Archiv für das Jahr: 2016

Headset-Nutzung ist kein Handyverstoß, oder: Passt.

© Sergey Peterman - Fotolia.com

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Und dann im Anschluss an den telefonierenden Fußgänger und das OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.04.2016 – 1 U 164/15 – (vgl. dazu Fußgänger durch Telefonieren abgelenkt: Alleinhaftung) noch eine bußgeldrechtliche Entscheidung – wir wollen es ja mit dem Zivilrecht nicht übertreiben, die sich auch mit dem Mobiltelefon befasst – und zwar mal wieder § 23 Abs. 1a StVO. Es ist der OLG Hamm, Beschl. v. 07.07.2015 – 1 RBs 109/15, der eine Frage aufgreift, die auch schon das OLG Stuttgart im Jahr 2008 entschieden hat. Nämlich – so der Leitsatz:

„Die Benutzung eines Inohr-Headsets, welches anstelle eines Mobiltelefons oder Hörers eines Autotelefons benutzt und während der Fahrt gehalten wird, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1a StVO.

In der Entscheidung leider kein Hinweis auf die „neue“ Formulierung des § 23 Abs. 1a StVO. Aber: Die hätte hier aber auch keine Schwierigkeiten gemacht. Denn festgestellt war zu der Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a stVO:

Am 05.01.2014 um 15:05 Uhr befuhr der Betroffene mit einem Taxi der Marke VW, Kennzeichen pp., die X Straße in T. Währenddessen benutzte er als Führer eines Kraftfahrzeuges verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem er per Druck auf einen entsprechenden Knopf seines Inohr-Headsets das Gespräch annahm und das Inohr-Headset, dessen Halterung defekt war, mit der Hand an sein Ohr hielt, um zu telefonieren.“

Fußgänger durch Telefonieren abgelenkt: Alleinhaftung

Telefonierende oder Smartphone benutzende Fußgänger. Wer kennt sie nicht (mich nerven sie übrigens, weil ich immer denke: So wichtig kann das doch alles nicht sein, was man da kommuniziert)? Und: Nicht selten kommt es zu brenzligen Situationen, ggf. sogar zu einem Verkehrsunfall, weil der Fußgänger durch Telefon oder Smartphone so

© animaflora - Fotolia.com

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abgelenkt ist, dass er nicht auf den Verkehr achtet. So auch in dem OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.04.2016 – 1 U 164/15 – zugrunde liegenden Verkehrsgeschehen. Für den Fußgänger hatte das in dem Fall aber fatale Folgen: Er blieb auf seinem Schaden sitzen, denn das OLG sagt: Grob fahrlässig:

„5. Die Klägerin ihrerseits hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt und damit grob fahrlässig gehandelt, als sie ohne Beachtung des Fahrzeugs des Beklagten zu 2. auf die Straße trat. Weder das Gefahrenzeichen noch die Querungshilfe gaben ihr ein Vorrecht, vielmehr hatte sie gemäß § 25 Abs. 1 StVO das Vorrecht der Fahrzeuge auf der Fahrbahn bei ihrer Straßenüberquerung zu beachten.

a) Erschwerend kommt hinzu, dass die Klägerin selbst dunkel gekleidet und in der Dunkelheit unmittelbar vor dem Fahrzeug der Beklagten zu 1. die Straße betreten und daher mit der ganz rechts befindlichen Front des Fahrzeugs kollidiert ist. Angesichts des geraden Straßenverlaufs, der mäßigen Geschwindigkeit des von der Beklagten zu 1. gefahrenen Fahrzeugs und des eingeschalteten Abblendlichts hätte die Klägerin den Pkw des Beklagten zu 2. bei entsprechender Aufmerksamkeit fraglos erkennen und dessen Vorrang beachten können.

b) Davon abgesehen gibt es keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts begründen könnten, dass die Klägerin während ihrer Teilnahme am Verkehr telefoniert und sich dadurch hat ablenken lassen. Die Klägerin selbst hat zugegeben, dass sie das Handy in der Hand hatte (Bl. 90 GA) und sie hat an der Unfallstelle nicht nur gegenüber der Beklagten zu 1) sondern auch gegenüber dem Zeugen H. erklärt, dass sie telefoniert habe. Zwar gibt es kein allgemeines Handy-Verbot für Fußgänger. § 23 I a StVO verbietet die Benutzung eines solchen Gerätes nur dem Fahrzeugführer. Die Verwendung eines solchen Gerätes durch einen Fußgänger begründet aber besondere Gefahren, namentlich bei der Begegnung mit dem fließenden Verkehr, so dass eine so begründete Aufmerksamkeitsverletzung besonders schwer ins Gewicht fallen muss. Diese ist hier auch unfallursächlich geworden, da angenommen werden muss, dass die Klägerin ohne diese Ablenkung die Gefahr erkannt und auf sie reagiert hätte.

6. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist auf der Beklagtenseite die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs ohne ein feststellbares Verschulden der Beklagten zu 1., auf Klägerseite hingegen ein grob fahrlässiges Verhalten in die Abwägung gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB einzustellen. Zweifellos hat sich in dem Unfall eine Gefahr realisiert, die durch das Fahrzeug geschaffen und durch seine Beschleunigung begründet worden ist. Der Umstand, dass die Klägerin, obwohl sie sich im öffentlichen Verkehrsraum bewegte, telefonierend so ablenken ließ, dass sie offensichtlich ihre Umgebung überhaupt nicht mehr wahrnahm und in diesem Zustand nicht etwa stehen blieb, sondern sich auch noch in Richtung des fließenden Verkehrs fortbewegte, stellt allerdings eine so gravierende Außerachtlassung einfachster Ansprüche gebotener Vorsicht und Rücksichtnahme dar, dass daneben für eine Berücksichtigung der Betriebsgefahr kein Raum mehr ist. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin durch ihre Bekleidung ihre Erkennbarkeit erschwert hat, und angesichts der kurzen Zeitspanne, die zwischen dem Schritt auf die Fahrbahn und der Kollision vergangen ist, auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Unfall für die Beklagte zu 1) unabwendbar war.

Also: „Finger von die Dinger“ 🙂

Verkehrssicherungspflicht, oder: Wie breit muss die Einfahrt in ein Parkhaus sein??

© vschlichting - Fotolia.com

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a ja auch in dieser Woche der Samstag als „Quasifeiertag“ nicht für den „Kessel Buntes“ zur Verfügung steht, weiche ich mit zivilrechtlichen Beiträgen zum Verkehrsrecht auf einen Wochentag aus. Und das ist dann der heutige Donnerstag mit zunächst dem LG Saarbrücken, Urt. v. 16.09.2016, 13 S 73/16. Es geht um Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch eine ungenügende Breite der Einfahrt zu einem Parkhaus. Vom LG wird eine Schadensersatzpflicht verneint:

„Allerdings fällt der Beklagten keine Verletzung der für das Parkhaus bestehenden Verkehrssicherungspflicht zur Last (§ 823 Abs. 1 BGB).
…..

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte nicht bejahen.

aa) Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Breite der Zufahrt zum Parkhaus entspreche nicht der Mindestbreite nach den Vorschriften der saarländischen Garagenverordnung (GarVO) in der derzeit geltenden Fassung, verkennt er, dass das Parkhaus – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – im Zeitpunkt seiner Errichtung den damaligen bau- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprach und insoweit rechtlichen Bestandsschutz genießt. Insoweit bestehen bereits Bedenken dagegen, ob hierauf eine Pflichtverletzung der Beklagten gestützt werden kann, zumal zweifelhaft ist, ob die Regelungen der GarVO überhaupt drittschützende Wirkung entfalten (dies verneinend VG Ansbach, Beschluss vom 06.06.2011 – AN 9 K 11.01011, AN 9 S 11.01003, juris für die entsprechende Vorschrift der bayerischen Garagenstellplatzverordnung).

bb) Dies bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn eine aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht folgende Handlungspflicht (Umbau- oder Nachrüstpflicht, Hinweispflicht) hätte für die Beklagte nur dann bestanden, wenn die Einfahrt zum Parkhaus in ihrem derzeitigen baulichen Zustand mit einer besonderen Gefahr für die Nutzer des Parkhauses verbunden wäre und die Beklagte diese besondere Gefahr erkannt hätte oder bei gehöriger Anstrengung hätte erkennen können (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2010 – VI ZR 223/09, NJW 2010, 1967; OLG Frankfurt, VersR 2002, 249 mit Nichtannahmebeschluss BGH, Beschluss vom 26.06.2001 – VI ZR 393/00; OLG Frankfurt, NJW-RR 2013, 973; OLG Naumburg, MDR 2006, 152; Lange/Schmidbauer in: jurisPK/BGB, 6. Aufl., § 823 Rn. 87; vgl. auch OLG München, VersR 2009, 648, 649). Davon kann indes nicht ausgegangen werden. Zum einen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, das streitgegenständliche Ereignis sei das erste dieser Art gewesen, das seit Bestehen des Parkhauses bekannt geworden sei. Zum anderen ist das Befahren der Einfahrt zum Parkhaus in der derzeitigen Breite von jedenfalls 2,55 m (gegenüber 3,00 m Mindestbreite nach § 2 Abs. 3 GarVO in der aktuellen Fassung) mit keiner solchen Gefahr für die Nutzer des Parkhauses verbunden, dass für die Beklagte Veranlassung bestanden hätte, gefahrvermeidende Maßnahmen zu ergreifen. Dies gilt insbesondere, weil die auf dem Markt befindlichen Fahrzeugmodelle selbst mit Außenspiegel Breiten aufweisen, mit denen das Befahren der Parkhauseinfahrt im derzeitigen baulichen Zustand ohne weiteres möglich ist (so z.B. für einen Audi A 6: 2,09 m bei einer bestehenden Breite von jedenfalls 2,55 m; vgl. hierzu die Tabelle des ADAC zur Breite der gängigsten Fahrzeugmodelle, abrufbar über https://www.adac.de/_mmm/pdf/920_Fahrzeugbreiten_1_211035.pdf). Dass von der Einfahrt zum Parkhaus in ihrer derzeitigen Breite keine besondere Gefahr für die Nutzer von Großgaragen besteht, folgt nicht zuletzt daraus, dass in anderen Bundesländern Mindestbreiten für ausreichend gehalten werden, die nur geringfügig über der derzeitigen Breite der Einfahrt liegen (vgl. etwa § 2 baden-württembergische GaVO und § 2 bayerische Garagen- und Stellplatzverordnung: jeweils 2,75 m).“

Verfahrensrüge III:, oder: Bei der Aufklärungsrüge muss alles auf den Tisch

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Der dritte Beitrag zur revisionsrechtlichen Verfahrensrüge betrifft den OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2016 – 3 RVs 80/16. In ihm hat das OLG u.a. eine Aufklärungsrüge behandelt, die – wie fast alle – Aufklärungsrügen – natürlich unzulässig war:

„c) Die Aufklärungsrüge, das Landgericht habe den behandelnden Arzt des Angeklagten als Zeugen vernehmen und ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müssen, ist auch nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechend begründet worden. Eine ordnungsgemäße Aufklärungsrüge verlangt die Angabe der Beweistatsachen, des Beweismittels und der Tatsachen, die den Tatrichter zum Gebrauch des Beweismittels gedrängt oder dessen Gebrauch zumindest nahegelegt haben sollen. Ferner ist mitzuteilen, welche – dem Angeklagten günstige – Tatsache die unterlassene Beweisaufnahme ergeben hätte, wobei es nicht genügt, ein günstiges Ergebnis lediglich als möglich darzustellen. Ferner ist auszuführen, in welchem Umfang eine Beweiserhebung bereits stattgefunden hat. Diesen Anforderungen wird das Rügevorbringen nicht gerecht. Es fehlt die schlüssige Mitteilung von Umständen, die das Gericht zu einer weiteren Aufklärung gedrängt haben können. Aus dem Rügevorbringen ergibt sich lediglich, dass der Verteidiger des Angeklagten (pauschale) Angaben zu Rauschmittelkonsum und Medikamenteneinnahme des Angeklagten im Tatzeitraum gemacht hat. Es fehlen Angaben zu Art und Menge der eingenommenen Schmerzmedikamente und zur Häufigkeit des Suchtmittelkonsums. Unklar bleibt auch, ob der Angeklagte sich zu den Angaben seines Verteidigers und wenn ja wie eingelassen hat. Auf der Grundlage der mitgeteilten Tatsachen ist keine Beurteilung möglich, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Medikamenten- und Suchtmittelkonsum und den abgeurteilten Taten überhaupt ernsthaft in Betracht kam.“

Also: Da muss alles auf den Tisch….

Verfahrensrüge II, oder: „Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts….

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In Verfahrensrüge I, oder: Bitte nicht selbst ein Bein stellen….  ging es um eine Verfahrensrüge, in der „nichts gepasst hat“. Der nachstehend vorgestellte BGH, Beschl. v. 27.09.2106 – 4 StR 263/16 – zeigt dann mal wieder, wie streng der BGH doch ist. Hier hatte der Verteidiger im Grunde alles vorgetragen, nur eben nicht an der richtigen Stelle:

„Die dritte Verfahrensrüge des Angeklagten A. Y. – Verstoß gegen § 67 Abs. 1 und 2 JGG – ist bezüglich der Verwertung der Vernehmung durch den Haftrichter nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision trägt zu dieser Rüge lediglich den in der Hauptverhandlung vom 27. April 2015 erhobenen Widerspruch gegen die Verwertung der Inhalte der polizeilichen Beschuldigtenver-nehmung durch die Zeugen T. und W. sowie die im Hauptverhandlungstermin vom 5. Oktober 2015 vorgetragene ergänzende Begründung aus dem Schriftsatz vom 1. Oktober 2015 vor. Der in der Hauptverhandlung vom 27. April 2015 erhobene Widerspruch stützte sich zudem lediglich auf die unterlassene Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und eine fehlende erneute Belehrung über das Recht auf Verteidiger-konsultation vor der Vernehmung zur Sache, nicht aber auf eine Verletzung des § 67 Abs. 1 und 2 JGG (zur Rügepräklusion vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f.). Der Schriftsatz vom 1. Oktober 2015 gibt, abgesehen davon, dass die Ausführungen auch verspätet wären, im Hinblick auf § 67 JGG lediglich die Angaben des Zeugen W. zur fehlenden „Konsultation“ des Er- ziehungsberechtigten wieder. Den in der Hauptverhandlung vom 19. Mai 2015 erhobenen Widerspruch – Schriftsatz vom 4. Mai 2015 -, der sich auch auf die Verletzung von § 67 JGG durch den Haftrichter stützt, teilt die Revision bei dieser Rüge nicht mit, sondern nur zur zweiten Verfahrensrüge. Dies reicht zur Begründung nicht aus…“

Und dann gibt es eben den Satz:

„Es kann nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sein, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei auch noch den Sachzusammenhang selbst herzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463 mwN).“

Na ja….