OWi II: Wenn der Rechtsanwalt seine Post abholt, oder: Lieferverkehr?

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Author: Mediatus

Über den OLG Köln, Beschl. v. 02.05.2018 – 1 RBs 113/18 – ist ja schon berichtet worden, allerdings m.E. nicht auf der Grundlage des Volltextes. Den habe ich mir beim OLG Köln besorgt – Dank an den 1. Senat für Bußgeldsachen – und will den Beschluss dann auch gleich hier vorstellen. Das war die Geschichte mit dem Rechtsanwalt, der mit seinem Kraftfahrzeug in eine Fußgängerzone fährt, um bei einer dort gelegenen Postfiliale seine Anwaltspost. Das OLG Köln sagt: Bei dieser Fahrt handelt es nicht um Lieferverkehr:

„1. Der Senat folgt der Auffassung des Amtsgerichts, wonach der Betroffene die Fußgängerzone nicht befahren durfte. Die Entscheidung steht im Einklang mit der zum Begriff des Lieferverkehrs ergangenen und vom Tatrichter herangezogenen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung. Darüber hinaus zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache daher nicht auf.

Es stößt bereits an die Grenzen des Wortsinns, die Erledigung postalischer Geschäfte für die Anwaltskanzlei unter den Begriff des Lieferverkehrs zu fassen. Der allgemeine Sprachgebrauch versteht darunter in erster Linie den Transport von Waren und Gegenständen von und zu Kunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.09.1993 – 11 C 38/92 – = NJW 1994, 1080; KG, Beschl. v. 14.08.1981 – 3 Ws (B) 362/89 = VRS 62, 65 ff.). Jedenfalls dienen Fußgängerzonen dem Schutz der Fußgänger, die Gelegenheit haben sollen, unbehindert und unbelästigt von Kraftfahrzeugen in Muße – ohne dass sie dabei erschreckt, gefährdet oder überrascht werden (BVerwG, a.a.O., S. 1080) – Einkäufe zu tätigen und sich die Auslagen der Geschäfte anzusehen; grundsätzlich findet deshalb dort ein motorisierter Straßenverkehr nicht statt. Ausnahmen sind nur in eng begrenztem Rahmen zulässig, um die Aufrechterhaltung eines ordnungsmäßen Geschäftsbetriebs zu gewährleisten – dazu kann etwa auch die Bestückung von Schaukästen gehören (vgl. OLG Thüringen, Beschl. v. 17.07.2012 – 1 Ss Rs 67/12 (146) – bei juris) – ­ oder die Belieferung von in der Fußgängerzone gelegenen Geschäften zu ermöglichen (BayObLG, Beschluss vom 27.09.1990 – 1 Ob OWi 259/90 – = NZV 1991, 164).

Nicht Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift ist es hingegen, den Gewerbetreibenden bei der Vornahme von Allerweltsgeschäften zu privilegieren, wie sie bei jedem anderen Geschäftstätigen aber auch bei Privaten anfallen und die – wie hier – in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Geschäftstätigkeit stehen (vgl. VG Gelsenkirchen Urt. v. 10.6.2016 – 17 K 4420/13, BeckRS 2016, 48220 zum vergleichbaren Fall des Haltens in einer Lieferzone).

2. Da der hier zu beurteilende Sachverhalt – wie ausgeführt – keine Veranlassung bietet, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sieht sich der Senat an der an sich gebotenen Änderung des Schuldspruchs in vorsätzliche Begehungsweise gehindert. Der Betroffene ist wissentlich in die Fußgängerzone eingefahren. Der (mögliche) Irrtum über die Bedeutung des Begriffs des Lieferverkehrs kann dabei nur einen den Vorsatz unberührt lassenden Verbotsirrtum darstellen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 02.11.1989 – 3 Ss (OWi) 229/89 – = NJW 1990, 589), dessen Folgen sich nach § 11 Abs. 2 OWiG richten. Gem. § 11 Abs. 2 OWiG handelt (nur) derjenige nicht vorwerfbar, der seinen Verbotsirrtum nicht vermeiden konnte. Ein Verbotsirrtum ist vermeidbar, wenn der Täter bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, die ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seinem Lebens- und Berufskreis zuzumuten war, das Unerlaubte seines Tuns hätte erkennen können, wobei er alle seine geistigen Erkenntniskräfte einzusetzen und etwaige Zweifel durch Nachdenken und erforderlichenfalls durch Einholung von Rechtsrat zu beseitigen hat (BGHSt 21, 18 [20]). Ein Irrtum über die Bedeutung einer Verkehrsregelung ist dabei in aller Regel als vermeidbar anzusehen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 11.07.2007 – 3 Ss OWi 924/07 – = NJW 2007, 3081). Insbesondere mit Blick auf den beruflichen Hintergrund des Betroffenen hätte dieser entsprechende Informationen einholen und erkennen können, dass der erforderliche Zusammenhang mit seiner Geschäftstätigkeit fehlte.“

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