Fall Susanna: „Ali B. wollte bei Anhörungen keinen Anwalt“

Eine Frage zu dem Fall Susanna hat mich schon seit ein paar Tagen beschäftigt, nämlich: War eigentlich bei der Haftbefehlseröffnung und der anschließenden 6-Stündigen richterlichen Vernehmung ein Verteidiger anwesend? Bei Spon habe ich dann gerade nach dem Hinweis eines Kollegen – besten Dank – gefunden: Ali B. wollte bei Anhörungen keinen Anwalt.

Und in dem Beitrag heißt es.

„Ali B. hat laut Staatsanwaltschaft in seiner polizeilichen Vernehmung und in der Anhörung vor der Haftrichterin auf einen Anwalt verzichtet. Das teilte die Wiesbadener Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. B. sei ausführlich über alle Rechte aufgeklärt worden. Auch über das Recht, einen Anwalt zu nehmen, das er aber abgelehnt habe, sagte Behördensprecher Oliver Kuhn.“

Na ja, ob das alles so richtig ist? Man darf gespannt sein. Denn der neue § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO (vgl. dazu hier) verlangt die „Mitwirkung“ eines (Pflicht)Verteidigers. Ich habe daher erhebliche Zweifel, ob ein Beschuldigter auf die Anwesenheit/Mitwirkung verzichten kann. Und unabhängig davon: Mir wäre die Geschichte als StA viel zu heiß gewesen, um den Beschuldigten so lange ohne Verteidiger zu vernehmen.

Die weitere Passage bei Spon ist m.E. übrigens falsch:

„Tatsächlich schreibt die Strafprozessordnung die Anwesenheit eines Verteidigers zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Erst von Beginn der Untersuchungshaft an muss ein Verdächtiger unverzüglich einen Pflichtverteidiger zugewiesen bekommen. Das sei im Fall Ali B. dann auch geschehen, so die Staatsanwaltschaft.“

§ 141 Abs. 3 Satz 4 lässt grüßen. Wenn das ggf. auch von der StA kommt: Dann aber „au Backe“.

Ich wage die Prognose: Das Verfahren wird an der Stelle verfahrensrechtlich interessant und der BGH wird dann demnächst sicherlich dazu etwas sagen (müssen). Und wenn das Verfahren/Urteil (später) „hoch geht“: Die Volksseele, die ja jetzt schon tobt, wird endgültig platzen.

6 Gedanken zu „Fall Susanna: „Ali B. wollte bei Anhörungen keinen Anwalt“

  1. Thomas Hochstein

    Die Regelung des § 141 Abs. 3 S. 4 StPO dient ja ersichtlich vor allem der Wahrung des Konfrontationsrechts bei der Vernehmung von Belastungszeugen, bei denen nicht gesichert ist, dass sie auch in der Hauptverhandlung vernommen werden können. Ob sie auch für die eigene Vernehmung des Beschuldigten selbst und insbesondere seine Vernehmung vor den Haftrichter gilt, wird die Rechtsprechung klären müssen – ebenso, Konsequenzen es hat, wenn eine Bestellung für die Haftrichtervorführung unterblieben ist. Insofern wäre es gar nicht schlecht, wenn der BGH Gelegenheit erhalten sollte, dazu Stellung zu nehmen.

  2. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Alles,
    was es dazu bisher an Stimmen gibt, sieht auch die Vernehmung vor dem Haftrichter erfasst.

    Und in meinen Augen ist es dilettantisch, wenn die StA in einer solchen Sache nicht auf der Mitwirkung eines Verteidigers besteht. Aber wahrscheinlich war ERi auch ein(e) Proberichter(in), so dass von daher auch nicht viel „Hilfe“ kommen konnte.

    Genau der Fall eignet sich m.E. im Übrigen überhaupt für Verfahrensfehler. Die Volksseele kocht doch so schon.

  3. meine5cent

    ME dürfte das mit dem BVV eher schwierig werden. In der BT Drs. 18/11277 wird schwerpuntkmäßig auf die Thematik des Konfrontationsrechts abgestellt und dann noch ausgeführt „Aber auch bei richterlichen Beschuldigtenvernehmungen kann der frühzeitigen Verteidigerbestellung vor dem Hintergrund des § 254 StPO besondere Bedeutung für den Schutz der Rechte des Beschuldigten zukommen.“ Da wird nur auf die Verlesbarkeit abgestellt, nicht auf die ggf.mögliche Vernehmung des Ermittlungsrichters.
    Dass man den 141 III S. 5 mit der klaren Zäsurregelung („ab hier ist zu bestellen“) im selben Absatz beibehalten hat, deutet mE eher nicht darauf hin, dass das – ohnehin mit einem gewissen Beurteilungsspielraum ( „geboten erscheint…“) versehene – frühzeitige Beiordnen nach § 141 III S. 4 bei Haftbefehlseröffnungen zwingend wäre bzw. man da beim BGH große Erfolgsaussichten hat.

  4. Detlef Burhoff Beitragsautor

    @mugmug1000: Das kann man so nicht sagen. Es kommt darauf an, was sonst an Beweismitteln da und verwertbar ist. Jedenfalls wird eine lange juristische Diskussion einsetzen – Ende m.E. offen…..

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