Pflichti II: Unfähigkeit zur Selbstverteidigung, oder: Waffengleichheit

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Itzehoe, Beschl. v. 04.12.2018 – 2 Qs 130/18, behandelt mal wieder die Problematik der Waffengleichheit, und zwar zu Gunsten des Angeklagten:

„Zwar wiegt die dem Angeklagten zu 4) vorgeworfene Tat nicht schwer i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO. Vorgeworfen wird dem Angeklagten zu 4) eine gefährliche Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Der Angeklagte zu 4) ist dabei auch einschlägig vorbestraft Allerdings stammt die einschlägige Tat bereits vom 08.02.2009 und wurde lediglich mit der Mindest- Freiheitsstrafe von 6 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung geahndet. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 08.08.2011 erlassen. Neben dieser Vorstrafe existiert lediglich eine weitere Vorstrafe. Der Angeklagte zu 4) wurde am 19.03.2018 (rechtskräftig seit dem 07.04.2018) wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jähr ist daher nach dem derzeitigen Stand nicht ohne weiteres zu erwarten.

Auch eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage liegt nicht vor. Zwar haben die Angeklagten zu 1) und zu 3) eine eigene Beteiligung an der Tat abgestritten. Der Angeklagte zu 2) hat sich bislang nicht eingelassen. Es sind somit bis zu vier unterschiedliche Aussagen der Angeklagten zu erwarten, denen sieben Zeugenaussagen gegenüberstehen. Dies stellt aber noch keine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage dar, sondern ist vielmehr eine übliche Konstellation in Verfahren vor dem Strafrichter beim Amtsgericht.

Allerdings ist nicht nur ein weiterer Mitangeklagter anwaltlich vertreten, sondern auch die zwei Nebenkläger. Auf deren Anträge hin wurden diese mit Beschlüssen vom 05.02.2018 als Nebenkläger gern. § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO zugelassen. Zwar wurden die Nebenklägervertreter nicht nach den §§ 397 a und 406 h StPO beigeordnet, weshalb die Notwendigkeit der Verteidigung nicht bereits direkt aus § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO folgt. Es ist daher eine Einzelfallentscheidung über die Notwendigkeit der Pflichtverteidigung zu treffen (vgl. Meyer- Goßner, aa0, Rn. 31). Dabei ist vor allem die Wahrung eines fairen Verfahrens zu beachten (Lüderssen/ Jahn in Löwe- Rosenberg StPO, 26. Auflage, § 140, Rn. 36). Vorliegend ist dabei zu beachten, dass zwei der Mitangeklagten jegliche Tatbeteiligung von sich weisen, während von dem weiteren Mitangeklagten noch nicht bekannt ist, ob sich dieser einlassen wird und wie eine Einlassung ggf. ausfallen würde. Einer der Mitangeklagten hat zudem einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung beauftragt. Auch die Nebenkläger haben Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung beauftragt. In dieser Situation macht es für den Angeklagten zu 4) keinen Unterschied, dass die Verletzten und der Mitangeklagte die Rechtsanwälte auf eigene Kosten und nicht auf Kosten des Staates beauftragt haben. Der Angeklagte sieht sich vielmehr einer Situation ausgesetzt, in der drei Rechtsanwälte die Interessen anderer Verfahrensbeteiligter vertreten. In dieser Situation gebietet der Grundsatz der Waffengleichheit, auch dem Angeklagten zu 4) einen Verteidiger beizuordnen.

Der Beiordnung steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte zu 4) bereits einen Wahlverteidiger hat. Der Wahlverteidiger hat für den Fall der Beiordnung bereits erklärt, sein Wahlmandat niederzulegen.“

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