„Und täglich grüßt das Murmeltier“, oder: Der Betroffene muss die Entschuldigung nicht „nachweisen“

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„Und täglich grüßt das Murmeltier“ – so könnte man m.E. die mit dem Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG zusammenhängenden Fragen auch überschreiben. Denn es sind immer wieder dieselben Problem/Fragen, die die OLG nach der Verwerfung des Einspruchs durch den Amtsrichter wegen unentschuldigten Ausbleibens des Betroffenen in der Hauptverhandlung beschäftigen. Häufig geht es um die Frage, ob der Betroffene nicht doch hätte von seiner Anwesenheitspflicht hätte entbunden werden müssen (§ 73 OWiG). Oder: Auch beliebt sind die Verwerfungen, weil (angeblich) die Entschuldigung des Betroffenen für das Ausbleiben nicht ausreichend war.

Mit der letzten Problematik befasst sich (noch einmal) der KG, Beschl. v. 16.11.2015 – 3 Ws (B) 541/15 – ja hängt schon länger in meinem Ordner. Das AG hatte den Einspruch des Betroffenengem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil er in der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, das vom Betroffenen eingereichte ärztliche Attest, das ihm Kreislaufstörungen bescheinige, lasse Art und Schwere der Erkrankung nicht erkennen. Erst nach genauer Darlegung der Symptome sei dem Gericht die Feststellung möglich, ob dem Betroffenen das Erscheinen bei Gericht zuzumuten gewesen wäre. Und der Einzelrichter macht es kurz und zackig, und zwar mit Recht, weil zu der Frage schon alles gesagt ist, was gesagt werden muss/musste:

„Die Rüge ist auch begründet. § 74 Abs. 2 OWiG setzt nicht voraus, dass der Betroffene sich genügend entschuldigt hat, sondern dass ihm objektiv das Erscheinen nicht zuzumuten war. Es kommt nicht darauf an, was er selbst zur Entschuldigung vorgetragen hat. Erst recht ist er nicht zur Glaubhaftmachung oder gar zum Nachweis der vorgebrachten Entschuldigungsgründe verpflichtet. Maßgebend ist allein, ob sich aus den dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannten und im Wege des Freibeweises feststellbaren Umständen eine ausreichende Entschuldigung ergibt. Das Gericht muss konkreten Anhaltspunkten für mögliche Entschuldigungsgründe von Amts wegen – etwa durch Nachfrage beim Aussteller des Attests nachgehen und sich die volle Überzeugung davon verschaffen, ob diese vorliegen. Verbleiben trotz Ausschöpfens aller Erkenntnisquellen noch Zweifel,  darf ein Verwerfungsurteil nicht ergehen (Senat, a. a. O.; Beschluss vom 16. Juni 2010 – 3 Ws (B) 203/10 –, juris Rn. 2; st. Rspr.).

Diesen Vorgaben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Amtsgericht hat den Einspruch verworfen, obwohl die ihm zur Verfügung stehenden Informationen nach seiner eigenen Einschätzung für eine Überzeugungsbildung nicht ausreichten. Indem es dazu auf fehlende Darlegungen des Betroffenen verwiesen hat, ist es erkennbar von der unzulässigen Annahme ausgegangen, dass sich Zweifel am Vorhandensein eines Entschuldigungsgrundes zulasten des Betroffenen auswirken. 

Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler. Anders wäre es nur dann, wenn der Inhalt des Attests ganz offensichtlich nicht geeignet gewesen wäre, das Ausbleiben in der Hauptverhandlung genügend zu entschuldigen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. September 2015, a. a. O., m. w. N.). Das ist aber bei einem Attest, in dem ein Arzt dem Betroffenen Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt, nicht der Fall (vgl. Senat, a. a. O.; Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 74 Rn. 29 m.w.N.).“

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