„Warum soll ich einen Strafbefehl anregen?“, denn: Zusätzliche Verfahrensgebühr gibt es ja nicht.

So, wenn alles gut gegangen ist, bin ich ab heute wieder vor Ort. D.h., dass die Kommentarfunktion wieder auf ist.

Ich eröffne den Gebührenfreitag mit einer weniger schönen Entscheidung, und zwar mit dem LG Kempen, Beschl. v. 02.07.2018 – 3 Qs 99/18. Es geht mal wieder um das Entstehen der Gebühr Nr. 4141 VV RVG.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den inzwischen Verurteilten ein Ermittlungsverfahren wegen falscher uneidlicher Aussage geführt. Die Pflichtverteidigerin des damaligen Beschuldigten hat angeregt, die Sache im Strafbefehlsverfahren zu erledigen und erklärt, dass der Beschuldigte einen Strafbefehl mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten akzeptieren werde. Die Staatsanwaltschaft beantragte einen entsprechenden Strafbefehl, der rechtskräftig wurde. Es wird nun gestritten, ob die Gebühr Nr. 4141 VV RVG entstanden ist. Das AG hatte festgesetzt. Das passt natürlich dem „Hüter der Staatskasse“ nicht, der Beschwerde einlegt. Das LG hat sich ihm angeschlossen.

„Die vorliegende Konstellation, in welcher auf Anregung der Verteidigerin RAin pp. seitens der Staatsanwaltschaft Kempten ein Strafbefehl beantragt und vom Amtsgericht Kempten erlassen und dieser durch ausdrücklichen Rechtsmittelverzicht rechtskräftig gemacht wurde, ist in den Tatbeständen der vorgenannten Nr. 4141 VV gerade nicht erwähnt. In der Literatur wird daher eine entsprechende Anwendung des Gebührentatbestands auf die Vereinbarung eines Strafbefehls vertreten (so insbesondere Soujon zfs 2007, 662, der offenbar immer dann, wenn es zu einem rechtskräftigen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung kommt, eine Gebühr nach VV 4141 gewähren will; zu allem Burhoff RVGreport 2008, 201 ff.; ders. Festschrift ARGE Strafrecht, 107 (119); Burhoff/Burhoff Nr. 4141 VV Rn. 52; N. Schneider AnwBl 2006, 274; ders. AGkompakt 2011, 86; Schneider/Wolf/N. Schneider VV 4141 Rn. 149 ff., Gerold/Schmidt/Burhoff VV Rn. 28–33, beck-online). Diese Auffassung vermag allerdings nicht zu überzeugen.

Nach allgemeinen Grundsätzen setzt eine Analogie nämlich eine planwidrige Regelungslücke voraus. Davon kann aber bei der vorliegenden Konstellation nicht ausgegangen werden. So wurden etwa gemeinsamen Vorschläge von DAV und BRAK zur strukturellen Änderung bzw. Ergänzung der VV 4141 in Nr. 11 d in AnwBl 2011, 120 (122) gemacht, die jedoch vom Gesetzgeber gerade nicht in das 2. KostRMoG übernommen worden sind (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 23. A. 2017, VV Rn. 28–33).

Durch ein Urteil oder einen erlassenen Strafbefehl wird der Rechtszug, so kein Rechtsmittel eingelegt wird, beendet. Da es somit zu keiner weiteren Verhandlung in der Sache kommt, kann schon rein sprachlich im Sinne der Nr. 4141 VV-RVG keine Hauptverhandlung entbehrlich werden, da es zu einer solchen ohne die Einlegung eines Rechtsmittels gar nicht kommt. Wollte man ein Tätigwerden des Anwalts im Sinne von Nr. 4141 VV-RVG bereits auf die Beratung des Verurteilten, eine ergangene Entscheidung (Urteil oder Strafbefehl) zu akzeptieren, erstrecken, würde dann bereits die Erklärung eines Rechtsmittelverzichts am Ende der Hauptverhandlung die Einigungsgebühr auslösen. Dieses war sicher nicht die Intention des Gesetzgebers bei der Schaffung dieses Gebührentatbestandes. Dies zeigt, unabhängig von der insoweit entstehenden Problematik des Nachweises eines entsprechenden Tätigwerdens des Anwalts und eines möglichen Missbrauchs, dass nach Beendigung der Instanz ohne die vorherige Einlegung eines Rechtsmittels die Einigungsgebühr der Nr. 4141 VV-RVG nicht anfallen kann (so OLG Nürnberg, VRR 2009, 399). Dieser Auffassung tritt die Kammer bei.“

Da fragt man sich doch als Verteidiger: Warum soll ich das Verfahren auf diese Weise abkürzen? Das Ergebnis kann ich ggf. für den Mandanten auch in der Hauptverhandlung erzielen. Und ich verdiene dann noch die Terminsgebühr.

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