Bei Karstadt Parfum geklaut, oder: Vollendung oder nur Versuch?

entnommen wikimedia.org
Author Santeri Wiinamäki

Und als zweite Entscheidung bringe ich dann heute den KG, Beschl. v. 22.10.2018 – (2) 161 Ss 59/18 (12/18) – mit einem „Dauerbrennerthema“, nämlich der Frage nach der Vollendung eines Diebstahls im Selbstbedienungsgeschäft. Dazu das KG:

„Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts hielt sich der Angeklagte am 30. Juli 2016 in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses Karstadt  auf. Er entnahm den Auslagen vier Packungen mit Parfüm zum Gesamtverkaufspreis von 438,96 Euro (1 x Jean Paul G EDT 200 ml; Aqua di Gio 180 ml; Bvlgari EDT 100 ml; Spice Bomb EDT 90 ml) und hielt die vier Packungen vor seinem Körper mit Armen und Händen. Mit den Packungen vor seinem Körper bewegte er sich langsam durch das Erdgeschoss, wobei er sich immer wieder umschaute und auch an einer Auslage stehen blieb. Er hatte Kopfhörer im Ohr und telefonierte. Eine Kasse steuerte er nicht an, sondern bewegte sich allmählich zum Ausgang, wobei er die Packungen weiterhin vor seinem Körper trug. Beim Verlassen des Geschäfts ertönte eine Warensicherungsanlage und der Angeklagte wurde von zwei Sicherheitsmitarbeitern festgehalten und ohne Widerstand ins Büro geführt. Der Angeklagte handelte, um das Parfüm ohne Bezahlung für sich zu behalten. Während der gesamten Zeit trug er eine Umhängetasche über der Schulter, deren Taschenfach sich in Hüfthöhe befand. Im Hauptfach war ein Pfefferspray sowie ein 11 cm langer Maulschlüssel, der an einem Ende spitz angeschliffen war. Diese Gegenstände führte der Angeklagte zur Selbstverteidigung bei sich.

1. In dieser Handlung hat das Amtsgericht zu Unrecht einen vollendeten Diebstahl mit Waffen gesehen. Die Wegnahme im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB ist erst dann vollendet, wenn der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie unbehindert durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits über die Sache nicht mehr verfügen kann. Im Selbstbedienungsladen liegt eine vollendete Wegnahme durch den Täter, der die Kassenzone noch nicht passiert hat, insbesondere vor, wenn der Täter Sachen geringen Umfangs einsteckt oder sie sonst verbirgt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 – 2 StR 145/13 –). Das war hier aber noch nicht geschehen, denn der Angeklagte trug die Flaschen mit dem Parfüm sichtbar vor seinem Körper, als er das Kaufhaus nach den getroffenen Feststellungen mit dem Parfüm verlassen wollte. Allein das „offene“ Wegtragen vor dem Körper begründete innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers noch keine Gewahrsamsenklave. Hiernach war die Wegnahme der Waren versucht aber noch nicht vollendet.

Dabei führte der Angeklagte auch Waffen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB bei sich.

a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tatmittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB 65. Aufl., § 244 Rn. 4) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 308) handelt. Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH aaO), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH NStZ 2012, 571).

Aus den zu der Tat getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des versuchten Diebstahls des Parfüms „bei sich geführt hat“. Für dieses Merkmal genügt, wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (vgl. BGH StraFo 2017, 378). Der Grund für die gegenüber dem Grundtatbestand höhere Strafdrohung liegt gerade in der mit dem Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes einhergehenden erhöhten abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die ihrerseits ihre Ursache in der latenten Gefahr des Einsatzes der fraglichen Gegenstände als Nötigungsmittel findet.

b) Auch bei dem spitz angeschliffenen Maulschlüssel handelt es sich – ähnlich wie bei einem Multifunktionswerkzeug (vgl. KG, Beschluss vom 31. Mai 2012 – [4] 121 Ss 91/12 [124/12]) – um einen gefährlichen Gegenstand. Denn er ist geeignet, Personen nicht unerhebliche Verletzungen zuzufügen. Die vorgenommene Manipulation hat das Amtsgericht ausreichend festgestellt. Einer Verwendungsabsicht bedarf es auch hier nicht…………..“

Ergebnis: Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

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