Am heutigen Donnerstag dann mal ein Tag der Vollstreckungs/Bewährungsentscheidungen. Den Opener macht das KG, Urt. v. 15.08.2018 – (3) 121 Ss 123/18 (18/18)–, über das ich schon einmal berichtet habe (vgl. hier: Rechtsmittel I: Beschränkung der Berufung auf die Sperrfrist, oder: Wirksam?).
Heute geht es um die vom KG entschiedene materielle Frage, nämlich: Bewährung bei Bewährungsversager. Die Problematik ist in der Praxis ja (leider) nicht selten. So auch hier. Das LG hatte dem Angeklagten Straufaussetzung zur Bewährung gewährt (§ 56 StGB), obwohl er immer wieder wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Erscheiung getreten war. Das KG moniert, dass das LG der in diesem Fall erhöhten Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist:
„Bei einem schon mehrfach und dabei – wie vorliegend – auch wiederholt wegen einschlägiger Delikte vorbestraften Täter, der schon frühere Bewährungsfristen nicht bestanden oder die neue Tat während laufender Bewährung begangen hat – beides ist bei dem Angeklagten der Fall –, sind erhöhte Anforderungen an die Begründung einer dennoch bewilligten erneuten Strafaussetzung zur Bewährung zu stellen. Es sind die (besonderen) Umstände darzulegen, aus denen das Gericht trotz der mit dem Täter bisher gemachten negativen Erfahrungen die positive Erwartung herleitet. Denn der Täter hat durch seine neuerliche Straffälligkeit gezeigt, dass er nicht willens oder fähig ist, sich frühere Verurteilungen zur Warnung dienen zu lassen. Bei ihm kann daher in der Regel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er sich anders als in der Vergangenheit verhalten, sich also in Zukunft straffrei führen wird. Die vorbezeichneten Umstände müssen in den Urteilsgründen im Rahmen einer Gesamtwürdigung dargelegt werden, wobei eine Gegenüberstellung der bisherigen und der gegenwärtigen Lebensverhältnisse des Täters erforderlich ist und es einer eingehenden Auseinandersetzung mit den Vortaten und den Umständen, unter denen sie begangen wurden, bedarf (vgl. KG, Urteile vom 17. Januar 2018, 20. Januar 2017, 13. April 2016 und 13. Dezember 2006 jeweils a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen kann die angefochtene Aussetzungsentscheidung keinen Bestand haben.
b) Im Ansatz zunächst zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es angesichts der Vorbelastungen des Angeklagten besonderer Umstände bedarf, um gleichwohl zu einer günstigen Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB zu gelangen. Jedoch ist die Darstellung der besonderen Umstände lückenhaft.
aa) Zwar hat das Landgericht die Delinquenzgeschichte des Angeklagten rechtsfehlerfrei als prognostisch ungünstigen Faktor berücksichtigt und seine Vortaten – insbesondere soweit es sich dabei um insgesamt 12 Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis handelt –, wegen derer er seit dem Jahre 2003 mehrfach zu Geld- und – teils unbedingten – Haftstrafen verurteilt worden ist, aufgeführt. Jedoch wäre es darüber hinaus erforderlich aber auch ausreichend gewesen, die der letzten, die zur hiesigen Tatzeit laufende Bewährung auslösende Verurteilung vom 18. April 2012 zugrunde liegenden Umstände darzustellen. Es fehlen insofern Feststellungen zu der konkreten Tatzeit, dem der Verurteilung zugrundeliegenden Lebenssachverhalt und den prognostisch bedeutsamen Begleitumständen. Insbesondere hätte es der Mitteilung seiner jeweiligen Lebensumstände bedurft, weil das Landgericht als einen wesentlichen Grund für die erneute Bewährungsentscheidung deren Änderung seit seinem Wegzug aus seinem früheren Fürstenwalder Umfeld, das jedoch nicht näher dargestellt wird, angesehen hat. Auch hat die Kammer erkennbar nicht bedacht, dass der Umzug des Angeklagten nach Berlin und die Aufnahme seines im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Zeit der verfahrensgegenständlichen Tat bereits erfolgt waren.
bb) Dem Umstand, dass der Angeklagte seit der hiesigen Tat vom 11. Oktober 2015 nicht erneut verurteilt worden ist, kommt nur begrenzte Aussagekraft für die prognostische Beurteilung zu. Denn seine mehrjährige Delinquenzgeschichte lässt auch ohne detaillierte Feststellungen zu den Tatzeiten erkennen, dass es immer wieder straffreie Phasen gegeben haben muss. Dies war insbesondere vor der hiesigen Tat der Fall, denn im Zeitpunkt des landgerichtlichen Erkenntnisses lagen ausweislich der Urteilsgründe der Rechtskrafteintritt der letzten Vorverurteilung etwa fünf Jahre und die letzte dieser Vorverurteilung zugrunde liegende Tat mehr als sieben Jahre zurück.
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