Fünf kluge Köpfe haben es überlesen, oder: Auch beim BGH kocht man nur mit Wasser

entnommen wikimedia.org Urheber ComQuat

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Und wenn wir schon einen „Fehlertag“ (vgl. Klassischer Fehler XXXV: „Du bist trotzig und unbelehrbar“, also höhere Strafe.. und Unverständlicher Verteidigerfehler, oder: Wer das nicht kann, sollte keine Revisionen machen) machen, dann aber auch richtig. Und dann auch der Hinweis auf einen Fehler von „ganz oben, der also dem BGH unterlaufen ist. Und zwar in seiner Wohnmobilentscheidung, dem BGH, Beschl. v.  11.10.2016 –  1 StR 462/16. Es ging/geht um die Frage, ob Wohnmobile und Wohnwagen Wohnungen i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind, es sich also bei einem Einbruch um einen Wohnungseinbruchsdiebstahl mit der höheren Strafdrohung des § 244 StGB handelt. Der BGH hat das in der zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten Entscheidung bejaht, „jedenfalls dann, wenn sie Menschen zumindest vorübergehend zur Unterkunft dienen“. Soweit so gut und auch an sich sehr schön begründet diese Rechtsauffassung.

Allerdings ist dem BGH in der Begründung dann ein Fehler unterlaufen, wenn er ausführt:

„(aa) Der Wohnungseinbruchdiebstahl wurde mit dem 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164, 178) aus dem Katalog der Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB aF herausgenommen und zum Qualifikationstatbestand aufgewertet. Der Einbruchdiebstahl aus Wohnungen ist seither gegenüber den übrigen Einbruchdiebstählen mit einer im Mindestmaß doppelt so hohen Strafe bedroht und kann nicht mehr mit Geldstrafe geahndet werden. Das Geringfügigkeitsprivileg des § 243 Abs. 2 StGB findet auf Wohnungseinbruchdiebstähle keine Anwendung mehr. Eine Regelung für minder schwere Fälle sieht § 244 StGB nicht vor. Diese mit einer deutlichen Strafschärfung einhergehende Gesetzesänderung erfordert deshalb eine sorgfältige Abgrenzung des Begriffs der Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB von den übrigen Räumlichkeiten, die weiterhin dem Schutzbereich des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB unterfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2008 – 4 StR 126/08, NStZ 2008, 514). Der Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist dabei eigenständig und anhand des besonderen Schutzzwecks der Vorschrift zu bestimmen (vgl. Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 244 Rn. 75).“

Der Satz: „Eine Regelung für minder schwere Fälle sieht § 244 StGB nicht vor.“ ist m.E. falsch (vgl. dazu auch schon der Kollege Vetter in: Fünf Richter, keiner hat was gemerkt). Denn in § 244 Abs. 3 StGB heißt es: „(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.“, jedenfalls in meinem Gesetzestext. Und ich habe auch sonst keine Änderungen gefunden und mir sind auch keine Änderungen des § 244 StGB aus der letzten Zeit bekannt.

Tja, da kann man nun wirklich sagen: Fünf ganz kluge Köpfe und keiner hat es bemerkt bzw. jeder hat es beim Unterschreiben des Urteils überlesen. Also hat an der Stelle ein „10-Augen-Prinzip“ nichts gebracht. Man fragt sich natürlich: Wie kann das passieren? Ja, es kann passieren, darf natürlich nicht. Vielleicht hat man sich auf den Vorsitzenden und den Berichterstatter verlassen. Und dann rutscht es durch 🙂 .

Was nun? Ich bin – ebenso wie der Kollege Vetter – gespannt, was der BGH macht. M.E. wird er den Beschluss berichtigen müssen. Man wird den Satz getrost streichen können, ohne dass das Auswirkungen auf die getroffene Entscheidung hat. Denn die Argumentation zum „Wohnmobil/wagen als Wohnung „bricht damit nicht zusammen. Ich denke, man wird es auch berichtigen, denn die Entscheidung soll in BGHSt, also in die „Hauspostille“ aufgenommen werden. Das sind solche Fehler „unschön“.

Man sehen, wann der Berichtigungsbeschluss erscheint – es sei denn, es handelt sich nicht um einen Fehler. Aber ich wüsste nicht, warum. Ich habe übrigens oben nicht auf die Homepage des BGH verlinkt, sondern ausnahmsweise auf meine Seite, obwohl es sich um einen BGH-Beschluss handelt. Man weiß ja nie, ob man die Ursprungsentscheidung da stehen lässt 🙂 .

Und jetzt hoffe ich nur, dass mir hier nicht irgendwo ein Fehler unterlaufen ist 🙂

5 Gedanken zu „Fünf kluge Köpfe haben es überlesen, oder: Auch beim BGH kocht man nur mit Wasser

  1. VRiLG

    Der Senat referiert an der kritisierten Stelle dir Änderungen durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998, der das Geringwertigkeitprivileg für den Wohnungseinbruchsdiebstahl abschaffte und auch keinen unbenannten keinen minder schweren Fall kannte (dieser wurde erst 2011 eingeführt) und schließt daraus, dass (wegen der immensen Strafschärfung) der Begriff „Wohnung“ sorgfältig von den anderen Räumlichkeiten des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB („Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder anderer umschlossener Raum“) abgegrenzt werden muss. Was soll an diesem Argument, das die Rechtslage im Zeitpunkt der maßgeblichen Gesetzesänderung richtig referiert, falsch sein?

  2. Detlef Burhoff

    Nee, ich verstehe es anders. Er referiert doch nicht nur die Änderungen, sondern stellt die Rechtslage dar:
    „Der Wohnungseinbruchdiebstahl wurde … herausgenommen und zum Qualifikationstatbestand aufgewertet. Der Einbruchdiebstahl aus Wohnungen ist seither gegenüber den übrigen Einbruchdiebstählen mit einer im Mindestmaß doppelt so hohen Strafe bedroht und kann nicht mehr mit Geldstrafe geahndet werden. Das Geringfügigkeitsprivileg des § 243 Abs. 2 StGB findet auf Wohnungseinbruchdiebstähle keine Anwendung mehr. Eine Regelung für minder schwere Fälle sieht § 244 StGB nicht vor. „

  3. Jurist

    Ich bin ja auch gerne dabei, wenn die Justiz einen Fehler macht, aber hier muss ich Herrn VRiLG beipflichten. Die Passage bezieht sich erkennbar auf den früheren Rechtszustand und trifft deshalb zu. Glaubt denn irgendjemand ernsthaft, dass der 1. Senat § 244 Abs. 3 StGB nicht kennt?

  4. Rechtsanwalt

    Tatsächlich handelt es sich bei der Passage im BGH-Urteil wohl um ein weitgehend wörtliches Zitat aus dem Beschluss des BGH vom 24. April 2008 (4 StR 126/08, NStZ 2008, 514, https://dejure.org/2008,3029), der vom BGH im Klammerzusatz auch angeführt wird (wenn auch eingeleitet mit „vgl.“) . Das macht es nicht viel besser, zeigt aber vielleicht wie die Passage entstanden ist. Zum Zeitpunkt der Entscheidung von 2008 war die Feststellung, dass § 244 StGB eine Regelung für minder schwere Fälle nicht vorsieht, wohl auch noch richtig.

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