Archiv der Kategorie: Berufsrecht

Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft 2.0 – Stand September 2023

Bild von nvodicka auf Pixabay

Und heute geht es hier dann um Gebühren bzw. Kosten.

In dem Zusammenhang komme ich erst noch einmal auf das sog. Eckpunkte-Papier von DAV und BRAK zurück, über das ich ja schon einmal berichtet habe, und zwar hier: Höhere Anwaltsgebühren/
RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft mit dem „Eckpunktepapier“ 2023
.

Mir war das Papier damals „zugespielt“ worden, es hatte den Stand Mai 2023, war aber wohl noch nicht „offiziell“ von DAV und BRAK abgesegnet. Das ist jetzt der Fall und es gibt jetzt ein neues Papier – Stand September 2023,

Das heißt

Gemeinsamer Katalog des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer – Vorschläge zur linearen Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung sowie
zu strukturellen Änderungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes
„.

Die Forderungen in dem Katalog sind etwas ausführlicher begründet als in dem im August von mir vorgestellten „Eckpunktepapier“ – Stand Mai 2023.

An den „Forderungen“ von DAV/BRAK hat sich allerdings m.E. nichts geändert. Daher stelle ich hier nicht noch einmal das ganze Papier ein, sondern verweise auf den o.a. Link.

Man darf nun gespannt sein, wie es weiter. Ich denke, es werden Änderunge/Klarstellungen kommen, aber wahrscheinlich nicht alles das, was „gefordert“ wird. Dem werden die Bundesländer einen Riegel vorschieben und auf ihre leeren Kassen verweisen. Ich werde die Entwicklung im Auge behalten und hier weiter berichten.

Wir hatten über die geplanten Änderungen übrigens schon im StRR 8/2023 berichtet. Hier geht es zum Beitrag

Änderung im RVG in der 20. Legislaturperiode, oder: Eckpunktepapier
von DAV/BRAK aus Mai 2023

Der enthält auch bereits erste Einschätzungen.

Berufsrecht II: Online-Vermittlung von Neumandanten, oder: Verstoß gegen das Provisionsgebot?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um das OLG Dresden, Urt. v. 06.04.2023 –  8 U 1883/22.

Die Parteien streiten in dem Verfahren um die Zahlung von „Vermittlungsprovisionen“. Die Klägerin betreibt eine Website und bietet über die von ihr entwickelte Software Dienstleistungen für Betroffene an, die einen Anhörungsbogen bzw. Bußgeldbescheid zu einem behaupteten Verstoß gegen Vorschriften bei der Teilnahme am Straßenverkehr (Geschwindigkeits-, Abstands-, Wechsellicht-, Mobiltelefon-, Überhol- oder Vorfahrtsverstoß) erhalten haben. Zur Überprüfung der erhobenen Vorwürfe gegenüber den Betroffenen und der sich aus dem Prüfungsergebnis ergebenden Handlungsmöglichkeiten arbeitet die Klägerin mit Partnerkanzleien/Rechtsanwälten zusammen, zu denen auch die Beklagte gehört. Die Beklagte war seit 01.07.2018 eine der Partnerkanzleien und bezahlte bis zum 30.12.2020  die Rechnungen der Klägerin für ca. 40.000 Bußgeldfälle. Das waren 108 Rechnungen mit einem Gesamtbetrag ca. 3.900.000,00 EUR.

Gestritten wird jetzt um die Zahlung weiteren Entgelts von insgesamt 235.056,98 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis 30.06.2021. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf die Zahlung einer Lizenzgebühr, weil die zwischen den Parteien begründete Geschäftsbeziehung gemäß § 134 BGB nichtig sei, da sie gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstoße. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus Bereicherungsrecht. Das Erlangte sei nicht schlüssig dargetan. Ein Herausgabeanspruch der Klägerin an Teilen der Gebührenansprüche der Beklagten gegen ihre Mandanten bestehe nicht.

Dagegen die Berufung, die beim OLG Dresden keinen Erfolg hatte. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweise ich auf das umfangreich begründete Urteil des OLG, aus dem ich hier nur folgende Passage einstelle:

„b) Die Vereinbarung der Parteien verstößt aber gegen ein gesetzliches Verbot und ist deshalb nach § 134 BGB nichtig. § 49b 3 Satz 1 BRAO bestimmt, dass die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, unzulässig ist. Kern des Rechtsstreits ist die – hier zu bejahende – Frage, ob die Klägerin von der Beklagten mit der Lizenzgebühr eine Vergütung für die Vermittlung von Mandanten erhalten sollte. Mit dem Provisionsverbot soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten; die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden (BT-Drs. 12/4993, 31; BGH, Urteil vom 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14, NJW 2016, 3105 Rn. 18, beck-online; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 159; Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 76).

Eine Vermittlung setzt voraus, dass neben den Parteien des Anwaltsvertrages ein Dritter, d.h. eine kanzleifremde Person, an dessen Akquisition durch den Rechtsanwalt beteiligt ist (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 164). Verboten ist jegliche Art und Form akquisebedingter Belohnung (Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 80). Pauschale Entgelte für die Bereitstellung von Infrastruktur, die es potentiellen Auftraggebern ermöglicht, ihn zu mandatieren (Anwaltssuchdienste, Telefonmehrwertdienste) fallen nicht unter das Verbot, wenn die Vergütung nicht von der Zahl der Mandatserteilungen abhängt (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 165). Die erforderliche kausale Verknüpfung (Gebühr oder sonstiger Vorteil „für die Vermittlung von Aufträgen“) ist erfüllt, wenn sich die Gewährung oder die Entgegennahme des Vorteils und der beabsichtigte Abschluss eines Anwaltsvertrags wechselseitig bedingen (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 159; Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 84). Vom Verbot nicht umfasst ist ein erfolgsunabhängiges, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Auftragsvergabe geschuldetes Entgelt für Dienstleistungen, die nur eine Rahmenbedingung für die Erbringung anwaltlicher Tätigkeit schafft (Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 84).

(1) Die Zulässigkeit von mandats- und damit erfolgsunabhängigen Dienstleistungen ist in der Rechtsprechung anerkannt. Beispielsweise verstößt die Beteiligung an einer Anwalts-Hotline nicht gegen § 49b Abs. 3 BRAO, weil die fragliche Vergütung unabhängig davon geschuldet ist, ob und wie viele Ratsuchende in der fraglichen Zeit anrufen. Die erfolgsunabhängige Vergütung ist daher mit der Raummiete, mit den Kosten der Telefonanlage oder mit den Kosten für einen Anwaltssuchdienst im Internet vergleichbar (BGH, Urteil vom 26.09.2002 – I ZR 44/00, NJW 2003, 819, beck-online). Auch eine Versteigerung von Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus verstößt nicht gegen das in § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO geregelte Verbot. Bei Internetauktionen erhält das Auktionshaus zwar neben einer Angebotsgebühr auch eine vom Höchstgebot abhängige Provision, so dass die zu zahlende Provision der Höhe nach vom konkreten Auftrag abhängig ist. Die Provision wird jedoch nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet; denn das Internetauktionshaus stellt lediglich das Medium für die Werbung der Anbieter zur Verfügung. Seine Leistung durch das Überlassen einer Angebotsplattform ist vergleichbar mit den Leistungen der herkömmlichen Werbemedien (BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 – 1 BvR 1886/06, NJW 2008, 1298, beck-online). Online-Vermittlungsplattformen, die gegen Provision anwaltliche Dienstleistungen vermitteln, gehen über die Funktion eines klassischen Werbemediums hinaus und sind mit dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachverhalt nicht vergleichbar (vgl. Behme, AnwBl Online 2018, 110-114). Auch die entgeltliche Vermittlung von Terminsvertretern wird für zulässig gehalten, wenn die erhobene Transaktionsgebühr nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet wird, sondern lediglich das Medium für die Vermittlung der Übernahme einer Terminsvertretung zur Verfügung gestellt wird, da die Bereitstellung einer Internetplattform mit den Leistungen herkömmlicher Medien vergleichbar ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.04.2013 – 4 U 18/13, NJW 2013, 1614, beck-online). Das Oberlandesgericht München hat bei einer Marketing-Kampagne eine unerlaubte Mandatsvermittlung verneint (Urteil vom 13.10.2021, Az. 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Nach dem dortigen Vertrag waren aber nur Datensätze von Interessenten zu übermitteln. Ein Lead war dort – anders als hier – nicht mit einer Anwaltsvollmacht verknüpft. Es waren nur Datensätze, nicht aber Vertragsabschlüsse zu liefern, weshalb das Oberlandesgericht München davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Vertragsmodell um eine Form des Dialogmarketings (Direct-Response-Marketing) und damit der Werbung handelt (OLG München, Urteil vom 13.10.2021 – 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Der Vergleich der Beklagten mit dem Portal anwalt.de geht fehl. Dort handelt es sich um eine Werbeplattform für Anwälte, auf der die Mandanten einen Anwalt suchen, d.h. selbst auswählen können. Bei advocado.de und klugo.de werden ebenfalls Anwälte aus Partnerkanzleien vermittelt; zu den zwischen dem Portal und den Partnerkanzleien vereinbarten Konditionen ist aber nichts bekannt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, ob die Anwälte mandatsbezogen oder erfolgsunabhängig Zahlungen leisten.

(2) Ist das zu zahlende Entgelt kausal mit der Vermittlung eines konkreten Mandats verknüpft, wird von der Rechtsprechung ein Verstoß gegen das Provisionsverbot angenommen. Das Landgericht Berlin hat (rechtskräftig) zum Anwaltsvermittlungsportal axxxxxx.de entschieden, dass die entgeltliche Vermittlung von Mandaten an Rechtsanwälte aufgrund der vom Ratsuchenden abgegebenen Sachverhaltsschilderung unabhängig davon, ob der Betreiber Rechtsanwalt ist, einen sittenwidrigen Wettbewerbsverstoß darstellt, weil hierdurch sowohl § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO als auch Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG verletzt werden (LG Berlin, Urteil vom 07.11.2000 – 102 O 152/00 –, juris). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einen Fall entschieden, der eine Kooperationsvereinbarung zum Gegenstand hatte. Diese sah vor, dass der Kläger Mandate von Kapitalanlegern akquirierte und diese außergerichtlich allein betreute. Das damit einhergehende Honoraraufkommen sollte ihm allein zufließen. Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht erzielt werden können, sollte der Kläger dem Beklagten betroffene Mandanten namhaft machen. Der Kläger sollte in diesem Fall einen Anteil an den Gebühren für die gerichtliche Vertretung erhalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine unzulässige Gebührenteilung angenommen, denn der Kläger wurde am Gebührenaufkommen eines Mandats beteiligt, aus dem ihm aus dem Anwaltsvertrag, welchen nur der Beklagte mit dem Mandanten geschlossen hatte, kein Anspruch zustand. Die Vereinbarung der Gebührenteilung sollte unabhängig davon sein, ob der Kläger tatsächlich tätig geworden ist; sie sollte vielmehr allein von der „Vermittlung“ abhängig sein (OLG Düsseldorf Urteil vom 11.01.2022 – I-24 U 184/19, NJW-RR 2022, 778 Rn. 28, beck-online). Eine erfolgsabhängige, prozentual anhand des eingebrachten Honorars bemessene Provisionszahlung spricht für die Vermittlung eines konkreten Mandats, wohingegen eine feste Gebühr unabhängig vom Zustandekommen eines Mandatsvertrags eher für die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzes spricht (vgl. El-Auwad, AnwBl Online 2018, 115).

(3) Daran gemessen verstößt das von den Parteien praktizierte Geschäftsmodell in der gewählten Form gegen das Provisionsverbot. Die Klägerin versucht darzulegen, dass ihre Dienstleistungen nicht in der Mandatsvermittlung liegen, sondern sie im Ergebnis nur Interessenten zusammenbringe und eine Infrastruktur vergütungspflichtig bereitstelle. Es handele sich nicht um die Vermittlung von Aufträgen, sondern um das Erfassen von Daten, deren Nutzung den Beteiligten (Kanzlei und Interessent) die Möglichkeit eröffne, miteinander Verträge zu schließen. Dieses Zusammenbringen von Interessent (Betroffener in einem Bußgeldverfahren) und Partnerkanzlei ist aber in der konkreten Ausgestaltung durch die Parteien nichts anderes als eine Vermittlung von Mandaten, weil der sog. Lead erst an die Partnerkanzlei weitergeleitet wird, wenn der Interessent die Vollmacht eingereicht hat und weil eine Vergütung an das konkrete Mandat anknüpft. Soweit die Klägerin der Meinung ist, auf ein Zustandekommen eines Mandats nach Akteneinsicht habe sie keinen Einfluss, mag das richtig sein, es ändert aber nichts daran, dass sie Mandate vermittelt, nämlich bereits solche zur Akteneinsicht und damit zur außergerichtlichen Vertretung. Darauf weist die Beklagte zutreffend hin. Beide Parteien tragen vor, der von der Klägerin generierte Lead erreiche nur dann die Partnerkanzlei, wenn der Interessent die Vollmacht der Partnerkanzlei, die ihm von der Klägerin elektronisch übersandt wird, an die Klägerin zurücksende.“

Berufsrecht I: Vermögensverfall des Verteidigers, oder: „…. ich nehme doch gar keine Fremdgelder ein.“

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und heute „köcheln“ im „Kessel Buntes“ zwei Entscheidungen mit berufsrechtlichem Bezug. Beide schon etwas älter, aber heute sind sie „dran.

Ich stelle zunächst den BGH, Beschl. v. 11.05.2023 – AnwZ (Brfg) 33/22 – vor. In der Entscheidung wird um den Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts gestritten, der seit rund 25 Jahren als Strafverteidiger tätig gewesen ist. Als er in Vermögensverfall gerät, wird seine Zulsassung von der RAK nach § 14  Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Der Rechtsanwalt wendet sich dagegen und macht geltend, er sei seit knapp 25 Jahren ausschließlich als Strafverteidiger tätig. Seine Arbeitsweise und seine Büroabläufe seien nicht darauf ausgerichtet, zivilrechtliche Mandate zu bearbeiten. Er könne er gar kein zivilrechtliches Mandat annehmen. Die fiktive Annahme eines lukrativen zivilrechtlichen Mandats – zur Lösung eigener finanzieller Probleme – sei bei einer derartigen Spezialisierung völlig aus der Luft gegriffen, zumal die zivilrechtlichen Gebühren nicht erheblich über den Pflichtverteidigergebühren in Umfangstrafsachen lägen. Damit greife auch der Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, der Gefährdung von Mandantengeldern durch Gläubigerpfändungen der Anwaltskonten zu begegnen, nicht. Die Verwendung von Fremdgeldern zur Lösung eigener finanzieller Probleme wäre zudem schlicht kriminell, was ihm nicht einfach unterstellt werden könne.

Der AnwGH Hamm hat die Klage gegen den Widerrufsbescheid abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hatte beim BGH keinen Erfolg:

„1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist gegeben, wenn …..

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

a) Der Kläger führt zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung an, dass sein Vortrag, durch seine ausschließliche Tätigkeit als Strafverteidiger sei eine Gefährdung der Rechtsuchenden im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ausgeschlossen, nicht ausreichend und rechtlich nicht zutreffend gewürdigt worden sei.

Da er seit 24 ½ Jahren ausschließlich als Strafverteidiger tätig sei und seine Arbeitsweise sowie die seines Büros auf die Bearbeitung zivilrechtlicher Mandate überhaupt nicht eingerichtet seien, handele es sich bei seiner rein strafrechtlichen Berufsausübung nicht nur um eine selbst auferlegte, sondern um eine faktische Beschränkung. Die fiktive Annahme eines lukrativen zivilrechtlichen Mandats (zur Lösung eigener finanzieller Probleme) sei bei einer derartigen Spezialisierung völlig aus der Luft gegriffen, zumal die zivilrechtlichen Gebühren nicht erheblich über den Pflichtverteidigergebühren in Umfangstrafsachen lägen. Damit greife auch der Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, der Gefährdung von Mandantengeldern durch Gläubigerpfändungen der Anwaltskonten zu begegnen, nicht. Die Verwendung von Fremdgeldern zur Lösung eigener finanzieller Probleme wäre zudem schlicht kriminell, was ihm nicht einfach unterstellt werden könne. Außerdem arbeite er seit Jahren in einer inhaltlich eng verbundenen Strafverteidigerbürogemeinschaft, bei der aufgrund der wechselseitigen Kontrolle die plötzliche Annahme fachfremder Mandate ausgeschlossen sei.

Letztlich sei der Widerruf seiner Zulassung auch nicht verhältnismäßig, weil das anwaltliche Berufsrecht auch eine teilweise Untersagung des Tätigwerdens (§ 43a Abs. 4, §§ 45, 46c Abs. 2 BRAO) kenne und er bereit sei, dem Kammervorstand über seine ausschließlich strafrechtliche Tätigkeit Rechenschaft abzulegen.

b) Grundsätzlicher Klärungsbedarf ist damit nicht dargetan. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die Rechtsanwendung durch den Anwaltsgerichtshof in seinem konkreten Einzelfall, ohne aufzuzeigen, dass damit allgemein klärungsbedürftige Rechtsfragen verbunden wären. Das ist auch nicht der Fall. Die vom Kläger angesprochenen Fragen sind höchstrichterlich bereits grundsätzlich geklärt. Weiterer Klärungsbedarf ist auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht gegeben.

aa) Die Grundsätze für die Beurteilung, ob eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO verneint werden kann, sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt.

Danach ist – wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat – nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. etwa Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom 5. April 2019 – AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 6; vom 3. November 2021 – AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 11; vom 30. Dezember 2021 – AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15; vom 10. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 und vom 14. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 12; jeweils mwN). Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlichen abgesicherten Maßnahme verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom 5. April 2019 – AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 7; vom 3. November 2021 – AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 11; vom 30. Dezember 2021 – AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15; vom 10. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 und vom 14. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 12; jeweils mwN).

Anhand dieser Grundsätze lässt sich auch beurteilen, ob unter den vom Kläger genannten Umständen im Einzelfall eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen werden kann. Einer weiteren Grundsatzentscheidung bedarf es danach nicht.

bb) Keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits ergibt sich auch aus den Einwänden des Klägers gegen die Verhältnismäßigkeit des umfassenden Widerrufs seiner Zulassung.

Soweit der Kläger mit seinem Hinweis auf die in der Bundesrechtsanwaltsordnung geregelten Tätigkeits- und Vertretungsverbote (§ 43a Abs. 4, §§ 45, 46c Abs. 2 BRAO) sowie auf die Möglichkeit einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle seiner ausschließlich strafrechtlichen Tätigkeit geltend machen will, dass in seinem Fall ein teilweiser Widerruf seiner Zulassung (etwa für den Bereich des Zivilrechts) bzw. eine Beschränkung seiner Zulassung (auf den Bereich des Strafrechts) ausreichend gewesen wäre, um dem Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu genügen, hat der Senat bereits entschieden, dass ein solcher Teilwiderruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom Gesetz nicht vorgesehen ist und der gesetzlich verankerten Stellung des Rechtsanwalts widerspricht (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 20 ff.; siehe auch Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 BRAO Rn. 16a). Mit dieser gesetzlich bestimmten Stellung des Rechtsanwalts ist eine hoheitliche Beschränkung seiner Tätigkeit im Sinne einer Teilzulassung zur Rechtsanwaltschaft oder eines Teilwiderrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar. Vielmehr ist es die eigene Entscheidung des Rechtsanwalts, ob und inwieweit er von seiner grundsätzlich uneingeschränkten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und der daraus folgenden umfassenden Befugnis zur Rechtsberatung Gebrauch machen oder sich beruflichen Selbstbeschränkungen unterwerfen will (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 23 f.). Das Vorbringen des Klägers gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Ob die beruflichen Selbstbeschränkungen des Rechtsanwalts im Einzelfall ausreichen, um eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch seinen Vermögensverfall hinreichend auszuschließen, und vor diesem Hintergrund der umfassende Widerruf seiner Zulassung nicht geboten ist, ist nicht allgemein klärungsfähig, sondern auf der Grundlage der oben dargelegten Grundsätze der Senatsrechtsprechung nach den konkreten Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen……“

Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft mit dem „Eckpunktepapier“ 2023

Bild von nvodicka auf Pixabay

Im Mittagsposting dann heute keine Entscheidung, sondern ein Blick in die Zukunft oder auch in die Glaskugel. Es geht nämlich um Änderungen im RVG, die sich – nun ja, noch nicht ankündigen, aber immerhin – abzeichnen. Ist ja schon mal schön, das zu hören bzw. zu lesen.

Ausgangspunkt der Berichterstattung ist ein sog. Eckpunktepapier mit dem Titel: Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung in der 20. Legislaturperiode – Eckpunktepapier von DAV und BRAK – Mai 2023. Ja, richtig gelesen. „Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung“. Es ist mal wieder so weit. Die letzten linearen und/oder strukturellen Änderungen im RVG datieren aus der 19. Legislaturperiode. Diese Änderungen durch das 2. KostRÄG 2021 sind am 1.1.2021 in Kraft getreten. Um weitere/neue Änderungen „anzustoßen“, haben nun also DAV und BRAK im Mai 2023 gemeinsam dieses. Eckpunktepapier vorgelegt, in dem sie ihre Änderungswünsche/ – vorschläge formuliert haben. Ich stelle diese hier heute vor. In dem Papier heißt es:

„Die Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege gewährleistet den effektiven Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger und sichert dadurch die Errungenschaften des Rechtsstaats. Damit die Anwaltschaft ihrem Auftrag nachkommen kann, müssen die Rahmenbedingungen gewährleistet werden. Dazu gehört auch die zureichende Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit.

Deshalb setzt sich die Anwaltschaft für eine zeitnahe lineare Erhöhung der anwaltlichen Vergütung ein. Zudem bedarf es struktureller Änderungen und Ergänzungen im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Vor diesem Hintergrund fordern BRAK und DAV:

I. Lineare Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung

Die Anwaltschaft ist auf eine zeitnahe lineare Erhöhung ihrer Vergütung dringend angewiesen. Die hohen und stetig wachsenden Kosten, eine Kanzlei zu unterhalten, sowie die nach wie vor steigende Inflation, die sich insbesondere auch in der hohen bestehenden Kerninflation bestätigt, machen eine rasche Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung unumgänglich. Denn nur eine ausreichende Vergütung versetzt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dauerhaft in die Lage, den Zugang zum Recht in angemessener Weise zu garantieren. Darüber hinaus erfolgte durch die Erhöhung im Rahmen des KostRÄG 2021 keine vollständige Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung seit dem 2. KostRMoG 2013. Auch diese Differenz gilt es aufzuholen.

II. Strukturelle Änderungen und Klarstellungen

1. Anpassung der Zusatzgebühr nach Nr. 1010 VV RVG

Die Terminsgebühr nach Nr. 1010 VV RVG soll dahingehend geändert werden, dass diese unabhängig von der Durchführung einer Beweisaufnahme bei der Teilnahme an mehr als zwei gerichtlichen Terminen (sowohl gerichtliche einschließlich der vor einem Güterichter als auch von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumte Termine) mit einer Gesamtdauer von insgesamt mehr als 120 Minuten entsteht. Denn die im Jahr 2013 eingeführte Gebühr kommt in der Praxis aufgrund der hohen Hürde (Kombination aus besonders umfangreicher Beweisaufnahme und drei gerichtlichen Terminen) fast nie zur Anwendung. Rechtsanwälten entsteht allerdings bei mehreren Terminen ein erheblicher zusätzlicher Aufwand.

2. Inkassodienstleistungen –Nr. 2300 Anm. Abs. 2 VV RVG

Zum Schutz von Verbrauchern vor zu hohen Inkassokosten wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Inkassodienstleistungen zum 01.10.2021 bei der Geschäftsgebühr ein neuer Abs. 2 in Nr. 2300 VV RVG eingeführt. Bei unbestrittenen Forderungen gilt für Inkassodienstleistungen ein reduzierter Gebührenrahmen der Geschäftsgebühr. Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass im Hinblick auf die Erweiterung zulässiger Inkassodienstleistungen auch bei der klassischen anwaltlichen Geltendmachung von Forderungen sowohl aus unerlaubter Handlung als auch gegenüber Unternehmern die Gebühren vom Erstattungspflichtigen gekürzt werden, z. B. in Verkehrsunfallsachen durch den Haftpflichtversicherer.

Entsprechend Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung soll daher durch eine Ergänzung von Nr. 2300 Anm. Abs. 2 VV RVG klargestellt werden, dass der Gebührentatbestand nur bei Inkassodienstleistungen wegen vertraglicher Forderungen gegenüber Verbrauchern Anwendung findet.

3. Abschaffung des Schriftformerfordernisses bei Anwaltsrechnungen in § 10 RVG

In § 10 RVG soll das Schriftformerfordernis bei Rechtsanwaltsrechnungen durch die Textform ersetzt werden und zwar unabhängig von der Zustimmung des Mandanten. Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift passt nicht mehr in die digitalisierte Lebenswirklichkeit. Die Textform entspricht sehr viel stärker den Bedürfnissen der Praxis nach einer einfachen Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung. Von entscheidender Bedeutung sind die Richtigkeit, Angemessenheit und Kenntnisnahme der Rechnung durch die Rechtsanwälte. Diesen Voraussetzungen tragen die berufsrechtlichen Grundpflichten nach §§ 43, 43a BRAO Rechnung. Ferner verlangt bereits jetzt § 3a RVG für Vergütungsvereinbarungen nur die Textform.

4. Einführung von Gebühren für das strafrechtliche Zwischenverfahren

Das Strafverfahren ist in drei Abschnitte (Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren) geteilt, in denen Rechtsanwälte tätig sind. Eine Vergütung ist jedoch nur für das Ermittlungs- und das Hauptverfahren vorgesehen. Die vergütungsrechtliche Regelung widerspricht damit der prozessrechtlichen Struktur des Strafverfahrens. Darüber hinaus besteht im Zwischenverfahren ein erheblicher Arbeitsaufwand für Rechtsanwälte. Dabei erhalten Beschuldigte und ihre Vertreter erstmalig Gelegenheit festzustellen und zu prüfen, welche konkreten Vorwürfe erhoben werden und welche Beweismittel zur Verfügung stehen. Erst in diesem Stadium besteht die Möglichkeit, zur Sach- und Rechtslage umfassend Stellung zu nehmen. Dem ist durch die Schaffung einer gesonderten Gebühr für das Zwischenverfahren Rechnung zu tragen.

5. Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands

In § 48 RVG soll eine Vergütungsregelung für die Zeugenbeistandsleistung von Rechtsanwälten, die nach § 68b StPO beigeordnet sind, dahingehend normiert werden, dass sich die Beiordnung auf alle vorbereitenden und nachsorgenden Tätigkeiten erstreckt.

Der Zeugenbeistand wird durch den Zeugen für eine Vielzahl von Tätigkeiten beauftragt (u. a. Erstberatung, ggf. Akteneinsicht beim Opferzeugen, Vorbereitung des Termins, Begleitung im Termin, ggf. Vertretung bei Anträgen des Zeugen auf Schutzeinrichtungen). Die Beiordnung kann nach § 68b StPO durch Wortlautauslegung als Beistand nur für die Dauer der Vernehmung erfolgen. Danach hat der Zeugenbeistand gegenüber der Landeskasse nur einen Anspruch auf Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, also nur auf einen geringen Bruchteil dessen, was der Auftraggeber schuldet. Dies ist unangemessen und benachteiligt insbesondere den Zeugen.

6. Anpassung der Grenze in § 49 RVG bei PKH/VKH und Anhebung der Kappungsgrenze

Die Grenze reduzierter PKH-Gebühren soll auf 5.000 Euro Gegenstandswert angehoben werden. In allen Kostengesetzen sowie im RVG wurden die Auffangwerte auf 5.000 Euro vereinheitlicht. Eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Bewertung besteht nicht.

Zudem soll die Kappungsgrenze in § 49 RVG zur Anpassung an die Inflationsentwicklung auf 100.000 Euro angehoben werden.

7. Anhebung der Gegenstandswerte in Kindschafts- sowie Gewaltschutz- und Abstammungssachen

Die Verfahrenswerte in isolierten Kindschaftssachen nach § 45 FamGKG (Höchstgrenze § 44 Abs. 2 FamGKG) sollen auf 5.000 Euro angehoben werden. Sachliche Gründe, die eine vom üblichen Auffangwert abweichende Bestimmung des Verfahrenswertes rechtfertigen, gibt es nicht. Darüber hinaus soll jedes Kind bei der Wertberechnung gesondert berücksichtigt werden. Jedes Kind ist ein Individuum und hat ein Recht auf eigenständige Berücksichtigung seiner subjektiven Interessen im gerichtlichen Verfahren. Diese können auch bei Geschwisterkindern erheblich voneinander abweichen. Für eine angemessene Wertbestimmung ist es daher erforderlich, dass jedes Kind isoliert als Subjekt angesehen und der Wert pro Kind in Ansatz gebracht wird.

Auch die Verfahrenswerte in Gewaltschutzsachen nach dem GewSchG sind mit nur 2.000 Euro bzw. 3.000 Euro bei Wohnungsüberlassung nach § 49 FamGKG sowie in Abstammungssachen mit 2.000 Euro nach § 47 FamGKG deutlich zu niedrig bemessen. Diese Werte wurden seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr angehoben und sind entsprechend anzupassen.

8. Auslagentatbestände:

a) Änderung der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG

Nach der jetzigen Regelung werden nur Kopien, keine Scans vergütet. Eine Ungleichbehandlung von Kopien und Scans ist sachlich nicht gerechtfertigt, da der Personalaufwand identisch ist und höhere Kosten für leistungsfähige Geräte zur Erstellung von Scans anfallen. Ebenso besteht eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit den Steuerberatern, die nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 StBVV die Dokumentenpauschale nach wie vor für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten, also auch Scans, und nicht nur für Kopien erhalten.

Daher soll Nr. 1 der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG klarstellend dahingehend ergänzt werden, dass auch das Einscannen von in Papierform vorliegenden Akten zur weiteren Bearbeitung als elektronische Akte von der Pauschale erfasst wird.

b) Erhöhung der Fahrtkostenpauschale nach Nr. 7003 VV RVG

Die Kilometerpauschale von 0,42 Euro ist aufgrund der enorm gestiegenen Kraftstoffpreise nicht mehr kostendeckend und soll auf mindestens 0,50 Euro angehoben werden. Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Kraftstoffpreis bei 152,2 Cent/Liter und im Jahr 2022 sogar bei 186,0 Cent/Liter; aktuell (April 2023) liegt er bei 180,5 Cent/Liter. Hinzukommen die gestiegenen tatsächlichen Autokosten.

9. Angelegenheitsbegriff, § 17 RVG

Der Wegfall von § 15 Abs. 2 S. 2 RVG a. F. durch das 2. KostRMoG im Jahr 2013 führte dazu, dass die Rechtsprechung teilweise verschiedene Verfahren als nur eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit annimmt. Eine Änderung der vorher geltenden Rechtslage war durch den Wegfall jedoch nicht beabsichtigt.

Durch eine entsprechende Ergänzung des § 17 Abs. 1 Nr. 1 RVG soll klargestellt werden, dass jedes einzelne behördliche, verwaltungsrechtliche und gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind.

10. Fiktive Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG auch bei vorgeschriebener Erörterung

Durch eine Ergänzung der Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 VV RVG um Erörterungstermine soll klargestellt werden, dass der Gebührentatbestand auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen ein Erörterungstermin vorgeschrieben ist, Anwendung findet. Aufgrund des derzeitigen Wortlauts, der nur mündliche Verhandlungen umfasst, verneint die Rechtsprechung teilweise die Möglichkeit des Anfalls einer fiktiven Terminsgebühr in Angelegenheiten, in denen eine Erörterung vom Gesetz vorgeschrieben ist. Eine unterschiedliche gebührenrechtliche Bewertung bei der Vermeidung von vorgeschriebener mündlicher Verhandlung und Erörterung ist jedoch sachlich nicht zu rechtfertigen.2

Eine bunte Mischung. Insgesamt kann man die Vorschläge nur unterstützen. Dahin stehen soll an dieser Stelle auch, ob sich nicht weitere Änderungen/Ergänzungen empfehlen würden. Die würden aber sicherlich den Rahmen eines KostRÄG sprengen und eher für ein 3. KostRMoG sprechen. Aber auch die Umsetzung der vorgeschlagenen Änderungen würde dem anwaltlichen Gebührenrecht gut tun. Man kann nur hoffen, dass sie kommen Und man kann nur hoffen, dass sie bald in Angriff genommen werden. Denn die laufende 20. Legislaturperiode endet im Herbst 2025. Viel Zeit für Änderungen im RVG ist also nicht mehr. Allerdings: Ich habe Zweifel, ob das alles kommt. Ich höre schon die Länderfinanzminster rufen: Wir haben kein Geld. Andererseits: In 2025 sind Wahlen. Da wird man sicherlich vorher auch die Rechtsanwälte „positiv stimmen wollen“.

Und: Einen Beitrag zu den Änderungen von mir gibt es inzwischen auch. Der ist in StRR 8/2023, 13 ff. veröffentlicht. Titel: Änderung im RVG in der 20. Legislaturperiode, oder:
Eckpunktepapier von DAV/BRAK aus Mai 2023
. Er enthält eine erste, etwas konkrete Einschätzung der Vorschläge.

Wenn die Rechtsanwaltskammer Gutachten erstattet, oder: Sind die Kosten erstattungsfähig?

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung dann etwas zu § 14 RVG. Es geht aber nicht um die richtige Bemessung der Rahmengebühr, sondern um eine Problematik des § 14 Abs. 3 RVG – Stichwort: Gutachten der RAK.

Folgender Sachverhalt: In dem Strafverfahren, das gegen den ehemaligen Angeklagten wegen versuchter Gebührenüberhöhung u.a. geführt worden war, hat die Staatsanwaltschaft  noch vor Anklageerhebung die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg um eine gutachterliche Stellungnahme gebeten, und zwar zu verschiedenen Fragen gebeten, die nichts mit der Höhe von (Rahmen)Gebühren zu tun hatten.

Als Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg erstattete dann eine Rechtsanwältin  unter dem 03. März 2020 eine Stellungnahme gemäß § 73 Abs. 2 Ziffer 8 BRAO. In Folge beantragte die Staatsanwaltschaft dann beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls gegen den ehemaligen Angeklagten wegen versuchter Gebührenüberhöhung und Beleidigung, der aerlassen wurde. Als Sachverständige wurde die Rechtsanwältin benannt.

Nachdem der ehemalige Angeklagte fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, beraumte das Amtsgericht Hauptverhandlung an und lud die Rechtsanwältin als Sachverständige. Im Hauptverhandlungstermin erstattete diese ihr Gutachten, wobei sich die Rechtsanwältin nicht nur zur Höhe der geforderten Vergütung, sondern auch unter Würdigung der Zeugenaussagen zum Zustandekommen eines Beratungsvertrages äußerte. Der ehemalige Angeklagte wurde schließlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Für ihre Teilnahme an der Hauptverhandlung wurde die Rechtsanwältin mit 736,68 EUR entschädigt.

 Nachdem der ehemalige Angeklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, wurde die Rechtsanwältin zur Berufungshauptverhandlung ebenfalls als Sachverständige geladen. Der ehemalige Angeklagte wurde im Ergebnis der Hauptverhandlung freigesprochen. Die Rechtsanwältin macht hier ein Honorar und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 947,76 EUR geltend. Der Beleg über die Auszahlung von Sachverständigen-, Dolmetscher- u. Übersetzungsvergütung wurde von der Vorsitzenden mit dem Vermerk unterzeichnet, dass die Sachverständige bestimmungsgemäß zu vergüten sei und die getätigten Angaben zuträfen.

Die Bezirksrevisorin „meckert“. Sie sieht eine Erstattungsfähigkeit als nicht gegeben an, weil die Rechtsanwaltskammer kraft Gesetzes verpflichtet sei, (Gebühren-) Gutachten bzw. Stellungnahmen zu erstellen (§ 73 Abs. 2 Nr. 8, § 177 Abs. 2 Nr. 5 BRAO). Diese Gutachten/Stellungnahmen (im Rahmen von § 3a RVG bzw. § 14 RVG) stellten keine Heranziehung zu Beweiszwecken dar und seien daher nicht nach dem JVEG zu entschädigen.

Das hat das OLG dann im OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.06.2023 – 1 Ws 12/23 (S) – schließlich anders gesehen:

„Die Beschwerde der Bezirksrevisorin erweist sich als unbegründet.

Bei der Heranziehung der Rechtsanwältin („Name 01“) im Termin der Hauptverhandlung des Landgerichts („Ort 01“) vom 07. April 2022 handelt es sich nicht um eine gutachtliche Leistung der Rechtsanwaltskammer im Sinne von § 14 Abs. 3 RVG, denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes (§ 14 Abs. 3 Satz 1 RVG) und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zur Einführung des RVG – BT-Drucks 15/1971, Seite 234) beschränkt sich die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift auf die Fälle der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer durch das Gericht in einem Rechtsstreit über die Höhe der Rahmengebühr zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Damit sind die Anwendungsfälle auf Zivilstreitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandanten beschränkt. Fälle der Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder durch die Strafgerichte sind unabhängig von § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO davon nicht erfasst.

Da Kostenrecht einer Auslegung nicht zugänglich ist, scheidet eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 14 Abs. 3 RVG und insbesondere des dortigen Satzes 2 auf gutachterliche Leistungen, die durch die Heranziehung der Staatsanwaltschaft oder der Strafgerichte erfolgen, aus.

Darüber hinaus kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass im Hauptverhandlungstermin des Berufungsgerichts von der Rechtsanwältin (nur) ein Gebührengutachten im materiell rechtlichen Sinne von § 14 Abs. 3 RVG erstattet wurde.

Zwar lässt sich den Urteilsgründen des freisprechenden Urteils lediglich entnehmen, dass die Rechtsanwältin die vom ehemaligen Angeklagten erstellte Kostennote geprüft und als nicht zu beanstanden bewertet habe. Zum Zeitpunkt der Ladung der Rechtsanwältin als Sachverständige durch die Vorsitzende der Berufungskammer stand aber das gesamte erstinstanzliche Urteil zur Überprüfung an, mithin auch die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang ein kostenpflichtiger Vertrag dem Grunde nach zustande gekommen war. Denn diese Frage war auch Gegenstand der schriftlichen gutachterlichen Stellungnahme vom 03. März 2020. Vorliegend diente das Gutachten hiernach auch der Klärung streitiger Tatsachen und ging über eine amtliche Äußerung der Rechtsanwaltskammer zur Gebührenhöhe deutlich hinaus.

Eine Beschränkung des Beweisthemas allein auf die Höhe der geltend gemachten und ggf. berechtigten Gebühren hat die Vorsitzende bei der Verfügung der Ladung der Rechtsanwältin als Sachverständige nicht vorgenommen und folgerichtig auf dem Beleg über die Auszahlung von Sachverständigen-, Dolmetscher- und Übersetzungsvergütung angeordnet, dass die Sachverständige bestimmungsgemäß zu vergüten sei.

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, der dem Beschluss des LG Baden-Baden vom 12. Januar 20002 -1 AR 24/00 – zugrunde lag, bei dem es ausschließlich um die Erstattung eines von der Staatsanwaltschaft beauftragten schriftlichen Gebührengutachtens und nicht um eine Beweisaufnahme im Rahmen einer gerichtlichen Hauptverhandlung ging.

Die von der Rechtsanwältin erbrachte „sonstige“ gutachtliche Leistung ist mithin vergütungsfähig nach den Vorschriften des JVEG, denn erfolgt die Gutachtenerstellung nach der Allgemeinvorschrift des § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO, ist die Kostenfreiheit nicht gewährleistet (vgl. N. Schneider in: Schneider/Volpert, AnwK RVG, § 14 Rahmengebühren, Rn. 151)

Die Höhe der geltend gemachten Gebühren ist nicht zu beanstanden.“