Beweisantrag I: Bedeutungslose Tatsache, oder. Dauerbrenner Ablehnungsbegründung

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Heute dann drei Entscheidungen aus dem Beweisantragsrecht (§ 244 StPO).

Ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 06.12.2018 – 4 StR 484/18. Thematik. Einer der Dauerbrenner im Bewesiantragsrecht, nämlich die Fage der Ablehnung eines Beweisantrages mit der Begründung „bedeutungslose“ Tatsache. Der Angeklagte hatte in dem Verfahren, in dem ihm u.a. eine Vergewaltigung der Nebenklägering vorgeworfen worden ist, einen Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Angeklagte mit der Nebenklägerin Anfang Mai 2017 in der Wohnung des Zeugen gewesen sei. Dadurch werde bewiesen, dass die Angaben der Nebenklägerin zum Tatablauf nicht stimmen könnten.

Das Landgericht hat diesen Antrag nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt und ausgeführt, dass die zu beweisende Tatsache aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung sei. Selbst wenn der Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen würde, lasse dies keinen Schluss darauf zu, ob die Vergewaltigung stattgefunden habe. Auch wäre die Beweistatsache im Fall ihres Nachweises nicht geeignet, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. zu beeinflussen, denn die Frage, ob der Angeklagte mit der Zeugin G. in der Wohnung des Zeugen T. gewesen sei, betreffe nicht das eigentliche Tatgeschehen und damit den Kernbereich der Aussage der Zeugin G. .

Der BGH hebt auf:

„3. Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie die Beweistatsache in ihrer Bedeutung als Indiztatsache für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. nicht umfassend in den Blick nimmt.

a) Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, weil sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2018 – 3 StR 342/17, NStZ-RR 2018, 188 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 – 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220). Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen. Aus ihnen muss sich ergeben, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 – 1 StR 300/15, NStZ-RR 2015, 315 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 – 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Trüg/Habetha in MünchKommStPO, § 244 Rn. 260 i.V.m. Fn. 1547).

b) Vor diesem Hintergrund greift die Begründung, mit der die Strafkammer die beantragte Beweisaufnahme abgelehnt hat, unter den hier gegebenen Umständen zu kurz. Soweit sie dabei – im Ansatz zutreffend – die Beweistatsache auch im Hinblick auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin in den Blick genommen hat, hat sie nur darauf abgestellt, inwieweit diese Tatsache Rückschlüsse auf das Tatgeschehen als solches zulässt. An dieser Stelle hätte aber auch erwogen werden müssen, ob und inwieweit hierdurch die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin zu den Kontakten mit dem Angeklagten außerhalb des Tatgeschehens (nach ihrer Aussage nur beim Verkauf des Fernsehers wenige Tage später und im November 2017) erschüttert wird und – sofern dies der Fall sein sollte – ob sich daraus ein Rückschluss auf eine Aussagesteuerung ergibt, die auch ihre Bekundungen zu dem das Tatgeschehen ausmachenden unfreiwilligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten in Frage stellt. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte mit der Einlassung verteidigt hat, ein mehrtägiges Verhältnis zu der Zeugin gehabt zu haben, bei dem es zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen sei.“

Wie gesagt: Dauerbrennerproiblematiuk, zu der auch der BGH, Beschl. v. 28.11.2018 – 3 StR 429/18 – passt.

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