Wenn der Mandant nicht so will wie der Rechtsanwalt, oder: BGH löst das Dilemma für die Vergütung

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In der Reihe der gebührenrechtlichen Entscheidungen heute zunächst eine zivilrechtliche Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag. Die hätte man auch im „RVG-Rätsel“ bringen können, aber wenn der der BGH die Frage schon entschieden hat, dann ist es doch zu einfach 🙂 .

Es geht um die Frage: Verliert der Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch, wenn er die Durchführung eines aussichtlosen Rechtsmittels ablehnt? Oder: Was ist mit dem Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts, wenn der Mandant nach einer Beratung auf der Durchführung des Verfahrens beharrt und der Rechtsanwalt deshalb das Mandat kündigt? Verliert der Rechtsanwalt dadurch seinen Vergütungsanspruch? Die Antwort gibt das BGH, Urt. v. 16.02.2017 – IX ZR 165/16, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Die Klägerin war Mandantin bei den Beklagten. Diese sind beim BGH zugelassene Rechtsanwälte. Die Klägerin hatte diese mit der Einlegung und Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil, durch das eine von der Klägerin erhobene Schadensersatzklage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen worden war, beauftragt. Die Beklagten haben Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin zahlte gemäß der Kostenrechnung der Beklagten den Betrag von 1.868,30 EUR an die Beklagten. Diese erstatteten sodann ein 36 Seiten umfassendes Gutachten. Danach haben sie der Klägerin die Rücknahme des Rechtsmittels empfohlen; das Gutachten war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben würde. Da die Klägerin mit der Rücknahme des Rechtsmittels nicht einverstanden war, legten die Beklagten das Mandat nieder. Ein anderer beim BGH zugelassener Rechtsanwalt hat dann für die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Der BGH hat die Beschwerde der Klägerin kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Klägerin nimmt nun aufgrund abgetretenen Rechts ihrer Rechtsschutzversicherung die Beklagten u.a. auf Erstattung des an sie gezahlten Honorars von 1.868,30 EUR in Anspruch.

AG und LG haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der BGH hat das LG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der Leitsatz zu der BGH-Entscheidung:

Kündigt der Revisionsanwalt nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde das Mandat, weil er dem Rechtsmittel aufgrund einer inhaltlich zutreffenden Begutachtung keine Erfolgsaussichten beimisst und darum die von dem Mandanten gewünschte Begründung und Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde ablehnt, verliert er seinen Vergütungsanspruch gegen den Mandanten nicht.

Und aus der Entscheidung:

„(1) Gewinnt der Prozessbevollmächtigte nach gründlicher Prüfung die der Sach- und Rechtslage entsprechende Überzeugung der Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittels, bringt ihn das Beharren des Mandanten auf Durchführung des Verfahrens in einen unauflöslichen Konflikt, weil die Befolgung der Weisung mit seiner Stellung als Organ der Rechtspflege (vgl. §§ 1, 3 Abs. 1 BRAO) unvereinbar ist. Der Anwalt ist nicht gehalten, einer Weisung des Mandanten zu folgen, die seinem wohl durchdachten Rat widerspricht und mit wirtschaftlichen Nachteilen für die vertretene Partei verbunden ist. Um die verfehlte Weisung des Mandanten, einen aussichtslosen Rechtsstreit fortzusetzen, zu erfüllen, müsste der Rechtsanwalt eine Klage oder ein Rechtsmittel mit Erwägungen begründen, die verfahrensrechtlich unerheblich sind oder materiell-rechtlich erkennbar nicht durchgreifen. Dies wäre weder mit seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege vereinbar noch ihm mit Rücksicht auf sein Ansehen zumutbar. Schließlich ist das unvernünftige Hinwegsetzen über den begründeten Vorschlag des Anwalts geeignet, die Vertrauensgrundlage des Mandatsverhältnisses nachhaltig zu erschüttern (BGH, Urteil vom 26. September 2013 – IX ZR 51/13, WM 2014, 89 Rn. 13; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1994, 1084, 1085; vgl. Staudinger/Preis, BGB, 2016, § 628 Rn. 26; Rinkler in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 1 Rn. 113; Erman/Belling, BGB, 14. Aufl., § 628 Rn. 12; Pabst, MDR 1978, 449, 451; a. A. MünchKomm-BGB/Henssler, 7. Aufl., § 628 Rn. 26).“

Der BGH hat allerdings nicht die Klage sofort abgewiesen, sondern hat an das OLG zurückverwiesen. Dort muss jetzt die entscheidungserhebliche Frage geprüft werden, ob der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin entgegen der Einschätzung der Beklagten – was die Klägerin behauptet hat – Erfolgsaussicht beizumessen waren. Insoweit muss – so der BGH – die für ihren Bereicherungsanspruch darlegungs- -und beweispflichtige Klägerin, unter Hinweis auf tatsächlich durchgreifende Zulassungsgründe durch eine substantiierte Darlegung Mängel der Rechtsansicht der Beklagten aufzeigen. Das dürfte ihr m.E. jedoch schwer fallen, nachdem der BGH die Nichtzulassungebeschwerde der neu beauftragten Kollegen ja zurückgewiesen hat.

3 Gedanken zu „Wenn der Mandant nicht so will wie der Rechtsanwalt, oder: BGH löst das Dilemma für die Vergütung

  1. RA W. Siebers

    Damit bekommen aber die Kollegen, die dann die Nichtzulassungsbeschwerde durchgeführt haben, indirekt/direkt eine schallende Ohrfeige, weil sie etwas gemacht haben, was mit ihrer Stellung als (unabhängiges?) Organ der Rechtspflege nicht vereinbar war, oder?

  2. Pingback: Fundstücke Juni 2017 – PKH-Freibeträge, Singularzulassung, Rechtsstaatsmuseum – zpoblog.de

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