Durchsuchung wegen Kokainerwerb, oder: Die Durchsuchung dient nicht der Begründung eines Verdachts

© dedMazay – Fotolia.com

Die zweite LG-Entscheidung hat mir der Kollege Rakow aus Rostock geschickt. Es geht im LG Rostock, Beschl. v. 30.11-2017 – 13 Qs 149/17 (1) – auch um eine Durchsuchung in einem BtM-Verfahren. Durchsucht wird die Wohnung des Beschuldigten. Zur Begründung führte das AG Rostock (nur) aus:

„Die Beschuldigte ist verdächtig in Rostock in der Zeit vom 20.02.2017 bis zum 07.09.2017 von dem gesondert verfolgten pp. Kokain erworben zu haben.

Die Beschuldigte ist dieser Tat(en) verdächtig aufgrund der bisherigen polizeilichen Ermittlungen. Insbesondere aufgrund von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung im Verfahren  gegen pp. Hier gibt es eine Vielzahl von Telefonaten zwischen pp und der Beschuldigte, in dem es ganz offensichtlich um den Erwerb von Kokain geht.

Dieser konnte bislang noch nicht abschließend geklärt werden; es besteht nach bisherigen Erkenntnissen der naheliegende“ Verdacht, dass eine Durchsuchung bei der Beschuldigten und der von ihr genutzten Räume zur Auffindung der oben benannten Beweismittel führen wird und deshalb eine geeignete und erforderliche Strafverfolgungsmaßnahme ist.“

Dem LG reicht das so nicht:

Ein Durchsuchungsbeschluss hat mit Blick auf die Bedeutung eines Eingriffes in die durch Art. 13 GG geschützte persönliche Lebenssphäre bestimmten inhaltlichen Anforderungen zu genügen, insbesondere sind tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs erforderlich, sofern sie nach dem Ermittlungsergebnis ohne weiteres möglich sind und den Zwecken der Strafverfolgung nicht zuwiderlaufen (BVerfGE 20,  162, 227; Meyer-Goßner/Schmidt, § 105 StPO, Rn. 5 m.w.N.). Darüber hinaus sind Zweck und Ziel der Durchsuchung zu konkretisieren, Art und Inhalt der aufzufindenden Beweismittel sind so anzugeben, dass kein Zweifel über die zu suchenden Gegenstände entsteht; es muss die Vornahme einer Einzelprüfung zu erkennen sein (BVerfGE 42, 212, 221), Zudem sind die wesentlichen Verdachtsmomente darzulegen, in aller Regel also auch die Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird. Diese Begründung darf nur unterbleiben, wenn die Bekanntgabe der wesentlichen Verdachtsmomente den Untersuchungszweck gefährdet (BGH NStZ7RR 2009, 142; BVerfG, NJW 2015, 1585, 1587; Meyer-Goßner/Schmidt, § 105 StPO, Rn. 5a m.w.N.).

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Beschuldigten vor Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses regelmäßig kein rechtliches Gehör gewährt (§ 33 Abs. 4 StPO) und vor Abschluss der Ermittlungen oftmals Akteneinsicht auf Grundlage von § 147 Abs. 2 StPO verwehrt wird, so dass er durch die Darlegungen im Durchsuchungsbeschluss in die Lage versetzt werden soll) den zugrunde liegenden Tatvorwurf zu überprüfen und sich dagegen sachgerecht zu verteidigen.

Der angefochtene Durchsuchungsbeschluss wird diesen Anforderungen jedenfalls hinsichtlich der Mitteilung der wesentlichen Verdachtsmomente nicht gerecht. Allein die Inbezugnahme der Telekommunikationsüberwachung und vermeintlich inkriminierender Telefonate mit dem gesondert verfolgten pp. ist nicht geeignet, den Tatvorwurf weiter zu konkretisieren. Dementsprechend enthält der Durchsuchungsbeschluss auch keine tatsächlichen Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs, insbesondere sind keine Angaben zu den jeweiligen Zeitpunkten enthalten, zu denen die Beschuldigte Kokain erworben haben soll. Wann sich die Beschuldigte jeweils mit dem gesondert verfolgten pp. zur Übergabe von Bargeld getroffen haben dürften, ließ sich indes im Wesentlichen den bisherigen Ermittlungsergebnissen entnehmen, namentlich der Telekommunikationsüberwachung über den Nachrichtendienst WhatsApp (BI. 5-19 d.A.). Es ist nicht erkennbar, dass durch die Bekanntgabe dieser Verdachtsmomente der Untersuchungszweck gefährdet worden wäre.

Gleichwohl lässt selbst die Überwachung der Kommunikation über den Nachrichtendienst WhatsApp keine Rückschlüsse auf den Ankauf von Kokain oder anderen Betäubungsmitteln zu. Die Verdachtsmomente müssen – um die Grundlage für einen zwingend notwendigen Anfangsverdacht zu begründen – über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgehen. Insbesondere darf eine Durchsuchung nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung des Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (BVerfG, Beschl. v. 24.01.2013 – 2 BvR 376/11). Die aufzufindenden Beweismittel – vorliegend „schriftliche Aufzeichnungen über den Erwerb von Kokain, Kontoauszüge und BtM-Utensilien“ – dienten der Ermittlung erstmalig belastender Tatsachen und waren für sich genommen ebenfalls nicht geeignet, die Durchsuchung rechtsstaatlich zu umgrenzen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert