Archiv für den Monat: März 2016

VW-Abgasskandal: Hier dann LG Bochum/LG Münster zur „VW-Schummelsoftware“

entnommen wikimedia.org Urheber User: High Contrast

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Heute dann außer der Reihe mal an einem Donnerstag Verkehrszivilrecht, na ja: Vielleicht doch nicht ganz, sondern – zumindest im Hintergrund – auch ein wenig Strafrecht? Nun, es geht um den VW-Abgasskandal – das Dieselgate – und die ersten landgerichtlichen Urteile zur „VW-Schummel-Software“, nämlich das LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15 und das LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 11 O 341/15.

Der VW-Konzern und die VW-Händler werden sich über beide Entscheidungen freuen, denn beide LG haben die Klagen auf  Rückabwicklung der Kaufverträge wegen der in den Fahrzeugen verbauten „Schummelsoftware“ abgewiesen. Die LG gehen zwar von einem Mangel aus – na, das ist doch schon mal was, aber: Der Mangel liegt unterhalb der sog. Erheblichkeitsschwelle, sodass ein Anspruch auf Rücktritt verneint worden ist. Dabei gehen die LG von Kosten der Mängelbeseitigung aus, die im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind/sein sollen/werden.

Und: Beide LG stellen darauf ab, dass den Verkäufern die Nacherfüllung erst möglich ist, wenn die Nachbesserungsmaßnahmen konkret durch den Hersteller zur Verfügung gestellt werden. Den Käufern sei zuzumuten, abzuwarten, bis der Hersteller einen Vorschlag unterbreitet, der mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmt ist. Schön und gut, man fragt sich allerdings, wie lange das noch dauern soll.

Nun, ich denke, die angesprochenen Fragen werden sicherlich durch die beiden LG nicht abschließend behandelt worden sein. Das letzte Wort wird im Zweifel der BGH sprechen.

Und hier dann noch einmal: VRR_11_2015_Abgas_VW_Blitzausgabe_1

Achtung!! Keine Faxen beim Faxen, erst recht nicht kurz vor Fristablauf

UhrAus dem Zivilrecht stammt der BGH, Beschl. v. 19.02.2016 – XI ZB 14/15, der eine „Faxproblematik“ zum Gegenstand hat und die damit zusammenhängende Wiedereinsetzungsfrage. Ergangen ist er zwar im Zivilrecht, er kann aber auch im Strafverfahren von Bedeutung sein. Es ging um den rechtzeitigen Eingang einer Berufungsbegründung:

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 05.02.2015 gemäß der Zeitangabe auf seinem Telefaxgerät ab 23:50 Uhr versucht, eine elfseitige Berufungsbegründungsschrift an das Berufungsgericht unter der Durchwahl-nummer -3570 zu senden. Um 23:50 Uhr, 23:52 Uhr und 23:54 Uhr jeweils nach der Zeitangabe des Sendegeräts hat er die Rückmeldung erhalten: „Teilnehmer antwortet nicht“. Um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) ist ihm das Ergebnis des Sendevorgangs mit „Korrekt“ und die Dauer der Übersendung von zwölf Seiten (letzte Seite zweifach) mit 2 Minuten 50 Sekunden mitgeteilt worden. Eine ebenfalls um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) von einem zweiten Telefaxgerät veranlasste Übermittlung von elf Seiten an die zweite Durchwahlnummer des Berufungsgerichts -2747 ist mit „OK“ und einer Übertragungsdauer von 2 Minuten 13 Sekunden auf dem Journal des Sendegeräts niedergelegt.

Auf dem Empfangsjournal des Telefaxgeräts des Berufungsgerichts zur Durchwahlnummer -3570 ist für den 05.02.2015 ab 23:53 Uhr der Eingang eines fünfunddreißigseitigen Schriftsatzes der Rechtsanwälte S. dokumentiert, dessen Übermittlung laut Empfangsjournal 6 Minuten 13 Sekunden gedauert hat. Für den 6. Februar 2015 ist ab 00:00 Uhr der Eingang von zwölf Seiten über 2 Minuten 57 Sekunden verzeich-net. Das Empfangsjournal des zweiten Telefaxgeräts dokumentiert für den 6. Februar 2015 ab 00:00 Uhr den Eingang von elf Seiten über eine Dauer von 2 Minuten 23 Sekunden. Die Posteingangsstelle des Berufungsgerichts hat auf einem Telefax zunächst einen auf den 05.02.2015 datierten Eingangsstempel aufgebracht, den sie nachträglich auf den 06.02.2015 korrigiert hat.

Das Berufungsgericht hat nach Erteilung eines Hinweises und Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der bei der Posteingangsstelle tätigen Bediensteten die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe die Berufung nicht innerhalb der bis zum 05.02.2015 verlängerten Frist begründet. Die Übermittlung von Telefaxen sei vor Ablauf des 05.02.2015 nicht nur nicht vollendet, sondern ausweislich der Empfangsjournale nicht begonnen worden.

Der BGH hat es „gehalten“:

„2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbe-schwerde dem Kläger Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung rechtsfehlerfrei und ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG versagt, so dass auch insoweit eine Entscheidung des Senats zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich ist. Der Kläger war nicht ohne das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) gehindert, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht die Anforderungen, die an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts zu stellen sind, nicht überspannt.

a) Zwar darf der Prozessbevollmächtigte einer Partei bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebunde-nen Schriftsatz wie hier am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Das zur Fristwahrung Gebotene tut der Anwalt bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nur, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24:00 Uhr gerechnet wer-den kann (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2011 – XI ZB 24/10, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 7 mwN).

b) Das war hier nicht der Fall. Nach den vorgenannten Grundsätzen widersprach es den Sorgfaltsanforderungen, erst wenige Minuten vor Fristablauf mit der Übersendung zu beginnen. Eine Partei muss bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze nicht nur Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden die Belegung des Empfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2011 – XI ZB 24/10, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 8). Sie muss auch sicherstellen, dass der Empfang der Sendung noch innerhalb der Frist abgeschlossen werden kann.

Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muss, nicht getan. Entsprach, wovon das Berufungsgericht aufgrund der eingeholten dienstlichen Stellungnahme zutreffend ausgegangen ist, die täglich mit einer Funkuhr abgeglichene Zeitangabe der Empfangsgeräte der physikalisch exakten Zeit und gingen damit die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verwendeten Sendegeräte vier Minuten „nach“, scheiterte die Übermittlung zwischen 23:54 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:50 Uhr) und 23:59 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:55 Uhr) daran, dass, worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers eingestellt sein musste, das Empfangsgerät mit der Durchwahlnummer -3570 ausweislich des Empfangsprotokolls zwischen 23:53 Uhr und 23:59 Uhr belegt war. Damit war, was das Berufungsgericht ohne Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geschlussfolgert hat, das Fristversäumnis nicht unverschuldet, zumal für die Übermittlung ein zweites Empfangsgerät des Berufungsgerichts zur Verfügung gestanden hätte.“

Dazu passt dann der BVerfG, Beschl. v.15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 und dazu Beim Faxen keine Faxen machen, sondern: Sicherheitspolster einkalkulieren.

Wenn Angeklagter und Verteidiger durch eine Trennscheibe getrennt sind/werden…

© digital-designer - Fotolia.com

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Aus der Prozessberichterstattung im Fernsehen kennt man die Sitzungssäle im OLG Düsseldorf, in denen die Staatsschutzsenate Staatsschutzsachen verhandeln. Daher wissen wir auch, dass es in diesen Sälen bauseits angebrachte und mit Sprechstellen versehene Trennscheiben gibt, durch die die Angeklagten von den übrigen Verfahrensbeteiligten – auch von ihren Verteidigern – getrennt werden. In einem der derzeit anhängigen Verfahren beim OLG Düsseldorf hatte einer der Verteidiger beantragt, stattdessen eine Trennscheibe am Tisch der Verteidigung zwischen dem Sitzplatz des Angeklagten und dem des Verteidigers einzurichten. Das hat die Senatsvorsitzende abgelehnt. Dagegen hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt, über die nun der BGH im BGH, Beschl. v.10.03.2016 – StB 3/16 – entschieden hat. Er hat die sitzungspolizeiliche Maßnahme der Vorsitzenden bestätigt, wobei er die grundsätzliche Frage offen gelassen hat, ob eine solche Maßnahme überhaupt mit der Beschwerde angefochten werden kann. Er kommt aus anderen Gründen zur Unafechtbarkeit:

Denn auch bei Annahme der grundsätzlichen Anfechtbarkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen würde sich diese nach den allgemeinen Vorschriften über die Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO richten, mit der alle richterlichen Entscheidungen angegriffen werden können, sofern sie nicht ausdrücklich von der Anfechtbarkeit ausgenommen sind. Eine solche generelle Ausnahme beinhaltet § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO für Verfügungen und Beschlüsse der Oberlandesgerichte. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Ober-landesgerichte erstinstanzlich tätig werden, sieht § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO zwar wiederum einen Katalog von Rückausnahmen vor; diesem Katalog unterfällt die hier angegriffene sitzungspolizeiliche Anordnung der Vor-sitzenden des 7. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf indes nicht.

Soweit der Beschwerdeführer meint, die Trennscheibenanordnung müsse hier der Beschwerde unterliegen, weil mit ihr eine „derart weitgehende Beschränkung der Verteidigung“ einhergehe, dass sie mit den anfechtbaren Maß-nahmen im Sinne von § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO vergleichbar sei, ist dies nicht nachzuvollziehen:

Die von § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO erfassten Fälle betreffen mit der Verhaftung, der Durchsuchung oder bestimmten geheimen Ermitt-lungsmaßnahmen besonders eingriffsintensive Maßnahmen (Nr. 1), die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses (Nr. 2), die Verhandlung in Abwesenheit eines Angeklag-ten (Nr. 3), die Akteneinsicht (Nr. 4) und Entscheidungen, die den Widerruf einer Strafaussetzung oder des Straferlasses betreffen (Nr. 5).

Denn auch bei Annahme der grundsätzlichen Anfechtbarkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen würde sich diese nach den allgemeinen Vorschriften über die Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO richten, mit der alle richterlichen Entscheidungen angegriffen werden können, sofern sie nicht ausdrücklich von der Anfechtbarkeit ausgenommen sind. Eine solche generelle Ausnahme beinhaltet § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO für Verfügungen und Beschlüs-se der Oberlandesgerichte. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Ober-landesgerichte erstinstanzlich tätig werden, sieht § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO zwar wiederum einen Katalog von Rückausnahmen vor; diesem Katalog unterfällt die hier angegriffene sitzungspolizeiliche Anordnung der Vor-sitzenden des 7. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf indes nicht.

Soweit der Beschwerdeführer meint, die Trennscheibenanordnung müsse hier der Beschwerde unterliegen, weil mit ihr eine „derart weitgehende Be-schränkung der Verteidigung“ einhergehe, dass sie mit den anfechtbaren Maß-nahmen im Sinne von § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO vergleichbar sei, ist dies nicht nachzuvollziehen:

Die von § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO erfassten Fälle betreffen mit der Verhaftung, der Durchsuchung oder bestimmten geheimen Ermittlungsmaßnahmen besonders eingriffsintensive Maßnahmen (Nr. 1), die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder die Einstellung wegen eines Ver-fahrenshindernisses (Nr. 2), die Verhandlung in Abwesenheit eines Angeklag-ten (Nr. 3), die Akteneinsicht (Nr. 4) und Entscheidungen, die den Widerruf einer Strafaussetzung oder des Straferlasses betreffen (Nr. 5). Eine allenfalls im engsten Rahmen in Betracht kommende analoge Anwendung der nach ständiger Rechtsprechung restriktiv auszulegenden Ausnahmeregelung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 304 Rn.12 mwN) kommt nur in Betracht, wenn die angegriffenen Entscheidungen -insbesondere im Hinblick auf die durch sie beeinträchtigten Rechtspositionen – mit den im Katalog dieser Vorschrift genannten vergleichbar sind (vgl. BGH aaO).

Für Anordnungen, die lediglich den Vollzug der Untersuchungshaft be-treffen, wird eine solche Vergleichbarkeit abgelehnt (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 – StB 19/11, BGHR StPO §304 Abs.5 Verhaftung 5; KK-Zabeck, StPO, 7. Aufl., § 304 Rn.7 mwN). Nichts anderes gilt hier hinsicht-lich der Verfügung, mit der die Verwendung der bauseits angebrachten und mit Sprechstellen versehenen Trennscheibe, durch die die Angeklagten von den übrigen Verfahrensbeteiligten getrennt werden, auch im Verfahren gegen den Angeklagten angeordnet worden ist, betrifft sie doch nur die Ausgestaltung der räumlichen Anordnung der Sitzplätze des Angeklagten und seines Verteidigers während der Durchführung der Hauptverhandlung. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Verteidigung ist damit auch mit Blick auf die räumlichen Gegebenheiten in den Sitzungssälen des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die dem Senat aus eigener Anschauung bekannt sind, nicht verbunden.“

Na, da werde ich dann in Burhoff, Hauptverhandlung, wohl eine neue Randnnumer einfügen müssen.

Die „ungewöhnlich hohe Freiheitsstrafe“ und die „gänzlich überflüssigen Erwägungen“…..

© eyetronic Fotolia.com

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Und dann zum Abschluss des heutigen Tages noch einmal Strafzumessung, und zwar den BGH, Beschl. v. 02.12.2015 – 2 StR 317/15. Verurteilt worden ist der Angeklagte vom LG wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Das ist dem BGH, wie seine Ausführungen zeigen – eindeutig zu hoch:.

„3. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Tatgericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Eine ungewöhnlich hohe Strafe bedarf dementsprechend einer besonderen Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 – 5 StR 264/12, StraFo 2012, 419, und vom 20. September 2010 – 4 StR 278/10, NStZ-RR 2011, 5 mwN). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. In Anbetracht der gravierenden mildernden Faktoren – der Angeklagte handelte spontan, alkoholisch enthemmt und affektiv erregt; die Verletzungen der geschädigten Zeugin G. , die zum Tatzeitpunkt mit ihm in einer langjährigen Beziehung gelebt hat, sind bis auf eine Narbe folgenlos ausgeheilt; der Angeklagte ist lediglich wegen Beleidigung unwesentlich vorbestraft und Erstverbüßer – hätte die Festsetzung der angesichts vergleichbarer Fälle ungewöhnlich hohen Freiheitsstrafe eingehender Begründung bedurft. Dies gilt auch eingedenk des erheblichen Unrechtsgehalts der Straftat.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zudem ausgeführt, dass „nach Auffassung der Kammer während des Verlaufs des Verfahrens zu unterschiedlichen Zeitpunkten seitens der Familie des Angeklagten wiederholt versucht worden ist, auf die Zeugin G. einzuwirken und diese in ihrem Aussageverhalten zu beeinflussen. Dieses Ausüben von Druck war jedoch nicht zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, da insoweit nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Angeklagte seinerseits […] Einfluss genommen hätte“ (UA S. 54).

Der Senat kann nicht nur nicht ausschließen, dass diese gänzlich überflüssigen Erwägungen, aus denen andererseits nicht ersichtlich wird, inwieweit die vielfältigen und ambivalenten Aussagen der Geschädigten (vgl. UA S. 15 f., 18 f., 21, 23 f.,32 f., 35), die wiederholt darauf gedrungen hat, dass der Angeklagte nicht bestraft wird, ausreichend berücksichtigt worden sind, und sich somit für den Angeklagten letztlich doch nachteilig bei der Bemessung der Freiheitsstrafe ausgewirkt haben. Sofern das mangelnde Bestrafungsinteresse der Geschädigten (auch) selbstmotiviert gewesen sein sollte, dürfte dieses zudem als weiterer mildernder Faktor in die Strafzumessung einzustellen sein.“

Also noch einmal. Und zwar die allgemeine Strafkammer und nicht das Schwurgericht….

Der (unbestrafte) Familienvater ist besonders haftempfindlich ….

© Birgit Reitz-Hofmann - Fotolia.com

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 29.09.2015 – 5 RVs 121/15 – ist strafzumessungsrechtlich interessant. Nicht wegen der Ausführungen des OLG zu § 47 StGB und zur Frage der Begründung der Unerlaässlichkeit“ der verhängten kurzfristigen Freiheitsstrafe. Insoweit etnhält der Beschluss nichts Neues, das sind „olle Kamellen“, was das OLG dazu ausführt. Interessant ist der Beschluss vielmehr wegen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen, die das OLG beim AG beanstandet, und zwar zum zweiten Mal.

Das AG hatte den Angeklagten bereits im Sommer 2014 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis u.a. zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Auf die Revision hatte das OLG im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und zurückverwiesen. Im zweiten „Durchgang“ hat das AG dann noch eine (Gesamt)Freiheitsstrafe von vier Monaten“ festgesettzt.

Und das OLG beanstandet erneut. Einmal wegen der viel zu knappen Ausführungen zur § 47 StGB. Und das ist das OLG „not amused“, wenn es ausführt:

„b) Außerdem hat das Amtsgericht erneut verkannt, dass bereits im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 46 StGB) zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen ist, dass dieser als Familienvater, der bislang keine Hafterfahrung gesammelt hat, besonders haftempfindlich ist.

Soweit das Amtsgericht bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB ausgeführt hat, im Fall des Angeklagten sei gerade nicht von einer besonderen Haftempfindlichkeit auszugehen, wird zum einen die gebotene Trennung von Strafzumessungserwägungen und Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung außer Acht gelassen. Zum anderen hat das Amtsgericht die nach § 358 Abs. 1 StPO bestehende Bindungswirkung hinsichtlich der Aufhebungsansicht des Revisionsgerichts verkannt. Zu den für die Aufhebungsansicht tragenden sachlich-rechtlichen Erwägungen können Rechtsausführungen aller Art gehören, so auch über Strafzumessungserwägungen (vgl. BGH, NStZ 1993, 552; Gericke, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 358 Rdnr. 9). Der teilweisen Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils vom 31. Juli 2014 durch den Senatsbeschluss vom 27. November 2014 lag ausdrücklich die Rechtsauffassung zugrunde, dass zugunsten des Angeklagten, der Familienvater ist und bislang noch keine Haftstrafe verbüßt hat, eine besondere Haftempfindlichkeit anzunehmen ist. Das Amtsgericht hat gleichwohl eine besondere Haftempfindlichkeit mit der Erwägung verneint, der Angeklagte habe als Familienvater gewusst, welches Risiko er mit der weiteren Begehung einer Straftat eingegangen sei. Damit hat das Amtsgericht die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Der Verstoß gegen § 358 Abs. 1 StPO ist bereits auf die allgemeine Sachrüge hin zu prüfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 358 Rdnr. 10).“