Archiv für den Monat: März 2017

„Besten Dank für das Handbuch für die Hauptverhandlung“…. das liest man als Autor gern

Bisher war der heutige Tag ein Tag der „Ärgerpostings“ (vgl. OLG Oldenburg zur Akteneinsicht, oder: Teufelskreis II bzw.: Was stört mich mein Geschwätz von gestern? und: Unverschämt, oder: Tickt die Staatskasse noch richtig?. So soll der Tag dann aber nicht enden. ich schiebe daher eine Nachricht/Mail der Kollegen T. Hein aus Offenbach nach, über die (zumindest) ich 🙂 mich sehr gefreut habe. Und da es ein wenig Werbung ist/wird, schalte ich den <Werbemodus an>. Der Kollege schreibt mir:

„Hallo Herr Burhoff,

ich möchte mich heute einfach nur bei Ihnen Bedanken! Ihr Handbuch für die Hauptverhandlung hat mir in einer sehr kritischen Situation die richtige Taktik geliefert. Ich war an diesem Tag alleine, meine erheblich erfahreneren beiden Mitverteidiger hatten andere Termine wahrzunehmen.

Mein Mandant sollte abgetrennt werden. Das wollten wir nicht. Ich wollte einen BefA stellen, was ich auch gemacht habe.

Dank Ihres Handbuchs habe ich gleich einen Beweisantrag, der mindestens einen Mitangeklagten erheblich betraf, hinterhergejagt.

Die Hauptverhandlung wurde dann unterbrochen. Ich habe Zeit gewonnen, um mit den Kollegen und dem andern das weitere Vorgehen abzustimmen.

Übrigens haben andere Kollegen sich sehr lobend über Ihr Werk geäußert, wenn es vor wir auf dem Tisch stand. Wiederum anderen Kollegen, die es noch nicht kannten, habe ich es weiter empfohlen.

Mit freundlichen und kollegialen Grüßen…“

Wie gesagt: Hat micht sehr gefreut, dass mein Handbuch für die Hauptverhandlung hat helfen können. Und besonders gefreut hat mich, dass der Kollege mir das dann auch gleich mitgeteilt hat und nicht nur ein „stiller Genießer“ ist. Und ich nutze diese „Vorlage“ dann gleich, um eben ein wenig Werbung zu machen. Das Buch und noch einige mehr gibt es derzeit in einer Schnäppchen-Akti0n. Nähere Informationen gibt es in diesem Posting: „Geiz ist geil“, oder: Schnäppchen bei Burhoff.  Und wer bestellen sollte, soll sich nicht irritieren lassen. Das Bestellformular weist die „1. Wahl“ aus, geliefert wird aber, wenn nichts anderes vermerkt ist, ein reduziertes Mängelexemplar.

<Werbemodus aus>. 🙂

Unverschämt, oder: Tickt die Staatskasse noch richtig?

© J.J.Brown – Fotolia.com

Die Kollegin von Braunschweig aus Köln hat vor einigen Tagen in der FB-Gruppe „Fachanwälte für Strafrecht“ über ein Schreiben einer Bezirksrevisorin beim AG Köln berichtet, zu dem ich nur sagen kann: Unverschämt und: Es lässt mich fassungslos mit der Frage zurück: „Tickt die Staatskasse noch richtig?“

Ich hatte die Kollegin um ein wenig Sachverhalt und das Schreiben gebeten, um dazu hier posten zu können. Die Bitte hat sie erfüllt. Also:

Zum Sachverhalt teilt die Kollegin mit:

„Mein Mdt hatte einen Strafbefehl wg des Tatvorwurfes der Körperverletzung erhalten, nach Anzeige meiner Verteidigung und Einspruch fand am 29.11.2016 die HV statt. Nach Einlassung meines Mdt und Vernehmung zweier Zeugen wurde mein Mdt freigesprochen. Da auch die StA dies beantragt hatte, hab ich am gleichen Tag die Wahlverteidigergebühren abgerechnet. Die Abtretungserklärung sämtlicher Rechtsanwaltsgebühren an mich seitens meines Mandanten war dem Kostenantrag beigefügt. Da die Sache nicht so lange gedauert hatte, habe ich die Mittelgebühren abgerechnet.

Also alles in allem eine einfache Abrechnung (keine Besonderheiten, da Mittelgebühr) und Abtretungserklärung lag bei.

Ich erhielt keine Resonanz und erinnerte am 09.03.2017 an die Kostenfestsetzung und erhielt sodann die angehängte Erklärung der Bezirksrevisoren per Post direkt an mich.“

Und in dem Schreiben vom 20.03.2017 an die Kollegin heißt es dann:

„Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin!

Der Antrag vom 29.11.2016 liegt mir als Vertreterin der Landes­kasse seit dem 19.12.2016 zur Stellungnahme nach Nr. 145 RiStBV vor.

Aufgrund von enormen Rückständen bei den Bezirksrevisoren, die durch lange Zeit andauernde Personalknappheit und durch Einsatz in der Ausbildung von Anwärtern entstanden sind, ist nach heutiger Einschätzung mit einer Stellungnahme an das Amtsgericht wohl nicht vor Ablauf von zwölf bis vierzehn Wo­chen zu rechnen. Ich bearbeite die mir vorliegenden Verfahren grundsätzlich chronologisch, da mir diese Verfahrensweise als die gerechteste erscheint.

Ich bedauere es sehr Ihnen derzeit keine andere Mitteilung machen zu können und verbleibe mit freundlichen Grüßen…“

Wenn man es liest: Ich bin fassungslos und finde das Verhalten der Justizkasse unverschämt. Abgesehen davon, dass man die Sache erst mal drei Monate liegen lässt, bevor man sich auf die Nachfrage der Kollegin überhaupt meldet, wird sie nun noch weiter vertröstet – um noch einmal „zwölf bis vierzehn Wo­chen„. Dann hat das Kostenfestsetzungsverfahren sechs Monate gedauert. Eine in meinen Augen unverschämt lange Dauer des Verfahrens. Und der Grund: Die „enormen Rückständen bei den Bezirksrevisoren, die durch lange Zeit andauernde Personalknappheit und durch Einsatz in der Ausbildung von Anwärtern entstanden sind.“ Was bitte schön haben der frei gesprochene Angeklagte, der die bei ihm entstandenen Auslagen nach einem Freispruch ersetzt haben möchte, oder sein Verteidiger, dem er seine Ansprüche abgetreten hat, damit zu tun? Nichts. Die Justiz mag genügend Personal einstellen, dann muss sie sich nicht auf Personalknappheit berufen. Dafür wird man dann aber vielleicht mal den Finanzminister in die Pflicht nehmen müssen, der seine Schatulle öffnen muss. Der hat doch – wie er uns zum Jahresende – wortreich und stolz erzählt hat, so viel Geld. Ja, hat er. Aber offenbar gespart auf Kosten anderer. Unverschämt das Verhalten der Justizkasse m.E. auch deshalb, weil die Justiz/das Land/die Finanzkasse in den Fällen, in den dem Land Ansprüche zustehen, anders reagiert. Denn, wenn der (Steuer)Bürger Fristen nicht einhält, dann ist man schnell mit Verspätungszuschlägen zur Stelle. Und das dann zu einem satten Zinssatz.

Um Kommentaren vorzubeugen: Ja, ich bin mir bewusst, dass sich die Forderung der Kollegin verzinst. Nur von den Zinsen wird man kaum leben und ein Büro betreiben können. Aber vielleicht meint die Bezirksrevisorin das ja.

Was kann die Kollegin tun? Nun, im Grunde nicht viel:

Und man kann die Unverschämtheit/Frechheit auch einfach erdulden. Wahrscheinlich muss man das, auch wenn es schwer fällt. Alles in allem: Unverschämt.

OLG Oldenburg zur Akteneinsicht, oder: Teufelskreis II bzw.: Was stört mich mein Geschwätz von gestern?

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Der Kollege Bäumer aus Ibbenbüren hat mir in der vergangenen Woche den OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.03.2017 – 2 Ss(OWi) 40/17 – übersandt, der sich (mal wieder) mit der Frage der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren befasst. Der Kollege war dann über die Entscheidung, wie er mir in der Übersendungsmail schreibt, dann doch sehr überrascht (gelinde ausgedrückt). Und nicht nur er, sondern ich nach Lesen des Beschlusses auch. Denn das OLG weicht in diesem Beschluss von seiner Rechtsansicht im OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 (dazu „Messdatei bei PoliscanSpeed nicht bekommen“ – Verletzung des rechtlichen Gehörs) ab. Eigene Begründung: M.E. keine, es sei denn man sieht den Verweis auf die (falsche) Rechtsprechung des OLG Bamberg als Begründung an (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 3 Ss OWi 1444/15 und dazu: „Logik ist Ansichtssache“, oder: Zirkelschluss beim OLG Bamberg zur Einsichtnahme in die Messdatei bei ESO 3.0):

Der Senat hatte vielmehr in seinem Beschluss vom 6.5.2015 (DAR 2015, 406) ausgeführt, dass dem Betroffenen die Messdatei, da sie Grundlage und originäres, unveränderliches Beweismittel der Geschwindigkeitsmessung sei, zugänglich gemacht werden müsse. Dem Senatsbeschluss vom 6.5.2015 lag allerdings die – auch als solche bezeichnete Ausnahmesituation – zugrunde, dass sich auch das Amtsgericht erfolglos um Herausgabe der Messdatei bemüht, den Betroffenen aber gleichwohl verurteilt hatte.

Soweit es um die Frage geht, ob ein in der Hauptverhandlung durch Beschluss abschlägig beschiedener Antrag auf Herausgabe einer Kopie der Messdatei im Rahmen der Rechtsbeschwerde mit Erfolg gerügt werden kann, hält der Senat an dem im Beschluss vom 6.5.2015 genannten Grundsatz eines Anspruchs auf Zugänglichmachung der Messdatei nicht fest.

Der Senat folgt vielmehr dem ausführlich begründeten Beschluss des OLG Bamberg (DAR 2016, 337 ff.; zustimmend: König DAR 2016, 362, 371) wonach die Ablehnung eines Antrages der Verteidigung auf Einsichtnahme in die digitale Messdatei und deren Überlassung einschließlich etwaiger so genannter Rohmessdaten nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstößt.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass es den Betroffenen und ihren Verteidigern durch diese Entscheidung erschwert wird, Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung aufzuzeigen. Dies ist allerdings die Konsequenz aus der Anerkennung des standardisierten Messverfahrens. Der Betroffene hat keinen Anspruch darauf, dass die Sachaufklärung mit bestimmten Beweismitteln erfolgt, etwa einem Gutachten. Ansonsten wäre das standardisierte Messverfahren unbrauchbar (Krenberger, Anmerkung zu OLG Bamberg a.a.O.,juris PR-VerkR 19/ 2016). Das Bußgeldverfahrän ist als Massenverfahren des täglichen Lebens vielmehr auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet, zumal es „nur“ der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung und nicht der Ahndung kriminellen Unrechts dient (BGHSt 39, 291 ff).

Fazit: (Auch) das OLG Oldenburg geht (bei standardisierten Messverfahren) nunmehr anders als zuvor nicht mehr davon aus, dass der Betroffene nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens ein Recht auf Übersendung der Messdatei hat. Ein solches Recht bestehe ausnahmsweise nur dann, wenn nicht nur der Betroffene bzw. sein Verteidiger sondern auch das verurteilende Gericht erfolglos die Überlassung der Messdatei verlangt haben. Und damit sind wir m.E. beim Teufelskreis II. Denn, wenn die Akten nur dann beigezogen werden müssen, wenn das Gericht die Überlassung der Messdatei selbst auch für erforderlich hält, stellt sich die Frage, wie ich als Verteidiger das Gericht dazu bewegen soll, die Akten beizuziehen. Dazu bedarf es konkreten Vortrags, den ich aber nur nach Einsicht in die Akten vortragen kann. Dafür benötige ich die Akten(die Messdate, die ich aber ….. Ja, Teufelskreis II.

Was mir an der Entscheidung besonders sauer aufstößt: Sie kommt vom Einzelrichter des Senats. Die Entscheidung vom 06.05.2015, an der man nicht mehr festhält, war hingegen eine Senatsentscheidung. Der Einzelrichter bestimmt in Oldenburg also die Rechtsprechung des (Gesamt)Senats. M.E. hätte er an den Senat abgeben und es hätte in Dreierbesetzung entschieden werden müssen.

Eine Divergenzvorlage zu anders lautender Rechtsprechung des OLG Celle (vgl. Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16) (vgl. den OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16 und dazu OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch) gibt es nicht. Die braucht man aus den „zutreffenden Gründen des Beschlusses des OLG Bamberg vom 5.9.2016 (3 Ss OWi 1050/16)“ nicht (vgl. den OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16 und Zement aus Bamberg, oder: Mia san mia).  Das OLG Oldenburg drückt sich also mit derselben Begründung vor der Vorlage an den BGH. Vor wem hat man da eigentlich Angst? Befürchtet man, dass es nach der Entscheidung des 4. Strafsenats nur noch einen Scherbenhaufen „standardisiertes Messverfahren“ gibt?

Allerdings: Im Ergebnis hat das OLG zu Recht nicht vorgelegt, warum dann aber die überflüssigen Ausführungen? Denn es hat das amtsgerichtliche Urteil aus einem anderen Grund aufgehoben. Und der/das ist das einzig Erfreuliche an der Entscheidung. Das OLG sieht nämlich wenigstens ein Recht auf Einsicht in die Aufzeichnungen gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG, da nur so beurteilt werden könne, ob ein geeichtes Messgerät und also ein standardisiertes Messverfahren im Einzelfall überhaupt vorliegt.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Vergütungsvereinbarung des Pflichtverteidigers, ja oder nein?

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Die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Vergütungsvereinbarung des Pflichtverteidigers, ja oder nein?,  hat dann keine Lösungsvorschläge gebracht – waren wahrscheinlich alle auf dem StV-Tag in Bremen 🙂 . Nun, ich hatte ja auch darauf hingewiesen, dass ich die Frage selbst nicht gelöst hatte. Nein, ich hatte mir Hilfe bei meinem Co-Autor aus dem RVG-Kommentar geholt und habe danach dem Kollegen geschrieben:

Hallo, ich habe die Frage inzwischen mit Herrn Volpert diskutiert, der für den Bereich im Kommentar zuständig ist. Er meint:

„1. Muss ich eine Vergütungsvereinbarung in der Form des § 3a RVG mit dem Mandanten abschließen, wenn ich von diesem einen Zuschuss zu den Pflichtverteidigergebühren erbitte, der unterhalb der Anrechnungsgrenze des § 58 Abs. 3 S. 3 RVG bleibt?

Die Frage wird mE zumindest mit im Kommentar § 52 Rn. 5 – 10 beantwortet. Eine Vergütungsvereinbarung muss der Pflichtverteidiger mE nicht schließen, um Zahlungen vom Mandanten verlangen zu können. Schließt er aber eine ab, gelten die Beschränkungen aus  § 52 RVG nicht. Schließt er keine ab, gilt § 52. WV-Gebühren können dann nur unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 verlangt werden.

Wenn der Zuschuss unter den Pflichtverteidigergebührenbleibt, ist er zwar der Staatskasse anzuzeigen, aber nicht anzurechnen, § 58 Abs. 3 RVG.

2. Falls ja, ändert sich die Beurteilung, wenn der Zuschuss so niedrig ausfällt dass ausschließlich die Wahlverteidigermittelgebühr oder eine Gebühr unter Berücksichtigung des § 14 RVG erreicht ist?

Erledigt, weil er keine Vereinbarung schließen muss.

3. Wenn der Mandant freiwillig ohne Vergütungsvereinbarung in der Form des § 3 a RVG einen Zuschuss leistet, so dass unter Addition der Pflichtverteidigergebühren nicht die Grenze der Wahlverteidigermittelgebühr unter Berücksichtigung des § 14 RVG erreicht ist, hat er dann einen Rückforderungsanspruch. Siehe Ziffer 1. Ohne Vereinbarung können jegliche Wahlverteidigergebühren nur unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 RVG gefordert werden (Komm. § 52 Rn. 5, 10). Wird der Mandant also nicht freigesprochen und hat keinen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse, muss die Feststellungsentscheidung durch den Rechtspfleger getroffen werden, vgl. die Komm. zu § 52 RVG. Ohne können dann WV-Gebühren nicht gefordert werden.“

Siehe Ziffer 1. Ohne Vereinbarung können jegliche Wahlverteidigergebühren nur unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 gefordert werden (Komm. § 52 Rn. 5, 10). Wird der Mandant also nicht freigesprochen und hat keinen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse, muss die Feststellungsentscheidung durch den Rechtspfleger getroffen werden, vgl. die Komm. zu § 52 RVG. Ohne können dann WV-Gebühren nicht gefordert werden.“

Und da der Kommentar Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. nun schon so oft erwähnt ist: Hier geht es zum Bestellformular <Werbemodus> aus.

Strafverteidigerkosten in der ESt-Erklärung, oder: War mein Strafverteidiger eine „außergewöhnliche Belastung“?

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Zum (eigentlichen) Wochenauftakt passt dann – im Nachgang zum 41. StV-Tag – m.E. ganz gut das BFH, Beschl. v. 13.12.2016 – VIII R 43/16, das schon etwas länger bei mir schlummert. Es behandelt die immer wieder bedeutsame – und auch häufig gestellte – Frage – der Abzugsfähigkeit von Strafverteidigungskosten als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastung. Es ging um die Strafverteidigungskosten aus einem Strafverfahren, in dem dem angeklagten – einem (stellvertretenden) Schulleiter  vorgeworfen worden ist, durch zwei Handlungen in den Jahren 2006 und 2009 jeweils eine Untreue und im Jahr 2007 eine Urkundenfälschung begangen zu haben. Der Schulleiter soll 2006 durch Schreiben an den Leiter des Zentralen Fahrdienstes die Bestellung eines PKW für die Schule ausgelöst haben, welchen der Schulleiter dann entgegengenommen, auf die Schule an- und danach auf sich umgemeldet habe. Er habe den Kaufpreis aus privaten Mitteln auf das Konto des Autohauses gezahlt. Dem Schulleiter ging es bei dieser Vorgehensweise darum, eine erhebliche Reduzierung des Kaufpreises durch Gewährung eines sog. “Behördenrabattes” zu erreichen. Weiterer Gegenstand des Verfahrens war der Vorwurf, der Schulleiter habe im Jahr 2009 durch ein Schreiben an den Leiter des Zentralen Fahrdienstes die Bestellung noch eines anderen PKW für die Schule auslösen und diesen nach Inanspruchnahme eines “Behördenrabattes” aus eigenen Mitteln bezahlen und ebenfalls privat nutzen wollen. Schließlich ist dem Angeklagten eine Urkundenfälschung vorgeworfen worden. Das AG hatte die Anklage nur insoweit zugelassen, als dem Schulleiter eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs zur Last gelegt wurde. Hinsichtlich der Fahrzeugbestellungen habe es für die Annahme einer Untreue jeweils an einem (Gefährdungs-)Schaden der Schule gefehlt. Hinsichtlich des verbleibenden Vorwurfs ist das Verfahren gemäß § 153a StPO eingestellt.

Der Schulleiter hatte die ihm entstandenen Strafverteidigungskosten als Werbungskosten geltend gemacht. Finanzamt und dann das FG Thüringen hatten den Abzug verneint, der BFH hat das bestätigt:

2. Auch den Abzug der Strafverteidigungskosten als Werbungskosten des Klägers hat das FG zutreffend verneint.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH (s. z.B. BFH-Urteile vom 17. August 2011 VI R 75/10, BFH/NV 2011, 2040; vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223; BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2016 VI R 27/15, Der Betrieb 2016, 3014) müssen für die Begründung eines Veranlassungszusammenhangs der Strafverteidigungskosten mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die vorgeworfenen Handlungen in Ausübung der beruflichen Tätigkeit (und nicht nur bei Gelegenheit) begangen werden. Auch eine „in Ausübung der beruflichen Tätigkeit“ begangene Tat kann keinen Veranlassungszusammenhang der Strafverteidigungskosten mit den Einkünften begründen, wenn die Handlungen nicht im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen oder ein beruflicher Veranlassungszusammenhang durch einen überlagernden privaten Veranlassungszusammenhang ausgeschlossen wird. Letzteres liegt insbesondere vor, wenn eine persönliche Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Tat angestrebt wird. Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein (BFH-Urteil vom 16. April 2013 IX R 5/12, BFHE 241, 355, BStBl II 2013, 806). Im Übrigen ist auch eine private Mitveranlassung der Aufwendungen für den Abzug schädlich, weil gemischt veranlasste Strafverteidigungskosten nicht objektiv aufteilbar sind (s. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, sowie die Bezugnahme im BFH-Urteil in BFHE 241, 355, BStBl II 2013, 806 auf das BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441, m.w.N.).

b) Die tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG, die Aufwendungen für die Strafverteidigung nicht zum Abzug zuzulassen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Das FG hat die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen mangels Bezugs zum beruflichen Pflichtenkreis (Rz 55, 57 bis 61 des FG-Urteils in EFG 2014, 1662) nicht als „Ausübung einer beruflichen Tätigkeit“ des Klägers angesehen. Es hat zudem in der Absicht des Klägers, den Behördenrabatt bei Erwerb der Fahrzeuge in Anspruch zu nehmen und Regressansprüche der Schule abwehren zu wollen, private Beweggründe gesehen, die den beruflichen Zusammenhang der Aufwendungen überlagern (Rz 58, 60, 61 des FG-Urteils in EFG 2014, 1662). Diese Feststellungen des FG zum Umfang des beruflichen Aufgabenkreises und zur Motivlage des Klägers sind möglich, nicht mit Verfahrensrügen angefochten und für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie kollidieren auch nicht mit der Unschuldsvermutung, sondern stellen eine eigenständige und notwendige Würdigung des Veranlassungszusammenhangs durch das FG dar, da es auf die Frage, ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben wurde, für dessen Prüfung nicht ankommt (BFH-Beschluss vom 30. Juni 2004 VIII B 265/03, BFH/NV 2004, 1639, m.w.N.). Nach den unter II.2.a dargestellten Rechtsgrundsätzen hat das FG somit zu Recht einen Abzug der jedenfalls gemischt veranlassten Strafverteidigungskosten versagt.

c) Die Würdigung des FG ist auch nicht aufgrund des neuen Vortrags der Kläger im Revisionsverfahren zu beanstanden, dass das zuständige AG nach Erfüllung einer Auflage mit Beschluss vom … das Verfahren gegen den Kläger gemäß § 153a der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt hat. Neuer tatsächlicher Vortrag ist im Revisionsverfahren unbeachtlich (§ 118 Abs. 2 FGO). Ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben wurde, ist wie unter II.2.b ausgeführt für die Prüfung des Veranlassungszusammenhangs nicht entscheidend (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1639, m.w.N.). Der Umstand, dass nach Einstellung des Verfahrens weder eine Verurteilung noch ein Freispruch des Klägers erfolgen wird, ändert daher nichts an der rechtlichen Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs. 

3. Die in der Revision von den Klägern nicht mehr aufgeworfene, aber gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO zu prüfende Frage, ob ein Abzug der Aufwendungen wegen einer außergewöhnlichen Belastung gemäß § 33 EStG in Betracht kommt, hat das FG ebenfalls zutreffend verneint.

a) Es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, unter welchen Voraussetzungen Strafverteidigungskosten als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG anzuerkennen sind (s. BFH-Beschluss vom 10. Juni 2015 VI B 133/14, BFH/NV 2015, 1247). Im Strafprozess entstehen Kosten nur einem sanktionierten Straftäter oder demjenigen, der für seine erfolgreiche Verteidigung mehr ausgegeben hat, als er vom Staat erstattet bekommt (vgl. FG Münster, Urteil vom 19. August 2011  14 K 2610/10 E, EFG 2011, 2059). Ein Abzug von Strafverteidigungskosten als außergewöhnliche Belastung scheidet danach aus, wenn der Steuerpflichtige verurteilt wird und die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu tragen hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 355, BStBl II 2013, 806; BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1247). Soweit dem Steuerpflichtigen aufgrund eines Freispruchs gemäß § 467 Abs. 1 StPO ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Strafverteidigung zusteht, fehlt es für einen Abzug nach § 33 EStG schon an einer Belastung des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil in BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223).

Aufwendungen für die Strafverteidigung sind zudem nicht zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG), wenn der Steuerpflichtige mit seinem Verteidiger ein Honorar vereinbart hat, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt (BFH-Urteil in BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223).

b) Für die im Streitjahr abgeflossenen Aufwendungen steht fest, dass diese nicht zu einer zwangsläufigen und endgültigen Belastung des Klägers führen.“

Der BFH hat im Übrigen auch die Entscheidung des FG, die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung anzusehen, nicht beanstandet.