Messauswertung durch Private, oder: Beweisverwertungsverbot (im Saarland?)

© ProMotion - Fotolia.com

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So. Heute will ich dann mal mit einigen OWi-Entscheidungen „aufwarten“. Zum Teil sind die Entscheidungen beim Kollegen Gratz im VerkehrsrechtsBlog schon gelaufen. Ich schiebe sie aber dann dennoch auch hier noch einmal nach.

Beginnen will ich mit einer erfreulichen Entscheidung. Es ist das AG Neunkirchen, Urt. v. 27.04.2016 – 19 OWi 68 Js 778/15 (234/15), ein AG das sich in meinen Augen zu einem „Hort der Rechtstaatlichkeit“ entwickelt hat. Man kann über viele schöne Entscheidungen, die von dem AG kommen, berichten. In diesem Urteil geht es um die Frage eines Beweisverwertungsverbotes, wenn die Verwaltungsbehörde im Rahmen der Geschwindigkeitsüberwachung – insbesondere im Rahmen der Auswertung von Messungen – „sehenden Auges“ gegen die Vorschriften eines ministerialen Erlasses verstößt. Das AG hat ein Beweisverwertungsverbot für ein vorliegendes Messfoto bejaht und sich dazu auf OLG-Rechtsprechung (OLG Frankfurt NStZ 2003, 342; OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12 und Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr) berufen:

„d) Aus den oben genannten Gründen hat die Stadt Neunkirchen wie dargelegt als zuständige Behörde in erheblicher Weise gegen die Bestimmungen des Saarländischen Erlasses verstoßen. Da ihr der Erlass auch bekannt war und dieser klar und deutlich die Grenzen der Einbindung Privater in die Verkehrsüberwachung regelt und definiert, hat sie diese Vorgaben nach Auffassung des Gerichts zumindest grob fahrlässig missachtet, so dass im vorliegenden Fall aus den genannten Gründen von einem Beweisverwertungsverbot bzgl. der Messfotos auszugehen ist.

Davon abgesehen, hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass im vorliegenden Fall überhaupt eine hoheitliche Messung bzw. Auswertung vorliegt. Denn letztlich ist nach Auffassung des Gerichts nicht mit der hinreichenden Sicherheit festzustellen, ob die Auswertung der Daten überhaupt noch hoheitlich erfolgt und die Messfotos im vorliegenden Fall unverändert sind.“

Die vom AG Neunkirchen entschiedene Sache war inzwischen übrigens auch schon beim OLG Saarbrücken. Das hat im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.09.2016 – Ss RS 21/16 – den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Betroffenen verworfen. Allerdings nicht deshlab, weil es auch von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen ist, sondern aus den Gründen des Rechtsbeschwerderechts. Denn es erfolgt keine Zulassung bei formellen (Verfahrens)Fragen:

„Bei den hier in Rede stehenden und auch von der Staatsanwaltschaft zur Begründung ihres Zulassungsantrags formulierten Fragen, wie die Ordnungsbehörde bei der Hinzuziehung eines privaten Unternehmens zur Auswertung der bei einer Verkehrsüberwachung (hier: Geschwindigkeitsmessung) erlangten Messdaten ihre Verantwortung auszufüllen hat, um Herrin des Verfahrens zu bleiben, unter welchen Voraussetzungen ihr diesbezügliches Handeln rechtswidrig (gesetz- und/oder erlasswidrig) ist und ob in einem solchen Fall eines rechtswidrig erhobenen Beweises ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, handelt es sich nicht um Fragen des materiellen Rechts, sondern um solche des Verfahrensrechts. Zum Verfahrensrecht gehören die Vorschriften, die den Weg bestimmen, auf dem der Richter zur Entscheidungsfindung berufen und gelangt ist; alle anderen Vorschriften sind dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337 Rn. 8; Göhler/Seitz, a. a. O., § 80 Rn. 16f). Vorliegend geht es um die Rechtmäßigkeit des der Entscheidung vorangegangenen Verfahrens, nämlich um die Frage, ob im ordnungsbehördlichen Bußgeldverfahren erhobene Beweise rechtmäßig erlangt worden sind. Hierbei handelt es sich ebenso wie bei der Frage, ob aus einem etwaigen Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgt, um eine verfahrensrechtliche Frage, zumal die Erörterung, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, von der Frage des Vorliegens eines Beweiserhebungsverbots nicht getrennt werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 05.10.2009 — 3 Ss OWi 764/09, juris Rn. 6; Beschl. v. 11.11.2009 — 3 Ss OWi 856/09, juris Rn. 6; OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.01.2011 — 5 Ss 732/10, BI. 164 ff. d. A.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.10.2014 — 3 (4) SsRs 259/14 — P.K 78/14, BI. 168 d. A.; OLG Bamberg, Beschl. v. 04.08.2015 — 3 Ss OWi 874/15, juris).“

Den Betroffenen wird das nicht interessieren. Denn er ist/bleibt frei gesprochen 🙂 .

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