BtM-Bestellung/Handel via Internet, oder: Nichteröffnung aus tatsächlichen Gründen

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Und die dritte Entscheidung kommt dann auch aus Berlin. Der Kollege Schönrock hat mir zur Vervollständigung der Sammlung von Entscheidungen zur Nichteröffnung von BtM-Verfahren mit dem Vorwurf des Handeltreibens – Stichtwort: Internetbestellung/Darknet – den AG Tiergarten, Beschl. v. 20.06.2018 – (268 Ls) 273 Js 5719/16 (56/17) – geschickt. Das AG Tiergarten hat (auch) nicht eröffnet:

„Dem Angeschuldigten wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 21.08.2017 zur Last gelegt, zwischen dem 30.01. und 02.04.2016 durch vier selbständige Handlungen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben (§§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB).

Der Angeschuldigte bestellte an folgenden Tagen über Internet über die

Website „chemical-love. to“ bzw. „chemical-love.cc“ folgende Betäubungsmittel zum Versand an seine Wohnanschrift in der pp. Berlin:

  1. Am 03.01.2016: 50 g Amfetamin
  2. Am 30.01.2016: 100 g Amfetamin und 5 Stück pinkfarbene Tabletten des Wirkstoffes MDMA (3,4-Methylendioxymethamfetamin)
  3. Am 29.02.2016: 100 g Amfetamin
  4. Am 02.04.2016: 100 g Amfetamin

Der Angeschuldigte handelte in allen Fällen in der Absicht, die Substanzen gewinnbringend zu verkaufen. Zudem war ihm jeweils bewusst, dass er nicht über die zum Vertrieb der genannten Substanzen erforderliche Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte verfügte.

Verbrechen, strafbar nach §§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage III, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB

Zwar gibt es eine Packliste, die bei den Betreibern des Webshops „chemical-Love“, aus der sich als billing-address und shipping address der Name und die Anschrift des Angeklagten ergibt. Aus dem bei ihm sichergestellten Lebenslauf des Angeklagten ergibt sich, dass er Amphetamin, Kokain und Heroin konsumierte.

Es kann jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob der Angeklagte die Betäubungsmittel selbst bestellt und auch tatsächlich selbst erhalten hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit Betäubungsmittel Handel getrieben hat. Aus seinem Lebenslauf ergibt sich darüber hinaus nicht, wann er Amphetamin in welchen Mengen konsumiert hat.

Bei der Wohnungsdurchsuchung sind keine Betäubungsmittel sichergestellt worden.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens war daher gemäß § 204 Abs. 1 St PO aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.“

Wer mehr solche Entscheidungen sucht: Bitte einfach bei der Suche unter „Darknet“ oder „Internet“ suchen. Das gibt dann einige Treffer.

5 Gedanken zu „BtM-Bestellung/Handel via Internet, oder: Nichteröffnung aus tatsächlichen Gründen

  1. Jurist

    Diese Anklage wundert mich. Hat es sich nicht bis nach Berlin rumgesprochen, dass eine vermeintliche BtM-Bestellung im Internet mit der Adresse des Beschuldigten nicht ausreicht, wenn eine Durchsuchung ohne Ergebnis verläuft? Oder hängen die Berliner Gerichte einfach so hinterher?

    In Süddeutschland habe ich jedenfalls in einem ähnlich gelagerten Fall gerade erst wieder eine zügige Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erreicht. Dort weiß man offenbar, was ein hinreichender Tatverdacht ist und was nicht…

  2. Jurist

    Ja, zu Recht, aber warum wurde es überhaupt angeklagt? Die Frage ist doch hinlänglich geklärt, sodass die Ablehnung vorhersehbar war und niemals ein hinreichender Tatverdacht hätte angenommen werden dürfen. Kann ich mir eigentlich nur so erklären, dass die Anklage schon älter ist.

  3. RA Mathias Grasel

    Ja, man sollte meinen, dass solche Sachverhalte gar nicht erst bei Gericht landen.
    Bei mir wurden mittlerweile über ein Dutzend solcher Fälle nach § 170 II StPO eingestellt.
    Nur einer wurde nach über einem Jahr im Zwischenverfahren tatsächlich eröffnet und zwar beim Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal. Bin gespannt was dabei rauskommen soll.

  4. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Ich verstehe die Aufregung jetzt nicht. Das Gericht hat die Eröffnung abgelehnt und gut ist. Mit Formulierungen wie „niemals“ o.Ä. muss man immer etwas vorsichtig sein. Und Anklagedatum ergibt sich aus dem Beschluss: „21.08.2017“.

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