Archiv für den Monat: Oktober 2017

Aufhebung der Sperrfrist, oder: Erfolgreiches Aufbauseminar der DEKRA

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Urheber Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium des Innern

Ist gegen den Verurteilten nach Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verhängt worden, kann diese ggf. nach 3 69a Abs. 7 StGB abgekürzt oder aufgehoben werden. Mit den Voraussetzungen hat sich das LG Berlin im LG Berlin, Beschl. v. 29.09.2017 – 520 Qs 72/17 – und die noch bestehende Sperrfrist bei einem Verurteilten, dem die Fahrerlaubnis seit September 2016 entzogen war, aufgehoben.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Antrag des Verurteilten auf Aufhebung der Sperrfrist zu Unrecht abgelehnt. Nach § 69a Abs. 7. Satz 1 StGB kann das Gericht die Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis vorzeitig aufheben, wenn sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Insoweit müssen erhebliche neue Tatsachen vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, der Verurteilte besitze nunmehr entgegen der Prognose des erkennenden Gerichts das für einen Kraftfahrer unerlässliche Verantwortungsbewusstsein und werde die Allgemeinheit in Zukunft nicht mehr gefährden (KG Berlin, Beschluss vom 4. Dezember 2001 — 1 AR 1512/015 Ws 763/01 mwN.). Eine neue Tatsache zugunsten des Verurteilten kann insoweit die erfolgreiche Teilnahme an einem Nachschulungskurs für alkoholauffällige Kraftfahrer oder einer Verkehrstherapie sein (vgl. Fischer, § 69a Rn. 42 mwN.).

Der Beschwerdeführer hat durch die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nachgewiesen, an einem Aufbauseminar der DEKRA teilgenommen zu haben. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung erstmals verurteilt wurde, er zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten und die einzige weitere Eintragung im Fahreignungsregister eine Ordnungswidrigkeit wegen überhöhter Geschwindigkeit am 6. Februar 2015 betrifft.

Angesichts dieser Umstände besteht nunmehr hinreichender Grund zu der Annahme, dass der Beschwerdeführer, der seit dem 28. August 2008 in Besitz einer Fahrerlaubnis war, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. „

(Un)Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, oder: Tatort „Höhe: Parkplatz ggü. der Straßenmeisterei“ reicht nicht

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Heute ist Freitag und damit an sich Gebührentag. Aber: Wie soll man über Gebühren(entscheidungen) berichten, wenn man keine Entscheidungen vorliegen hat. Daher der Aufruf: Bitte Gebührenentscheidungen schicken. Ihc freue mich über jede, egal, ob richtig oder falsch. Ich weiche dann heute zunächst mal ins Bußgeldverfahren aus:

Verfahrensgrundlage im Bußgeldverfahren ist der Bußgeldbescheid. Das gilt aber nur, wenn der Bußgeldbescheid bestimmt genug ist. Ist das nicht der Fall, wird das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. So jetzt noch einmal das AG Husum, Urt. v. 13.09.2017 – 5 OWi 107 Js 13481/17 (64/17), das mit der Kollege Geißler aus Wuppertal übersandt hat.

Dem Betroffenen war in dem Verfahren eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworden worden. Im Bußgeldbescheid wurde als Tatort lediglich die B 199 in der Gemeinde Leck angegeben. Im Messprotokoll war als Örtlichkeit „Höhe: Parkplatz ggü. der Straßenmeisterei“ vermerkt. Das AG Husum hat das Verfahren eingestellt:

„Der Bußgeldbescheid erfüllt seine Funktion, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht abzugrenzen nur, wenn nach seinem Inhalt keinerlei Zweifel über die Identität des Betroffenen sowie der Tat entstehen können (KK./OWiG, Kurz, 4. Auflage, § 66, Rn. 2, zitiert nach beck-online). Vorliegend fehlt es an letzterer Voraussetzung. Denn wesentlich zur Bestimmung und Konkretisierung der Tat ist die Angabe des Tatortes. Entscheidend ist, dass die Tat — auch hinsichtlich des Begehungsorts — so genau bezeichnet ist, dass sie sich als unverwechselbar mit anderen denkbaren Taten desselben Täters darstellt (KK/OWiG, Kurz, 4. Auflage, § 66, Rn. 12, zitiert nach beck-online). Hier besteht zur Überzeugung des Gerichts eine Verwechslungsgefahr mit potentiellen anderen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Der Bußgeldbescheid beschränkt sich bei der Ortsangabe auf die B199 — er enthält keinerlei örtliche Eingrenzung. So geht aus dem Bußgeldbescheid noch nicht einmal hervor, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung auf der B199 vor der Ortseinfahrt nach Leck begangen worden sein soll oder nach der Durchfahrt der Ortschaft. Zwar ist der Tatort im Messprotokoll dahingehend eingegrenzt, dass dort angegeben ist: „Höhe: Parkplatz ggü. der Straßenmeisterei“. Es ist jedoch eine nähere Konkretisierung allein durch die Angaben des Bußgeldbescheides erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn der Bußgeldbescheid eine konkrete Zeitangabe enthält. Zwar ist anerkannt, dass selbst fehlende oder falsche Tatzeiten sowie falsche oder unvollständige Bezeichnungen des Tatorts nicht zwingend zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids führen. Die Abgrenzungsfunktion des Bußgeldbescheides ist vielmehr nur aufgehoben, wenn die Verwechslungsgefahr auch mit Hilfe einer Zusammenschau der sonstigen Angaben nicht zu beseitigen und eine durchgreifende Berichtigung nicht möglich ist, Dies ist vorliegend der Fall. Bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 123 km/h können in einer Minute – und dies ist der Spielraum, den die Angaben des Bußgeldbescheides lassen – jedenfalls 2,05 km zurückgelegt werden. Insoweit ist lebensnah nicht auszuschließen, dass der Betroffene auf diesem Streckenabschnitt weitere Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen hat. Alleine auf Grundlage des Bußgeldbescheides müssen diese jedoch abgrenzbar sein, um eine Verwechslung zu vermeiden (vgl. AG Husum, Urteil vom 11.1 1.2016, 5 OWi 110 Js 7963/16 (43/16)). Aus dem Bußgeldbescheid muss unverwechselbar hervorgehen, welche von eventuell mehreren in Betracht kommenden Geschwindigkeitsüberschreitungen dem Betroffenen zur Last gelegt wird. Zwar ist anerkannt. dass Ungenauigkeiten dann unschädlich sind, wenn wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitungen eine natürliche Handlungseinheit darstellen. Da allerdings auch bei dem hier angegebenen nur kurzen Zeitraum eine Zäsur nicht grundsätzlich ausschließbar ist, führt auch dieser Gesichtspunkt nicht dazu, dass die Ungenauigkeit bei der Kennzeichnung des Tatortes unschädlich ist. Der Bußgeldbescheid ist hier auch nicht deshalb entgegen des Vorbenannten hinreichend bestimmt, weil die erforderliche Tatkonkretisierung durch andere Erkenntnisquellen, hier namentlich das in der Akte befindliche Messprotokoll, ohne weiteres erreicht werden kann. Dies wird zwar teilweise vertreten (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 17. Auflage, § 66, Rn. 39a),

Dieser Auffassung ist zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu folgen. Denn für den Fall der Rechtskraft des Bußgeldbescheides ließe sich im Falle ungenügender Abgrenzung nicht abstrakt beurteilen, welche Tat durch den Bußgeldbescheid geahndet werden soll, da der Akteninhalt an der Rechtskraft nicht teilhat (KK/OWiG, Kurz, 4. Auflage, § 66, Rn. 14. zitiert nach beck-online).“

Zur Wirksamkeit des Bußgeldbescheides << Werbemodus an>>: Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., 2018, Rn 982 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung <<Werbemodus aus>>. Zum Bestellformular 🙂 geht es hier und hier zu den neuen Leseproben.

Anwesenheitspflicht des Zeugen bei der polizeilichen Vernehmung, oder: Wer zahlt/entschädigt wie?

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So, und als drittes Posting dann die Mail eines Kollegen, der um „Quellenschutz“ gebeten hat, den ich auch gerne gewähre. Es geht um die Auswirkungen der neuen Erscheinenspflicht des Zeugen bei der polizeilichen Vernehmung durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ v. 17.08.2017 (vgl. hier: BGBl I. S. 3202). Die Mail zeigt sehr schön, dass man an die kleinen Dinge, die mit den großen Änderungen, wie sie der „Bundesheiko“ auf den Weg gebracht hat, zusammen hängen, nicht denkt. Und die machen der Praxis dann richtig Freude 🙂 . Der Kollege schreibt:

…in der Praxis läuft es nicht ganz rund. ??

 Hier grübeln offenbar Heerscharen (scheinbar sogar bei der GenStA, also unbedingt Quellenschutz, bloggen nur nach kurzer Rücksprache, zum Zwecke der Verschleierung) über die Frage, ob von der Polizei geladene, § 163 III StPO,  Zeugen nach dem JVEG entschädigt werden,

[ich denke wohl schon, § 1 Nr. 3 JVEG, nur durch welche Behörde, § 1 Nr. 1 JVEG, steht nur StA ?). 

Man denke an die „Herausforderungen“ der Sachverständigenbestellung, z.B. nach Verkehrsunfällen, bei welcher die Polizei gerne – so meine Erinnerung – den Auftrag des oder der StAin einholt, „wegen der Kosten“.

welches Merkblatt dann verwendet wird,

[das wird nicht leicht, die Textbausteine zu ändern, Software-Länderprojekte].?

wie der Entschädigungsantrag aussieht.

[…und wohl auch, da liegt der Hase wohl eigentlich im Pfeffer, wer die Entschädigungsanträge (wann? Mit Abgabe der Sache von der Polizei zur StA) bearbeitet (Stellen? Mehrarbeit?)]

Eher eine Randnotiz, aber die Wallung scheint groß…

ich habe auf die Schnelle nichts gefunden, in den Gesetzesmaterialien (vgl. Rn. 153 im Skript?). Mag ein Scheinproblem sein, aber zum Thema „Entschädigung des Zeugen“ findet sich in der Literatur nichts genaues ?, z.B. Handbuch EV, Rn. 4021 ff. 

Nach meiner Erfahrung ist aber die Entschädigung durchaus ein praktisches und für die betroffenen Zeugen wichtiges Element des Ganzen, insb. der Wahrnehmung, wie mit einem „umgesprungen“ wird…leider völlig unbekannt (warum wohl? Das gehört fett auf das Merkblatt?) ist ja der § 5 JVEG: „die Benutzung der ersten (sic.!) Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt. „

Ich räume ein: Ich habe dazu in meinem Ebook „Effektivere und praxistauglichere Ausgestaltung des Strafverfahrens?
Die Änderungen in der StPO 2017 – ein erster Überblick“ auch nichts. Einfach nicht daran gadacht. Aber ich bin ja auch nicht der „Bundesheiko“ 🙂 .

Und nochmals: Neue Masche bei der Akteneinsicht?, oder: Unheilige Allianz Verwaltungsbehörde/AG

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Eine Kollegin hatte sich vor einiger Zeit an mich gewandt mit der Bitte um Hilfe/Rat/Anregung in folgender Konstellation.

„Lieber Herr Burhoff,

ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie können die „Enkelzeit“ nach wie vor genießen.

Leider habe ich eine Konstellation im Rahmen des Verfahrens nach §62 OWiG, die offensichtlich Schule macht und immer häufiger auftritt. Ich gehe dabei davon aus, dass das Problem bzw. eine Lösung hierfür auch für andere Kollegen von Interesse ist, vielleicht haben Sie einen Rat oder könnten es im Blog zur Diskussion stellen?

Die Konstellation ist so:

Ich beantrage, z.B. wegen der Falldateien zum Tattag oder der Unterlagen nach § 31 Abs. 4 MessEG, die Einholung gerichtlicher Entscheidung gem. § 62 OWiG. Die Behörde trennt diesen Teil dann ab und gibt ihn entsprechend ab an das Gericht. Im Übrigen gibt sie das Verfahren nach § 69 OWiG ab, bevor eine Entscheidung nach § 62 OWiG vorliegt. Vom Gericht bekomme ich dann einen Beschluss mit kostenpflichtiger negativer Entscheidung zum 62er Antrag, da dieser prozessual überholt sei.

Meiner Meinung nach wird das 62er Verfahren auf diese Weise unterwandert. Ich finde allerdings keine Entscheidung hierzu bzw. kann mir aus den Kommentaren zu diesem Problem nichts ableiten. Schön wäre es, wenn das Verfahren nach § 62 OWiG vorrangig wäre und eine Abtrennung im Rahmen der Akteneinsicht hinsichtlich einzelner Bestandteile ausscheiden würde.“

Haben Sie vielleicht einen Rat bzw. eine Idee?“

M.E. ist das so nicht richtig und unterläuft das Verfahren nach § 62 OWiG. Ich habe der Kollegin geraten, es mal mit dem Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu versuchen. Vielleicht gelingt es ja so, die „unheilige Allianz“, die hier offenbar zwischen Verwaltungsbehörde und dem AG besteht – alles unter der Überschrift: Lasst uns bloß in Ruhe – aufzubrechen. Zumindest müsste man aber versuchen, das Verfahren dann in die Beschwerdeinstanz zu tragen mit der Begründung: Gerichtliche Entscheidung des AG mit der Folge, dass dagegen dann die Beschwerde zulässig ist.

Vielleicht hat ja einer der Leser Erfahrungen oder vielleicht sogar eine Entscheidung. Dann bitte schicken.

150 € für Token und Passwort, oder: Frech, neue Masche der Behörden oder Haushaltssanierung?

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So, heute mal keine Entscheidungen, sondern Fälle/Fragen aus dem Leben, die mich in der letzten zeit erreicht haben.

Taufrisch = von vorgestern ist die Anfrage/Mitteilung eines Kunden betreffend Sachverständigengutachten zur Prüfung von Messverfahren, der mir folgendes schrieb:

„Vielleicht mal ein interessanter Beitrag für Ihren Blog:

Im vorgerichtlichen Auftrag zur Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung mit Poliscanspeed habe ich bei der zuständigen Bußgeldstelle Rhein Kreis Neuss hinsichtlich der Übersendung der originalen Falldatei nebst Token und Passwort angefragt.

Die Datei wurde mir freundlicher Weise zur Verfügung gestellt, allerdings ohne Token und Passwort.

Nach Rücksprache mit der Behörde wurde mir empfohlen, den Token samt Passwort von der Hessischen Eichdirektion anzufordern.

Bei einer Nachfrage hinsichtlich der zu erwartenden Kosten kam folgende Antwort von der Eichdirektion:

„Sehr geehrter Herr pp.,

bedingt durch den erheblichen Arbeitsaufwand zur Recherche und Weitergabe des öffentlichen Schlüssels in Softwareform, sowie des Passworts für die jeweilige Messeinheit entsteht eine Aufwands-Gebühr in Höhe von 150,00 Euro.

Weiterhin besteht aber auch die Möglichkeit, dass z.B. der Gutachter die Dienststelle, welche die Aufgabe der Auswertungen vornimmt,persönlich besucht und dort unter Aufsicht den öffentlichen Schlüssel vom Betreiber zur Qualifizierung des Vorgangs verwendet.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag“

150,00 € für die Übersendung des Token mit der Begründung erheblicher Arbeits- und Rechercheaufwand sind doch wohl eine Frechheit.“

Frechheit? Da sicherlich auch. Aber in erster Linie wohl eine neue Masche oder der Versuch, die vielen lästigen Anfragen auf diesem Wege auszutrocknen? Oder geht es um die Sanierung des Haushalts der Hessischen Eichdirketion?