Fahrradunfall: Der eine ohne Licht, der andere plötzlich auf der Straße, oder: Haftungsquote?

Das Unfallgeschehen, das dem OLG Hamburg, Beschl. v. 26.07.2017 – 14 U 208/16 – zugrunde gelegen hat, hat sich in Hamburg ereignet. Die – allerdings nur knappen – Angaben des OLG – würdem aber sicherlich auch gut nach Münster passen, der Weltstadt des Fahrrades.

Entschieden hat das OLG nämlich einen Fahrradunfall, an dem zwei Fahrradfahrer beteiligt waren. Der Beklagte hatte bei Dunkelheit ohne Licht – § 17 Abs. 1 StVO lässt grüßen – eine Straße in Hamburg befahren. Es kam zum Zusammenstoß mit dem Kläger, wobei aus dem Beschluss nicht ganz klar wird, bei welcher Aktion. Das OLG erwähnt den in der Dunkelheit plötzlich auftauchenden Beklagten, bei dessen Auftauchen der Kläger stürzte, ohne dass es aber zu einer Berührung der beiden Fahrräder gekommen war. Nimmt man hinzu, dass das beim Kläger OLG Ausführungen zu § 10 StVO und die Sorgfalt beim Einfahren in den fließenden Verkehr macht, spricht einiges dafür, dass der Kläger aus einem Grundstück, einer anderen Straße kam oder vom Gehweg aus die vom Beklagten befahrene Straße überqueren wollte.

Jedenfalls kommt das OLG in seinem 522-er-Beschluss zu einer überwiegenden Haftung des Beklagten, nämlich zu 70 %:

„Die Berufung des Beklagten ist offensichtlich unbegründet.

1. Die vom Landgericht ausgeurteilte Haftungsquote von 30% zu seinen Lasten ist nicht zu beanstanden. Der Sorgfaltsverstoß des Beklagten liegt darin begründet, dass er am 26.06.2015 entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 StVO bei Dunkelheit mit seinem unbeleuchteten Fahrrad die K. G. Straße in Hamburg befuhr. Die Beleuchtungspflicht dient nicht nur dem eigenen Schutz des Radfahrers, sondern ebenfalls demjenigen anderer Verkehrsteilnehmer und der Vorbeugung von Kollisionen. Auf die Beachtung der Beleuchtungspflicht darf der Verkehr bei Dunkelheit vertrauen. Kommt es wegen eines Verstoßes gegen die Beleuchtungspflicht zu einem Verkehrsunfall, so entfällt die Haftung nicht schon deshalb, weil es an einer Berührung der beteiligten Personen oder Fahrzeuge fehlt oder der Schaden auf einer Fehlreaktion des Unfallgegners beruht, die sich bei objektiver Betrachtung als nicht erforderlich erweist (vgl. BGH-Urteil vom 26.04.2005 – Az.: VI ZR 168/04, NJW 2005, 2081 f. m.w.N. zum Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ in § 7 Abs. 1 StVG). Der Pflichtenverstoß muss sich nur unfallursächlich ausgewirkt und das Schadensgeschehen insgesamt mitgeprägt haben.

Das ist vorliegend der Fall und ergibt sich bereits aus der eigenen Sachverhaltsschilderung des Beklagten selbst am Unfallort („Er sah mich, erschrak und stürzte“) sowie im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 23.08.2016, Seite 6 oben). Der Sturz des Klägers ereignete sich in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftauchen des nicht beleuchteten Beklagten aus der Dunkelheit. Nicht entscheidungserheblich sind dabei die zwischen den Parteien streitigen Umstände, in welcher konkreten Entfernung sich der Beklagte zum Zeitpunkt des Sturzes befand, mit welcher Geschwindigkeit er sich näherte und wo er schließlich anhielt. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte mittig die Straße befuhr, wie der Kläger behauptet hat, und ob es bei dessen Fortsetzung der Fahrt überhaupt zu einer Kollision der beiden Fahrräder gekommen wäre. Denn auf der Hand liegt trotz intakter Straßenbeleuchtung, dass der sich nähernde Beklagte bei ordnungsgemäßer Beleuchtung seines Fahrrades sehr viel früher von dem Kläger wahrgenommen worden wäre und dieser sich nicht infolge seines plötzlichen Auftauchens aus der Dunkelheit erschreckt hätte, wie es beide Parteien in Übereinstimmung mit dem Zeugen W. geschildert haben.

2. Bei der gemäß § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Haftungsabwägung hat das Landgericht zu Recht den Mitverantwortungsanteil des Klägers, der beim Einfahren in den fließenden Verkehr gemäß § 10 Satz 1 StVO die größtmögliche Sorgfaltspflicht einzuhalten hatte, mit 70% sehr viel schwerer bewertet als das Fehlverhalten des Beklagten. Ein vollständiges Zurücktreten des von dem Beklagten ausgehenden Verursachungsbeitrages hält der Senat im Hinblick auf dessen Gefährlichkeit und das unstreitige Verschulden in Übereinstimmung mit der ersten Instanz allerdings nicht für gerechtfertigt.“

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