Vorführung, oder: Nur die „Befürchtung“ des Nichterscheinens reicht nicht

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Ich bin mit einem Haft-Posting angefangen und will die Thematik dann heute fortsetzen. Die zweite Entscheidung kommt allerdings nicht vom BGH, sondern aus der Instanz. Es ist der LG Magdeburg, Beschl. v. 03.05.2018 – 25 Qs 35/18. Es geht um die Vorführung des Angeklagten zum Hauptverhandlungstermin auf der Grundlage folgenden Verfahrensablaufs:

„Mit Verfügung vom 22. November 2017 beraumte das Amtsgericht einen Hauptverhandlungstermin zum 13. Dezember 2017 an. Gemäß Verfügung des Vorsitzenden vom 22. November 2017 war der auf freiem Fuß befindliche Beschwerdeführer gegen Zustellungsurkunde zu laden.

Noch am selben Tage ordnete das Amtsgericht auch die polizeiliche Vorführung des Angeklagten zum Hauptverhandlungstermin am 13. Dezember 2017 an.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 beantragte der Beschwerdeführer, den Termin zur Hauptverhandlung am 13. Dezember 2017 auf einen anderen Terminstag zu verlegen, weil der Angeklagte – gemäß beigefügter ärztlicher Bescheinigung – nicht reise- und verhandlungsfähig sei.

Das Amtsgericht wies den Aussetzungsantrag durch Verfügung vom 07. Dezember 2017 mit der Begründung zurück, die ärztliche Bescheinigung attestiere lediglich eine Reiseunfähigkeit für Fahrten von mehr als 45 Minuten.

Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 Beschwerde und beantragte erneut die Aussetzung der Hauptverhandlung. Auf die Anfrage des Amtsgerichts Aschersleben vom 12. Dezember 2017 teilte der behandelnde Arzt dem Amtsgericht mit, der Beschwerdeführer sei zwar in seiner Beweglichkeit eingeschränkt, es sei ihm jedoch auf jeden Fall möglich, eine Reise nach Aschersleben vorzunehmen. Eine Hauptverhandlung mit einer entsprechenden Pause sei ebenfalls möglich.

Hieraufhin teilte das Amtsgericht dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 13. Dezember 2017 unter Beifügung einer Ablichtung der Mitteilung des behandelnden Arztes mit, die Hauptverhandlung werde stattfinden, und ordnete erneut die Vorführung des Beschwerdeführers an.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 beantragte der Beschwerdeführer die Aussetzung der Hauptverhandlung und erhob zugleich Beschwerde gegen die angeordnete Vorführung

Das Amtsgericht wies den Aussetzungsantrag des Verteidigers mit Beschluss vom 13. Dezember 2017 erneut zurück, woraufhin der Beschwerdeführer den zuständigen Richter mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnte.

Das Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 13. Dezember 2017 wies das Amtsgericht Direktor des Amtsgerichts – Aschersleben mit Beschluss vom 26. Februar 2018 als unbegründet zurück.

Hieraufhin beraumte das Amtsgericht mit Verfügung vom 28. Februar 2018 einen Hauptverhandlungstermin auf den 5. April 2018, 9.30 Uhr, an. Auch zu diesem Hauptverhandlungstermin wurde die Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten gegen Zustellungsurkunde angeordnet.

Am 3. April 2018 ordnete das Amtsgericht abermals die Vorführung des Angeklagten an. Eine Begründung hierzu wurde nicht mitgeteilt.

Der Angeklagte wurde sodann zur Hauptverhandlung am 5. April 2018 vorgeführt. Das Verfahren wurde gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.“

Das LG stellt nachträglich – zutreffend- die Rechtswidrigkeit der Vorführungsanordnung fest:

„Gemäß § 230 Abs. 2 StPO ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, wenn der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung zum Hauptverhandlungstermin ausgeblieben ist.

Allein die Befürchtung, so wie offensichtlich vom Amtsgericht in dieser Sache angenommen, der Angeklagte werde zum Hauptverhandlungstermin nicht erscheinen, berechtigt nicht zur Anordnung der Vorführung gemäß § 230 Abs. 2 StPO.“

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