OWi II: Keine Schuldform im Bußgeldbescheid, oder: Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung

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Und als zweite Entscheidung dann eine zum Bußgeldverfahren. Es handelt sich um den OLG Köln, Beschl. v. 17.07.2018 – 1 RBs 197/18. Im Verfahren ist gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 67 km/h außerorts ergangen. Rechtsfolgen: Geldbuße von 880 € und ein zweimonatiges Fahrverbot. Der Betroffenen legt Einspruch ein. Das AG verurteilt ihn dann wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 600 € und einem Fahrverbot von zwei Monaten.

Verfahrensmäßig interessant: Der Betroffene hatte in der Hauptverhandlung seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt. Um die Wirksamkeit dieser Beschränkung wird gestritten. Das OLG hat die Beschränkung als wirksam angesehen:

„1. Die Annahme des Tatgerichts, der Betroffene habe die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsübertretung vorsätzlich begangen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ihr steht die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen entgegen.

a)  Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit ist auch eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen möglich (KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 [382 f.] = NZV 2002, 137 [138]; KG VRS 130, 244). Eine solche ist vorliegend erklärt.

b) Ihr kann auch die Wirksamkeit nicht versagt werden. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt tatsächliche Feststellungen voraus, die geeignet sind, eine hinreichend sichere Grundlage für die Bemessung der Rechtsfolgen darzustellen. Sind hingegen die Feststellungen so knapp, unvollständig oder widersprüchlich, dass sie diese Funktion nicht zu erfüllen vermögen, ist die erklärte Beschränkung unwirksam (vgl. allgemein BGH NJW 2017, 2482 [2483]). So kann es sich namentlich verhalten, wenn bei Delikten, die bei vorsätzlicher ebenso wie bei fahrlässiger Begehung sanktioniert sind, Unklarheit über die zugrunde gelegte Schuldform herrscht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 318 Rz. 17 m. N.). Diese Grundsätze gelten auch für das Bußgeldverfahren (vgl. KK-OWiG-Ellbogen, 5. Auflage 2017, § 67 Rz. 57).

aa) Hiervon ausgehend ist für den Streitfall zunächst zu konstatieren, dass der Bußgeldbescheid vom 12. April 2017 ausdrückliche Feststellungen zur Schuldform nicht enthält.

bb) In Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist, dass es einer ausdrücklichen Angabe der Schuldform nicht bedarf, vielmehr von fahrlässigem Handeln auszugehen ist, wenn die Bußgeldbehörde ihrer Sanktionsbemessung einen Regelsatz der BKatV zugrunde legt, da die Regelsätze von fahrlässigem Handeln ausgehen (Brandenburgisches OLG B. v. 20.02.2017 – (1) 53 Ss-OWi 56/17 (34/17) – bei Juris; OLG Oldenburg VRS 130, 65 = DAR 2016, 472; KG VRS 114, 47; OLG Naumburg NStZ-RR 2005, 243; KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 = NZV 2002, 137; Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rz. 34e; KK-Ellbogen a.a.O.). So verhält es sich hier indessen nicht; vielmehr hat die Bußgeldbehörde den Regelsatz von 440,- EUR und 880,- EUR verdoppelt.

cc) Auch dies hindert allerdings nicht unter allen Umständen die Annahme, aus dem Bußgeldbescheid selbst ergebe sich die Zugrundelegung nur fahrlässigen Verhaltens durch die Behörde. Vielmehr erscheint es möglich, im Einzelfall trotz Erhöhung des Regelsatzes verlässlich auf die angenommene Schuldform zurückzuschließen und diese so dem Bußgeldbescheid selbst zu entnehmen. Dies haben das OLG Hamm (B. v. 19.08.2008 – 5 Ss OWi 439/08 – bei Juris Tz. 27) und das OLG Jena (VRS 112, 359 – bei Juris Tz. 11) erwogen, es im konkreten Fall aber mangels ausreichender diesbezüglicher Anhaltspunkte abgelehnt. In beiden Fällen blieb nämlich offen, ob die Erhöhung des Bußgeldes wegen Vorsatzes oder wegen der Vorbelastungen erfolgt war. Hier ergibt sich indessen aus dem Bußgeldbescheid, dass die Bußgeldbehörde die Regelsanktion (ausschließlich) mit Blick auf die einschlägige verkehrsrechtliche Vorbelastung des Betroffenen verdoppelt und dessen mögliches vorsätzliches Verhalten nicht in den Blick genommen hat.

Lässt demnach der Bußgeldbescheid die Annahme fahrlässigen Verhaltens hinreichend erkennen, erweist sich die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen als wirksam; das Tatgericht – das sich zutreffend an die Feststellungen im Bußgeldbescheid gebunden gesehen hat – durfte hiervon nicht abweichen.“

Folgen: Keine, denn das OLG hat nur die Schuldform geändert, es im Übrigen aber bei der amtsgerichtlichen Entscheidung belassen. Ergebnis: Viel Lärm um fast Nichts.

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