Gebührenrechtlicher Unsinn aus Hessen, oder: Wir wissen es besser als die h.M.

© Alex White - Fotolia.com

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Gebührenrechtlicher Unsinn ist m.E. der AG Hanau, Beschl. v. 08.11.2016 – 55 OWi 2255 Js 21203/15 – zur zuästzlichen Verfahrengebühr Nr. 5115 VV RVG. Der Kollege Pfeifer aus Rodenbach, war Verteidiger des Betroffenen im Bußgeldverfahren. Die Hauptverhandlung war für den 06.06.2016 anberaumt. Der Verteidiger beantragte mit Schreiben vom 25.05.2016 die Einstellung des Verfahrens. Er stellte in diesem Zusammenhang mehrere Beweisanträge, die darauf abzielten, dass das vorliegende Messergebnis nicht verwertbar sei. Der Hauptverhandlungstermin wurde nicht aufgehoben. In der Hauptverhandlung wurden weitere Unterlagen vorgelegt, die die Amtsrichterin dazu veranlassten, den Termin zu vertagen, um den Beweisanträgen nachzugehen. Die daraufhin eingeholten Stellungnahmen führten zur Einstellung des Verfahrens. Der Kollege hat auch die Gebühr Nr. 5115 VV RVG geltend gemacht. Die ist von der Rechtspflegerin nicht festgesetzt worden. Das AG führt aus:

„Dass die Mitwirkung des Verteidigers im vorliegenden Fall zur Einstellung des Verfahrens beigetragen hat, steht außer Frage. Es bleibt lediglich zu prüfen, ob tatsächlich ein Hauptverhandlungstermin entbehrlich geworden ist. Diese Frage ist nach Ansicht des Gerichts zu verneinen.

Hätte die Richterin den Hauptverhandlungstermin auf Grund der Eingaben des Verteidigers aufgehoben, so wäre die Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG ohne Zweifel entstanden. Gleichzeitig wäre aber eine Terminsgebühr nicht angefallen.

Das Gericht sieht im vorliegenden Fall nicht, dass es zu einem weiteren Hauptverhandlungstermin hätte kommen müssen. Letztendlich hatte sich im schriftlichen Verfahren bestätigt, was der Verteidiger mit Schreiben vom 25.05.2016 vorgetragen hatte. Es gab somit keinen Grund, einen weiteren Termin anzuberaumen. Somit wurde durch die Einstellung auch keine Hauptverhandlung entbehrlich und die Voraussetzungen der Nr. 5115 VV RVG sind nicht erfüllt. Die Gebühr war daher abzusetzen.“

Die Entscheidung ist falsch und widerspricht der ganz h. M. in dieser Frage, die sowohl bei der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG als auch bei der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG eine Rolle spielt. Dazu verweise ich auf Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl., VV 4141 Rn 23; Burhoff JurBüro 2011, 287; Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rdn 39 lfd. Nr. 5 und 6 und die dortigen Ncahweise.

Dem AG kann man aber wegen der falschen Entscheidung im Grunde keinen Vorwurf machen. Denn es bezieht sich – muss sich beziehen (?) –  auf Rechtsprechung seines übergeordneten OLG Frankfurt am Main, das offenbar in ständiger Rechtsprechung die Frage ebenso falsch löst (vgl. den vom AG zitierten OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 5.3.2011 – 2 Ws 177/11). Und das, obwohl der BGH die Frage zuvor anders entschieden hatte. Zur Begründung bezieht sich das OLG auf die sprachliche Änderung im RVG gegenüber der BRAGO, nämlich „die Hauptverhandlung“ in Nr. 4114 VV RVG anstelle „eine Hauptverhandlung“ in § 84 Abs. 2 BRAGO. Dazu hatte aber schon das OLG Bamberg  darauf hingewiesen, dass es sich dabei eine sprachliche Änderung handelt, mit der keine rechtlichen Folgerungen ausgelöst werden sollten. Dafür ergibt sich auch nichts aus den Gesetzesmaterialien zum RVG (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 227). Denen lässt sich vielmehr entnehmen, dass auch mit den Nrn. 4114 bzw. 515 VV RVG dem Rechtsanwalt in den in den Vorschriften genannten Fällen eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt werden, um den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, zu erhöhen. Ziel der Regelung ist eine Verringerung der Arbeitsbelastung der Gerichte. Und diese wird nicht nur erreicht, wenn der „erste“ Hauptverhandlungstermin vermieden wird, sondern auch, wenn es um weitere Hauptverhandlungstermine geht. Auch die müssen vorbereitet werden. Es mag sein, dass die Vorbereitung des ersten Hauptverhandlungstermins ggf. umfangreicher und arbeitsintensiver ist als die der weiteren Termine, die nach Aussetzung anberaumt werden. Das hat aber auf die Nr. 4141 VV RVG keinen Einfluss. Denn diese Regelung verlangt nicht, wie offenbar das OLG Frankfurt (a.a.O.) meint, eine Vermeidung jeglicher Arbeitsbelastung. Der Verteidiger des Betroffenen im Verfahren des AG Hanau hat Erinnerung eingelegt.

Es ist zu hoffen, dass die Gerichte im Zuständigkeitsbereich des OLG Frankfurt zur Besinnung kommen und/oder das OLG Frankfurt eine unzutreffende Mindermeinung aufgibt und sich der zutreffenden h.M. anschließt. Dazu gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt, allerdings: Ich habe beim OLG Frankfurt wenig Hoffnung…..

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