Die Ablehnung eines Sachverständigengutachtens, oder: Sich schlau machen und dann ablehnen geht nicht

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Den Wochenauftakt mache ich in der 39. KW. mit zwei Entscheidungen des BGH zu beweisrechtlichen Problemen. Der BGH, Beschl. v. 03.07.2018 – 4 StR 621/17 – befasst sich mit der Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen eigener Sachkunde.

In der Hauptverhandlung waren beim LG Dortmund zunächst ein daktyloskopischer Ergebnisbericht sowie ein serologisches Kurzgutachten des LKA verlesen worden, nach deren Inhalt an einem asservierten Hammer – mit dem der Angeklagte nach den Feststellungen des LG entsprechend dem Anklagevorwurf dem Tatopfer gegen den Kopf schlug und eine Platzwunde im Stirnbereich zufügte – keine auswertbaren daktyloskopischen oder DNA-Spuren gesichert werden konnten. Sodann hatte der Verteidiger des Angeklagten die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass an dem Hammer nach gerichtsmedizinischer Erfahrung Blut- und DNA-Spuren des Tatopfers vorhanden sein müssten, wenn diesem hiermit gegen den Kopf geschlagen und eine blutende Wunde zugefügt wird.

Das Landgericht hat den Antrag am folgenden Hauptverhandlungstag mit der Begründung abgelehnt, es besitze „die notwendige eigene Sachkunde zur Beantwortung der Beweisfrage aufgrund der Erkenntnisse zu DNA-Gutachten in anderen Verfahren und aufgrund einer Auskunft des Landeskriminalamts zum vorliegenden Gutachten“. Danach seien bei der Berührung eines Gegenstandes oder einem Schlag mit anschließender Wunde nicht zwingend DNA-Spuren zu erwarten; es seien vielerlei Umstände für das Fehlen solcher Spuren denkbar.

Der BGH sagt: So nicht:

„Mit der gegebenen Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden. Die Ablehnung des Antrags durch das Landgericht ist mit § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht vereinbar. Zwar gestattet diese Vorschrift die Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn das Gericht selbst bereits über die erforderliche eigene Sachkunde verfügt. Es ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtsfehlerhaft, einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens mit dem Hinweis auf genügende eigene Sachkunde abzulehnen, wenn sich das Tatgericht – wie hier – diese Sachkunde erst zuvor gezielt durch die Befragung eines Sachverständigen im Freibeweisverfahren verschafft hat, um einen erwarteten oder bereits gestellten Beweisantrag ablehnen zu können. Denn wenn das Tatgericht die Anhörung eines Sachverständigen für erforderlich hält, um sich sachkundig zu machen, muss der Sachverständige in der Hauptverhandlung im Strengbeweisverfahren gehört werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1995 – 2 StR 702/94, BGHR StPO § 244 Abs. 4 Strengbeweis 1; Beschlüsse vom 26. März 2014 – 2 StR 274/13, BGHR StGB § 244 Abs. 4 Satz 1, Sachkunde 14; vom 23. Mai 2013 – 2 StR 555/12, wistra 2013, 389 f.; SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 244 Rn. 209; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 244 Rn. 73).“

Wenn man die Zitate in der BGH-Entscheidung sieht, fragt man sich: Hat die Strafkammer das wirklich nicht gewusst? M.E. ist das Vorgehen auch – wie wir in Westfalen sagen: Schofel: Entweder man ist so schlau, um den Beweisantrag ohne Sachverständigen ablehnen zu können, oder nicht. Sich schlau machen und dann ablehnen geht nicht 🙂 .

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