG – eine nach § 90a StGB tatbestandsmäßige Verunglimpfung eines Staatswesens in der Gesamtheit zu sehen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 – 3 StR 446/01 –, juris Rn. 7; BayObLG, Beschluss vom 23. Oktober 1995 – 3 St 3/95 –, juris, unter 2b aa; BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28. November 2011 – 1 BvR 917/09-, juris Rn. 24; Steinsiek in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2021, § 90a Rn. 10; Steinmetz in Münchener Kommentar, StGB, 4. Aufl., § 90a Rn. 11). Denn es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass in der Gleichsetzung der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihr angehörenden Landes mit einem faschistischen Staat eine Beschimpfung im Sinn von § 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB gesehen wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juli 1998 – 1 BvR 287/93 –, juris Rn. 43).

Aufgrund der festgestellten Mängel war das Urteil des Landgerichts mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 349 Abs. 4, § 353 StPO). Da nicht auszuschließen ist, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Angeklagten nach § 130 Abs. 3 StGB oder nach § 90a Abs. 1 und 3 StGB tragen, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (354 Abs. 2 StPO). Dem neuen Tatrichter obliegt es dabei, nicht nur den Wortlaut, sondern auch den Sinn und den politischen Hintergrund der potentiell strafrechtlich erheblichen Äußerung festzustellen.

Die Rückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth erfolgt trotz des Umstandes, dass hier auch eine Verurteilung nach § 90a Abs. 3 StGB im Raum steht und damit eine Zuständigkeit der Staatsschutzkammer nach § 74a Abs. 1 Nr. 2 GVG in Betracht kommen könnte. Denn für die Zuständigkeit im Berufungsverfahren ist nach § 74 Abs. 3 GVG ausschließlich ausschlaggebend, welches Gericht in erster Instanz entschieden hat (BayObLG, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 206 StRR 220/22 –, juris Rn. 12; Gericke in KK-StPO, 8. Aufl., § 355 Rn. 6). Eine zulässige Verfahrensrüge der Verletzung von § 328 Abs. 2 StPO hat der Angeklagte nicht erhoben.

StPO II: Vorläufige Sicherstellung eines Mobiltelefons, oder: Unbefugte Nutzung eines Bildes bei TikTok

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Im zweiten „StPO-Posting“ dann eine AG-Entscheidung, und zwar der AG Kiel, Beschl. v. 03.07.2023- 43 Gs 3660/23, der zu den Voraussetzungen einer vorläufigen Sicherstellung eines Mobiltelefons (in der Hauptverhandlung) und zum Anfangsverdacht einer Straftat nach § 201a Abs. 2 StGB Stellung nimmt.

Das AG hat die vorläufige Sicherstellung des Mobiltelefons des Beschuldigten zum Zwecke der weiteren Durchsicht entsprechend §§ 110 Abs. 3 Satz 2, 94, 98 Abs. 2 StPO aufgehoben:

„Der vom Verteidiger des Beschuldigten unter dem 29.06.2023 Antrag auf ermittlungsrichterliche Entscheidung über die vorläufige Sicherstellung des am 05.06.2023 im Rahmen einer Hauptverhandlung durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel sichergestellten Mobiltelefons ist in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO zulässig (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 2017 – 2 BvQ 27/17, juris; vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03, NJW 2003, 2669, 2671; vom 30. Januar 2002 – 2 BvR 2248/00, NJW 2002, 1410, 1411; vom 29. Januar 2002 – 2 BvR 94/01, NStZ-RR 2002, 144, 145; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 64. Aufl., § 98 Rn. 23; § 110 Rn. 10). Somit ist eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Sicherstellung zur Durchsicht geboten. Eine unmittelbare Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO kommt nicht in Betracht, da eine Durchsicht im Sinne des § 110 StPO, der auch für elektronische Datenträger und Datenspeicher gilt, noch nicht erfolgt ist und die Mitnahme zur Durchsicht erst der Ermittlung möglicher Beweisgegenstände dient und damit noch keine Beschlagnahme ist (Meyer-Goßner, Kommentar zur Strafprozessordnung, 56. Aufl., § 110 StPO, Rn. 1, 2). Das Erfordernis für eine entsprechende Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO ergibt sich aus dem Umstand, dass die vorläufige Sicherstellung zur Durchsicht eine der späteren Beschlagnahme vergleichbare Beschwer entfaltet und der der vorläufigen Sicherstellung Widersprechende daher ein vergleichbares Bedürfnis an einer richterlichen Überprüfung hat (Meyer-Goßner, Kommentar zur Strafprozessordnung, 56. Aufl., § 110, Rn. 10).

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung ist, wie bei der Beschlagnahme, das Vorliegen jedenfalls der Anfangsverdachts einer Straftat und die naheliegende Vermutung, dass sich auf dem Mobiltelefon Daten finden lassen, die für das weitere Verfahren als Beweismittel in Betracht kommen können.

Vorliegend fehlt es indes nach den bisherigen Ermittlungen aus Rechtsgründen am Anfangsverdacht einer durch den Beschuldigten begangenen Straftat.

Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel geht diese derzeit davon aus, dass der Beschuldigte in einem Livegespräch, welches er mit einem unbekannten vor dem 13.02.2023 über die Plattform „TikTok“ geführt hat, ein Bild des Geschädigten zeigte. Bei dem Bild handelt es sich um eine von dem Geschädigten von sich selbst gefertigte Aufnahme (sog. „Selfie“). Auf diesem Bild ist das Gesicht des Geschädigten mit deutlichen Verletzungen zu sehen. Diese Verletzungen soll der Beschuldigte dem Geschädigten beigefügt haben. In dem Videochat soll sich der Beschuldigte mit der Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten gebrüstet haben. Wie das von dem Geschädigten selbst hergestellte Bild in den Besitz des Beschuldigten gekommen ist, ist bislang nicht ermittelt.

Dieser Sachverhalt rechtfertigt nicht den Anfangsverdacht einer Straftat insbesondere auch nicht einer solchen nach § 201a Abs. 2 StGB. Danach wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht.

Unabhängig von der Frage, ob vorliegend von einer vorsätzlich unbefugten Nutzung des von dem Geschädigten selbst hergestellten Bildes, das dieser selbst auf bislang unbekannte Weise unbekannten Dritten weitergegeben haben muss, ausgegangen werden kann, woran beispielsweise dann Zweifel bestehen dürften, wenn etwa der Geschädigte selbst das Bild in den sozialen Medien frei zugänglich eingestellt hätte, fehlt es an der Eignung, dem Ansehen des Geschädigten erheblich zu schaden. Denn dazu muss die Bildaufnahme geeignet sein, das Opfer verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wobei sich die ansehensschädigende Eignung jedenfalls schon nach dem Wortlaut des Absatzes 2 Satz 1 aus der Bildaufnahme selbst und nicht etwa lediglich aus den Umständen des Zugänglichmachens der Aufnahme ergeben muss. Der Umstand, dass sich der Beschuldigte im Zuge des TikTok-Chats damit gebrüstet haben soll, dass er dem Geschädigten die Verletzungen zugefügt hat, sind mithin für die Einordnung des Bildes nach § 201a Abs. 2 StGB unbeachtlich. Darüber hinaus fehlt nach allgemein gesellschaftlicher Bewertung einer Bildaufnahme von Verletzungen, die ein Opfer einer Straftat schuldlos erlitten hat in der Regel die Eignung dazu, das Opfer der Straftat verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass solchen Aufnahmen Bestürzung und ggf, Mitleid auslösen, die indes gerade nicht das Ansehen des Opfers herabsetzen.

Auf die Frage, ob darüber hinaus eine naheliegende Vermutung besteht, das auf dem Mobiltelefon für das vorliegende Verfahren relevante Beweismittel gefunden werden können, kommt es nicht mehr an. Es erscheint aber zweifelhaft, da es aus den dargelegten Gründen auf den Kontext der Bildweitergabe gerade nicht ankommt und der möglicherweise noch vorhandene Chat insoweit nicht relevant ist.“

Corona II: Vorlage eines gefälschten Impfpasses, oder: Was ist für „Urkundenfälschung“ festzustellen?

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In der zweiten Entscheidung, dem  BayObLG, Beschl. v.  31.05.2023 – 207 StRR 294/22 – geht es nicht um eine materiellen Frage, sondern um die Frage nach dem erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen.

Das AG hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung („Gebrauchen einer unechten Urkunde“) verurteilt Nach den dort getroffenen Feststellungen habe der Angeklagte am 26.10.2021 in einer Apotheke einen, wie er wusste, manipulierten Impfpass vorgelegt, aus welchem hervorging, dass er vollständig gegen das SARS-COV2-Virus geimpft sei. Tatsächlich sei der Angeklagte, wie er wusste, nicht mit den angegebenen Impfstoffen geimpft gewesen. Durch die Vorlage habe er ein digitales Impfzertifikat erhalten wollen. In den Urteilsgründen ist weiter ausgeführt, dass der Impfpass mit enthaltenem Stempel der Arztpraxis und Unterschrift zusammen mit den eingeklebten C.-Aufklebern eine unechte (zusammengesetzte) Urkunde darstelle, die der Angeklagte durch deren Vorlage in der Apotheke auch gebraucht habe.

Gegen die Verurteilung hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt, u. a. mit dem Ziel des Freispruchs. Das BayObLG hat wegen nicht ausreichender Feststellungen aufgehoben:

„1. Das zulässige Rechtsmittel hat einen mindestens vorläufigen Erfolg, weil die getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung nach § 267 StGB entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht tragen (§ 349 Abs. 4 StPO).

a) Zwar wurde die Anwendung des 267 StGB zur Tatzeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht durch §§ 277, 279 StGB a. F. gesperrt (BGH, Urteil vom 10.11.2022, 5 StR 283/22, BeckRS 2022, 31209, dort Rdn. 34 ff.).

b) Das Urteil leidet jedoch an durchgreifenden Darstellungsmängeln, weil die Feststellungen des Amtsgerichts lückenhaft und unklar sind und damit dem Senat bereits nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung ermöglichen, ob der Angeklagte – wie vom Amtsgericht angenommen – den Tatbestand der Urkundenfälschung in der Tatmodalität des Gebrauchmachens von einer unechten oder verfälschten Urkunde i.S.v. 267 Abs. 1 3. Alt. StGB erfüllt hat (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt BayObLG, Beschluss vom 22.07.2022, 202 StRR 71/22, zitiert nach juris, m. w. N.).

aa) Nach 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen, mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann; denn nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 08.03.2022, 1 StR 483/21, zitiert nach juris, dort Rdn. 6).

bb) Die Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts belegen bereits nicht, ob es sich bei dem gegenständlichen Impfpass überhaupt um eine Urkunde im Sinne des 267 Abs. 1 StGB handelte. Eine Urkunde setzt das Vorhandensein einer verkörperten Gedankenerklärung voraus, die zum Beweis bestimmt und geeignet ist und einen Aussteller erkennen lässt (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 267 Rdn. 3 m. w. N.). Keines dieser Merkmale kann den Urteilsgründen zuverlässig entnommen werden. Der Impfpass und die Eintragungen darin werden anlässlich der Feststellung des strafbaren Sachverhalts überhaupt nicht und auch später nur unzureichend beschrieben. Das tatrichterliche Urteil stellt nicht fest, welchen Inhalt die offenbar in den Impfausweis eingeklebten Impfnachweise im Einzelnen hatten und wer im Zusammenhang mit der angeblichen Impfung der Aussteller der Impfbescheinigung ist.

cc) Es kann nach diesen Feststellungen auch nicht beurteilt werden, ob der Angeklagte mit der Vorlage des Impfpasses von einer unechten oder verfälschten Urkunde Gebrauch gemacht hat.

Unecht ist eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller bezeichnet ist. Entscheidendes Kriterium für die Unechtheit ist die Identitätstäuschung: Über die Person des wirklichen Ausstellers wird ein Irrtum erregt; der rechtsgeschäftliche Verkehr wird auf einen Aussteller hingewiesen, der in Wirklichkeit nicht hinter der in der Urkunde verkörperten Erklärung steht. Nicht tatbestandsmäßig ist dagegen die Namenstäuschung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Aussteller nur über seinen Namen täuscht, nicht aber über seine Identität (BGH, Beschluss vom 19.11.2020, 2 StR 358/20, zitiert nach juris, dort Rdn. 18). Nachdem das Amtsgericht aber schon nicht mitteilt, wer nach den Eintragungen im Impfpass der Aussteller ist, unterbleiben auch die gebotenen Feststellungen dazu, ob nicht gegebenenfalls die Urkunde von dem Aussteller, sollte ein solcher ersichtlich sein, tatsächlich erstellt wurde. Eine Beweiswürdigung zu dieser für die rechtliche Einstufung der Urkunde als unecht maßgeblichen Frage findet schon gar nicht statt. Denn sollte ein aus dem Impfpass ersichtlicher Aussteller die Eintragung vorgenommen haben, würde es sich um eine echte Urkunde handeln, deren Gebrauch nicht nach § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB strafbar wäre. Auch ist auf dieser Grundlage nicht ausgeschlossen, dass nur eine (nicht strafbare) „schriftliche Lüge“ vorliegt (vgl. zu solchen Konstellationen Senat, Beschluss vom 22.05.2023, 207 StRR 239/22).

Den Ausführungen des Amtsgerichts kann schließlich auch nicht sicher entnommen werden, ob eine unechte Urkunde vorlag oder es sich um eine Verfälschung einer ursprünglich echten Urkunde handelte. Eine Verfälschung liegt in der inhaltlichen Veränderung der gedanklichen Erklärung einer ursprünglich echten Urkunde (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.1999, 4 StR 71/99, zitiert nach juris, dort Rdn. 19), was nur dann der Fall sein kann, wenn die Urkunde von dem aus ihr hervorgehenden Aussteller stammte; eine solche käme etwa in Betracht, wenn in einen „echten“ Impfpass zusätzliche Impfungen eingetragen werden.“