Ein paar Gedanken zur „Einlassung“ von Beate Zschäpe

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Gestern war nun in München im NSU-Verfahren der große Tag. Wie man lesen kann, war der Saal wieder gut gefüllt. Viele wollten die angekündigte Einlassung von B. Zschäpe hören. Im Internet sind bei den großen Zeitungen Liveticker gelaufen und sie haben sich nach Abschluss des Hauptverhandlungstages mit Berichten und Kommentaren überschlagen. Die gingen z.B. bis zum „juristischen Selbstmord“ in der „Welt“ (vgl. hier).

Natürlich machen sich auch viele Verteidiger/Rechtsanwälte, die das Verfahren von außen nur aus der Ferne beobachten, ihre Gedanken, was ich u.a. auch an den vielen Kommentaren zu dem von mir geteilten „Welt-beitrag“ erkenne. Das war aber auch gestern auf der Weihnachtsfeier der Strafverteidigervereinigung Münsterland-Ostwestfalen der Fall. Auch da waren die Geschehnisse und Erklärungen in München Gegenstand der Diskussion. Auf dem Heimweg von der Veranstaltung sind mir dann noch so ein paar Gedanken durch den Kopf gegangen. Und zwar:

1. Teileinlassung?

An einigen Stellen wird von Teileinlassung gesprochen. Auch ich habe das auf Facebook in einem Kommentar zu dem von mir geteilten Beitrag aus der „Welt“ getan. Nur, wenn man es sich noch einmal genau(er) überlegt, stellt sich doch dann die Frage: War das nun eine „Teileinlassung“ i.e.S.?

M.E. dann doch wohl nicht. „Teileinlassung“ bedeutet ja, dass zu bestimmten Punkten der Anklage Erklärungen abgegeben werden, zu anderen aber ausdrücklich nicht. Das hat B. Zschäpe aber nicht getan. Sie hat ja nicht zu den ihr auch zur Last gelegten Anschlägen/Morden geschwiegen bzw. dazu gesagt: „Dazu sage ich nichts“. Sondern sie hat, wenn man der Berichterstattung Vertrauen darf, auch zu diesen Aspekten Angaben gemacht – nämlich, indem sie dazu angegeben hat, davon immer erst im Nachhinein erfahren zu haben. Das ist aber eine Einlassung zur Sache auch insoweit, durch das Bestreiten der Mittäterschaft und des vorherigen Wissens wird die Einlassung ja nicht zu einer „Teileinlassung“ i.e.S.

In der Sache macht das auch schon einen Unterschied. Es liegt nämlich nun eine Erklärung der Angeklagten vor, die das Gericht auf der Grundlage der übrigen erhobenen Beweise und Erkenntnisse würdigen und widerlegen muss; das kann dauern. Der Senat wird die Einlassung, ihren Inhalt und das Umgehen mit der Einlassung mit den übrigen Beweisergebnissen abgleichen müssen, ggf. muss zusätzlich Beweis erhoben. Einfach nur zu sagen: Das glauben wir nicht, reicht nicht. Man wird aber Rückschlüsse auf das Gefüge in der Gruppe ziehen können/müssen, die ggf. sonst so wohl nicht möglich gewesen wären. Aus dem (späten) Zeitpunkt der Einlassung können aber keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Darauf weist der BGH immer wieder hin. Alles in allem ein Punkt, zu dem man ohne genaue Kenntnis der Akten und des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme nur wenig wird sagen können.

2. Form der Einlassung?

In der Diskussion wird dann auch immer wieder auf die Form der Einlassung hingewiesen, also Verlesung eines Schriftstücks durch den Verteidiger. Allein das dürfte/hätte nicht ausgereicht, um von einer Einlassung/Erklärung der Angeklagten i.e.S. auszugehen. Aber dabei ist es ja nicht geblieben. Denn B. Zschäpe hat – so habe ich es den Presseberichten entnommen – auf Befragen des Vorsitzenden ja anschließend dem Sinne nach erklärt, dass sie die verlesene Erklärung als ihre eigene gelten lassen will. Damit dürfte nach der Rechtsprechung des BGH der Weg insoweit frei sein.

3. Schriftliche Fragen

Prozessual interessant finde ich die „Volte“ mit den schriftlichen Fragen, also die Erklärung: Fragen werde ich zulassen, aber nur schriftliche und ich werde auch nur schriftlich antworten. Was dahinter steckt, ist m.E. klar: Die Angeklagte und ihren (Wahl)Verteidiger scheuen den direkten Schlagabtausch der Angeklagten mit dem Gericht. Man befürchtet wahrscheinlich, dass die Angeklagte dem nicht gewachsen sein wird und/oder die Einlassung dann ggf. doch „zerschossen“ wird. Nur stellt sich die Frage, ob das so gehen wird und wie der Senat damit umgehen wird. Es gilt ja nun mal das Mündlichkeitsprinzip. Ob man das dadurch (teilweise) umgehen kann, dass ich als Angeklagte schriftliche Fragen verlange und nur auf solche antworten will, wage ich zu bezweifeln. Nach der StPO wird der/die Angeklagte „vernommen“. Auch wird es den Beweiswert der bisherigen Aussagen m.E. schmälern können, wenn man sich als Gericht keinen persönlichen Eindruck von der Angeklagten machen kann/konnte.

Andererseits wird der Senat seine Fragen stellen müssen – schon wegen der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Frage ist nur: In welcher Form und wie antwortet die Angeklagte? Auch wieder mit einer vom Verteidiger verlesenen Erklärung, die sich die Angeklagte dann zu eigen macht? Dazu gibt es bisher m.E. noch keine Rechtsprechung. Wenn der Senat das zulässt – mit dem Argument: Ist ja auch (noch) Einlassung der Angeklagten – würde man da wohl Neuland betreten.

4. Fragen der Nebenkläger

Zschäpe hat es abgelehnt, Fragen der Nebenkläger(vertreter) zu beantworten. Das kann sie. M.E. macht das ihre Einlassung nicht zu einer Teileinlassung. Allerdings wird man den Umstand bewerten/werten dürfen.

Fazit: Es ist sicherlich zu früh, eine abschließende Bewertung des gestrigen Tages zu geben. Man wird sehen, wie der Senat und auch B. Zschäpe damit weiter umgehen. Alles in allem: Viel weiter ist man nicht. M.E. wäre es – so hatte ich es auch gestern schon geschrieben – besser gewesen, auch weiterhin zu schweigen. Die Angeklagte nach 248 Tagen reden zu lassen, war m.E. „mutig“. Mutig“- wenn nicht sogar „leichtsinnig“, so gestern ein Kommentator auf FB -, weil/wenn man als Verteidiger die bisherige Beweisaufnahme nicht kennt, weil man nicht daran teilgenommen hat, und– wie der Kollege Grasel in seiner Kollegenschelte ja wohl behauptet hat –die „Altverteidiger“ ihre Mitschriften nicht zur Verfügung stellen. Neue Besen kehren dann eben doch wohl nicht immer gut.

47 Gedanken zu „Ein paar Gedanken zur „Einlassung“ von Beate Zschäpe

  1. Karsten Koch, Richter a.D.

    Ob es besser gewesen wäre, weiter zu schweigen, kann von uns wahrscheinlich niemand beantworten. Weil wir alle keine Hellseher sind. Außer den dazu berufenen Journalisten, die immer alles wissen … Wir wissen doch alle, dass Prognosen besonders dann schwierig sind, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen 😉

    Es wäre klug, die Aussage und ihre Umstände zunächst überhaupt nicht zu bewerten, weil niemand in die Zukunft schauen kann, geschweige denn in die Köpfe der Richter.

    Und der Senat dürfte wohl seine Aufklärungspflicht verletzen, wenn er sich weigert, schriftliche Fragen zu stellen. Besser eine schriftliche Äußerung als gar keine. Nach diesem alten Grundsatz wird man auch hier verfahren müssen.

  2. Detlef Burhoff Beitragsautor

    „Ob es besser gewesen wäre, weiter zu schweigen, kann von uns wahrscheinlich niemand beantworten.“ Aber dennoch bin ich der Auffassung, dass es wahrscheinlich besser gewesen wäre, den Mund zu halten.
    „Und der Senat dürfte wohl seine Aufklärungspflicht verletzen, wenn er sich weigert, schriftliche Fragen zu stellen. Besser eine schriftliche Äußerung als gar keine. Nach diesem alten Grundsatz wird man auch hier verfahren müssen.“ Ja, und in die Richtung deuten ja auch die Fragen des Vorsitzenden…

  3. Karsten Koch

    Der Auffassung kann man ja auch durchaus sein. So wie ich nach vor fest überzeugt bin, dass früher mehr Lametta war

  4. T.H, RiLG

    Es soll gegen die Aufklärungspflicht verstoßen, wenn der Senat sich nicht auf einen gesetzlich nicht vorgesehenen Austausch von Schriftsätzen mit der Verteidigung einlässt?

  5. Jan Eßer, RiLG

    Ich würde da nur kurz und trocken den BGH selbst zitieren:
    „…Das Tatgericht ist weder nach dem Zweifelssatz noch sonst gehalten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen es an zureichenden Anhaltspunkten fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 124/07, NStZ 2007, 530; BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324; BGH, Urteil 7. November 2006 – 1 StR 307/06, NStZ-RR 2007, 86; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 2 BvR 496/07, NStZ-RR 2007, 381, 382)…“

  6. RA Just

    Ein schöner sachlicher Beitrag (den letzten Absatz einmal außen vor), der das Geschehen aus juristischer Sicht etwas detaillierter beleuchtet.

    Ich sehe hier aus den von Herrn Kollegen Burhoff genannten Gründen auch keine Teileinlassung im eigentlichen Sinne. Es fehlt dazu das Pendant des teilweisen Schweigens. Im Ergebnis dürfte es jedoch kaum einen Unterschied machen, ob ein Angeklagter zu einzelnen Punkten der Anklage schweigt oder ob er diese bestreitet. In beiden Fällen unterliegt seine Aussage in ihrer Gesamtheit der freien richterlichen Beweiswürdigung.

    Hinsichtlich der Frage, wie die weitere Befragung der Angeklagten ablaufen soll, böte es sich an, sämtliche derzeit bestehenden Fragen des Gerichts im nächsten Hauptverhandlungstermin in die Feder der Verteidiger zu diktieren. Dann ist jedenfalls insoweit das Mündlichkeitsprinzip gewahrt. Die Antworten der Angeklagten könnten dann wieder auf gleichem Wege wie bereits die erste Einlassung durch Verlesen und anschließende Zueigenmachung in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Hier sehe ich strafprozessual kein wirkliches Problem. Diese Form der (weiteren) Einlassung kann dann natürlich im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend berücksichtigt werden.

  7. Karsten Koch

    Ja klar. Die Wege, auf denen Aussagen gewonnen werden, sind nicht gesetzlich geregelt. Nur die, auf denen sie NICHT gewonnen werden dürfen. Und wer auf eine Aussage verzichtet, die er auf schriftlichem Wege bekommen könnte, verletzt eklatant die Aufklärungspflicht. Im Gesetzbsteht auch nicht, dass ich einen ausländischen Zeugen notfalls anrufen und versuchen muss, ihn dazuzugeben überreden, doch zur Hauptverhandlung zu kommen. Und trotzdem muss ich das, will ich nicht die Aufklärungsspflcicht verletzen. Oder habe ich da was falsch verstanden? Mir hat mal ein Zeuge angeboten, er würde nur auf einem Schiff unter fremder Flagge aussagen, das noch nicht festgemacht habe. Ich hätte es gemacht, wenn ich ihn nicht doch hätte überreden können, z mir zu kommen.

  8. Karsten Koch

    Jan: Damit hat der BGH aber nicht Einlassungen der Angeklagten gemeint, sondern bloße Vermutungen, die jemand angestellt hat. Der BGH fordert doch wohl nach wie vor, im Urteil darzulegen, warum die Einlassung des Angeklagten für widerlegt gehalten wird. Oder hat sich da seit meiner Pensionierungen die Rechtsprechung geändert?

  9. RA Just

    @Detlef Burhoff

    Als unsachlich wollte ich den letzten Absatz Ihres Blogbeitrags selbstverständlich nicht bezeichnet wissen 🙂 Ich war bzw. bin aktuell lediglich der ganzen Beiträge in den Medien und im Internet überdrüssig, deren Autoren mehr über die Qualitäten der Verteidiger spekulieren, als sich objektiv mit dem Geschehen auseinanderzusetzen. Da ist Ihr Beitrag ein positives Gegenbeispiel, dass es gerade auch sachlich und fundiert geht. Dass sich der letzte Absatz dann doch noch mit den Qualitäten der neuen Verteidiger der Angeklagten beschäftigt, ist für mich der kleine Wermutstropfen im sonst so schön objektiv geschrieben Beitrag.

  10. T.H., RiLG

    Aus HRRS 2008 Nr. 645:

    „Der Angeklagte hat keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seine schriftliche Einlassung in der
    Hauptverhandlung verliest (vgl. BGH NJW 1994, 2904, 2906; BGH NStZ 2000, 439; 2004, 163, 164; StV 2007, 622). Ist ein Angeklagter bereit, Angaben zur Sache zu machen, so ist er gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 2 StPO zu vernehmen. Die Vernehmung erfolgt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Zweck der Vorschrift durch eine mündliche Befragung mit mündlichen Antworten und kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Angeklagte seine Stellungnahme zur Anklage in einem Schreiben an das Gericht niederlegt und nach dessen Eingang einen Antrag auf Verlesung des Wortlauts im Urkundsbeweis stellt.“

  11. T.H., RiLG

    Die Aufklärungspflicht dürfte doch nur dann verletzt sein, wenn sich aufgrund einer schriftlichen Einlassung bestimmte Beweiserhebungen aufdrängen, aber nicht doch, wenn der bzw. die Angeklagte meint, eine eigene Prozessordnung schaffen zu können.

    Entweder man äußert sich, oder man tut es eben nicht.

  12. Jan Eßer, RiLG

    @Karsten Koch Nein, nein, da geht es dem BGH ausdrücklich um die Einlassung des Angeklagten. Das ist mein BGH-Lieblingszitat, weil diese Entscheidungen des BGH so gerne übersehen werden.

    Niemand hindert mich (den Richter) daran, vom „dritten Sachverhalt“ überzeugt zu sein, wenn der Angeklagte mir in seiner Einlassung Quatsch erzählt und die Zeugen ebenfalls eine Variante präsentieren, die nicht stimmen kann. Wenn ich genügend weitere Anhaltspunkte habe, darf ich die Tat trotzdem feststellen.

    Und natürlich muss ich mich mit der Einlassung ausführlich auseinandersetzen, aber ich muss sie eben nicht gottgegeben hinnehmen, nur weil z.B. niemand sonst dabei war.

    Im Urteil: „Die Einlassung ist widerlegt, weil sie schon in sich nicht plausibel und lebensfremd ist. Außerdem sprechen folgende Tatsachen gegen ihre Richtigkeit: „…“ ist zulässig, und zwar auch dann, wenn es nur Hilfstatsachen sind. Weiter geht es dann mit „Die Kammer ist davon übereugt, dass sich die Tat stattdessen wie folgt abgespielt hat: …“

  13. Karsten Koch

    Die Angeklagte schafft keine eigene Prozessordnung, wenn sie eine schriftliche Erklärung verlesen lässt. Und wenn man die für widerlegt halten will, muss ihr wohl nachgehen. Das drängt sich aufgrund der Einlassung doch bei nahezu jeder Behauptung auf, die dem Vorwurf entgegensteht, es sei denn,,sie liegt völlig neben der Spur, wovon wir aber kaum werden ausgehen dürfen. Und wenn die Angeklagte anbietet, schriftliche Fragen zu beantworten, möchte ich wissen, mit welchen Gründen man das ablehnen könnte. Ich war mal als Staatsanwalt in der Schweiz. Da musstenixh jede einzelne Frage vorher schriftlich formulieren. Kam mir komisch vor, entsprach aber dem kantonalen Recht.

  14. Jan Eßer, RiLG

    @Karsten Koch Ich muss aber keine Fragen stellen, wenn ich glaube, dass von der Angeklagten ohnehin nichts Erhellendes kommen wird. Ich muss der/dem Angeklagten ja nicht in der Hauptverhandlung seine/ihre Einlassung widerlegen, sondern im Urteil. Wenn ich also meine, dass die sonstigen gesammelten Tatsachen / Hilfstatsachen umfassend sind und mehr nicht zu erwarten ist, kann das reichen – und zwar entweder für eine Verurteilung oder für einen Freispruch.

    Souverän wäre es mglw., wenn der Senat gar keine Fragen stellte und die Einlassung als das behandelte, was sie m.E. wohl ist: eine reine Schutzbehauptung ohne jeden Wahrheitsgehalt. Aber dazu kenne ich den Prozess zu wenig aus eigener Anschauung, um mir da ein sicheres Urteil zu erlauben.

    Oder der Senat macht sich tatsächlich die Mühe und hält jede einzelne Ungenauigkeit / Unplausibilität vor. Das wäre aber sehr viel Arbeit und müsste sicher mehr sein als „Worüber haben Sie denn beim Abendessen geredet, wenn nicht über die Waffenbeschaffung, den nächsten Anschlag / Raubüberfall und das nächste Reiseziel?“ Auf die Antworten wär ich durchaus gespannt, vermute aber mal, dass da nicht mehr kommt als jetzt auch. Schließlich ist – was die Presse und die Politik offensichtlich teilweise verkennen – kein Angeklagter verpflichtet, _plausible_ Erklärungen zu liefern.

  15. T.H., RiLG

    Noch gibt es eine mündliche und keine schriftliche Hauptverhandlung. Der/die Angeklagte kann Schriftliches zur Akte reichen, aber die Vernehmung erfolgt immer noch mündlich. Wer sich nicht vernehmen lassen will, kann vom Schweigerecht Gebrauch machen.

    Einem Anspruch, Fragen nur schriftlich gestellt zu bekommen, sehe ich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

  16. Karsten Koch

    Die schlichte Behauptung, eine Einlassung sei nicht plausibel und in sich nicht schlüssig, dürfte xdiemRevision nicht überstehen. Da muss man schon schreiben,,warum …

    Zum zweiten Postimg: Aufklärungspflicht, schon ausreichend diskutiert.

  17. Jan Eßer, RiLG

    @Karsten Koch Zitat: „Die schlichte Behauptung, eine Einlassung sei nicht plausibel und in sich nicht schlüssig, dürfte die Revision nicht überstehen. Da muss man schon schreiben, warum …“

    Ja schon, es reicht aber zu sagen „Die Einlassung ist Quatsch mit Soße, weil völlig lebensfremd. Stattdessen sind folgende Tatsachen für die Tatfeststellung maßgeblich:…“. Bereits vielfach erfolgreich praktiziert.

    Aber eigentlich liegen wir gar nicht so weit auseinander. Ohne „Gegentatsachen“ kann ich natürlich nicht widerlegen. Ich wehre mich nur dagegen, dass die Einlassung z.B. dort allein maßgeblich sein soll (und damit richtig / nicht wiederlegbar), wo ich keine anderen Beweismittel habe. Das ist sie nämlich nicht, ich muss sie nur würdigen!

    Und zur Aufklärungspflicht: Da liegen wir tatsächlich auseinander. Ich meine nämlich, das ich die Angekagte nicht weiter befragen muss, wenn ich ihr ohnehin nicht glaube. Das muss ich im Urteil natürlich ausführlich begründen.

  18. Detlef Burhoff Beitragsautor

    „Da liegen wir tatsächlich auseinander. Ich meine nämlich, das ich die Angeklagte nicht weiter befragen muss, wenn ich ihr ohnehin nicht glaube. Das muss ich im Urteil natürlich ausführlich begründen.“
    Das wird aber nicht so ganz einfach 🙂

  19. Karsten Koch

    Ja, das Urteil würde ich zu gerne mal lesen. Ausführlich begründet, warum man der Angeklagten «ohnehin» nicht glaubt …

  20. Jan Eßer, RiLG

    Ja wenn ich doch das, was sie bisher gesagt hat, für kompletten Blödsinn halte, welche Tatsachen sollten mich denn dazu veranlassen, noch weiter zu fragen? Welche Aufklärungspflict soll mich denn dazu bringen, die Angeklagte dazu zu bringen, mir weitere Schutzbehauptungen zu präsentieren? Bedeutet Aufklärungspflicht denn etwa, den Angeklagten so lange zu befragen und ihm Widersprüche vorzuhalten, bis er mir erklärt, der Katzenkönig hätte ihm die Taten eingeflüstert und nicht er sei vor Ort gewesen, sondern sein Alien-Klon? Bin ich dann irgendwie schlauer? Es geht immer noch um den Angeklagten und seine Einlassung, nicht um Zeugenaussagen und weitere Beweismittel.

    Gegenfrage: Ist denn irgendwann schon einmal ein erstinstanzliches Urteil aufgehoben worden, weil das Gericht den Angeklagten nicht genügend ausgefragt hat? Ich kenne keins. Der Angeklagte entscheidet doch selbst, was und wieviel er dem Gericht erzählt.

    Und die Richtigkeit der Einlassung muss ich doch nur überprüfen, wenn ich sie als Geständnis zur Grundlage des Urteils machen will, nicht im umgekehrten Fall. Eine Recherche in BGHR Aufklärungspflicht Einlassung führt nur zu Entscheidungen zu der Frage, ob ich eine schriftliche Einlassung auch einfach ignorieren kann. Das dürfte in der Tat zu weit gehen.

  21. Detlef Burhoff Beitragsautor

    „Kompletter Blödsinn“, ohne den/die Angeklagte auf Widersprüche seiner Angaben zu dem übrigen Beweisergebnis hingewiesen zu haben und Vorhalte gemacht zu haben? Wäre das nicht eine vorweg genommene Beweiswürdigung? Ich weiß nicht, ich wäre da nicht so mutig (gewesen 🙂 ).

  22. Karsten Koch

    Ich auch nicht! Es gibt auch eine Fürsorgepflicht und das Gebot einervfairen Prozessführung. Das Gericht darf sich nicht einfach einigeln und nachher urteilen. Bei mir wussten die Angeklagten immer, woran sie waren.

  23. Jan Eßer, RiLG

    @Karsten Koch Mein Urteil würde an der entsprechenden Stelle in etwa wie folgt lauten:

    „Die Angeklagte hat sich eingelassen,….

    Die Kammer folgt dieser Einlassung nicht, weil sie eine reine Schutzbehauptung darstellt. Es ist völlig lebensfremd und widerspricht jeder kriminalistischen Erfahrung (vgl. dazu BG NStZ 2009, S. 401 mwN.), dass jemand über 13 Jahre hinweg mit den zwei Mittätern im Untergrund gelebt und nicht mitbekommen haben will, dass diese in der Zeit mindestens 10 Morde, 2 Sprengstoffattentate und mehrere (bis zu 14) Raub- und Banküberfälle begingen. Denn diese Taten bedürfen nach kriminalistischer Erfahrung (dazu BGH aaO). einer ausführlichen Vorbereitung, die die Angeklagte nur hätte verpassen können, wenn sie regelmäßig nicht mit den anderen Mittätern zusammen gewesen wäre. Dies schließt sich aber schon nach ihrer eigenen Einlassung aus, weil das Trio untergetaucht war und sich gerade nicht beliebig frei außerhalb der jeweiligen Wohnungen bewegte. Auch erscheint vöilig lebensfremd, dass die Angeklagte nichts davon mitbekommen haben will, dass und wozu die Mittäter die erhebliche Anzahl an Waffen und Mengen an Sprengstoff ansammelten.

    Dass die Angeklagte die Vorbereitung der Taten stattdessen sehr wohl selbst mitbekam und deren Ausführung billigte, ergibt sich aus Folgendem: …“

    Ich sehe nicht, wo dort die Aufklärungspflicht verletzt worden sein könnte.

  24. Jan Eßer, RiLG

    @Karsten Koch @Detlef Burhoff Ja, am Amtsgericht mache ich das mit den Angeklagten auch so, besonders mit den unverteidigten. Da kommt dann ja meist auch etwas mehr oder weniger Sinnvolles. Aber beim Staatsschutzsenat? Mit 5 Verteidigern? Muss ich mir als Gericht – meine ich – die Einlassung nur anhören und sie bewerten. Wen ich meine, ich könnte durch Nachfragen noch irgendetwas tatsächlich aufklären, muss ich das natürlich tun. Aber einfach so, nur weil ich meine es besser zu wissen als die Angeklagte, die mir ja schließlich nicht einmal die Wahrheit sagen muss…

  25. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie das allein über die „kriminalistische Erfahrung“ laufen lassen können. Gibt es eine solche zu dem Bereich oder ist das nicht vielmehr die „allgemeine Lebenserfahrung“ oder einen „Erfahrungssatz“, den Sie da bemühen (wollen). Ich wäre da vorsichtiger, zumal in der von ihnen zitierten BGH-Entscheidung vom „verfassungsrechtlich verankerte Gebot rational begründeter und tatsachengestützter Beweisführung“ die Rede ist. Ich würde daher noch (ein wenig) fragen und dann mal sehen, was so als zusätzliche Erklärung kommt. 🙂

  26. Karsten Koch

    Eine solche kriminalistische Erfahrung (die im einzelnen geschildert werden müsste, sonst Leerformel) gibt es nicht. Sage ich als jemand, der ganz viele Jahre mit einem Teil seiner Arbeitskraft zum BKA (Abt. TE) abgeordnet war. Man kann sie zwar behaupten, das reicht aber nicht.

  27. RA Just

    Kriminalistische Erfahrung bzw. allgemeine Lebenserfahrung als maßgebliches oder gar alleiniges Kriterium dürfte wohl kein tragendes Argument sein, wenn man sich vor Augen hält, dass gerade in dieser Sache schon einmal vermeintliche kriminalistische Erfahrung dazu geführt hat, dass jahrelang in die falsche Richtung ermittelt wurde. Es gibt hin und wieder Fälle, die noch so eindeutig erscheinen, tatsächlich aber ganz anders – und manchmal dann eben doch so wie vom Angeklagten behauptet – sind. Wieviele Polizeibeamte hätten damals ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Taten aus dem Bereich der organisierten Kriminaltiät handelt? Wie lange wurde einem Phantom hinterhergejagt, weil reihenweise identische DNA-Proben vorlagen?

    Darüber hinaus entziehen sich bereits viele Dinge, die auf subkultureller Ebene ablaufen, schlichtweg auch dem kühnsten Vorstellungsbild eines durchschnittlichen Menschen. Wenn dann dem Strafrichter eine solche Vorstellung (noch) fehlt, weil er vielleicht erst seit kurzem mit Strafsachen betraut ist, ist das Urteil mitunter vorschnell gefällt.

  28. Karsten Koch

    Richterliche Erfahrung mehrerer Jahrzehnte sagt mir, dass manchmal eben auch Pferde vor Apotheken kotzen — gegen jede Erfahrung!

  29. RA Berlin

    Jenseits aller prozessrechtlichen Erwägungen, ob die Einlassung sinnvoll war oder nicht, wie sie bewertet weden kann oder soll, bleibt doch inhaltlich zu bemerken: Z. hat genau die fehlenden Bausteine geliefert, die die Anklage und die bisherige Hauptverhandlung zum Nachweis der angeklagten Taten nicht erbringen konnten.
    Man kann das noch geschickt nennen, alles auf die Toten zu schieben, die sich nicht mehr wehren können und durch das Nichtwissen um die behaupteten Morde gleich mal die terroristische Vereinigung zu erledigen. Bleibt im günstigsten Fall eine Brandstiftung, die irgendwie gemildert wird, weil sie ja niemanden gefährden wollte. Aber da bin ich kein Experte.
    Leider ist in der Komplexität des Sachverhaltes immer schwer, die kleinen Details genügend zu beachten; so kann der Ablauf der Inbrandsetzung des Hauses in der Frühlingstraße in Zwickau so nicht stattgefunden haben, dazu kam vor ein paar Wochen in der ARD-Doku ein Brandermittler zu Wort. Zum zweiten kann Z. die angeblichen Bekenner-DVDs nicht in den Briefkasten vor dem Haus eingeworfen haben. Dieser wurde von der Feuerwehr abmontiert und durch das BKA beschlagnahmt, aber angeblich nicht untersucht und erst später der Post zurück gegeben. Wie sollen dann die DVDs zwei Tage später den Empfängern übersandt worden sein?
    Es bleiben Fragen. Wie die den Angehörigen versprochene Aufklärung bewerkstelligt werden soll, bleibt mir ein Rätsel.
    Aber vielleicht wird nach einer Verurteilung ja auch dieser durch Geständnis festgelegte Geschehensablauf offenkundig.

  30. Karsten Koch

    Frau Tschäpe hat sich zur Sache geäußert, kein Geständnis abgelegt. Ob ihre Angaben zu dem passen, was die bisherige – noch andauernde! – Beweisaufnahme ergeben hat, können auch wir nicht beurteilen. Ich glaube kaum, dass der Senat selbst schon eine Vorwegwürdigung der bislang erhobenen Beweise vorgenommen hat. Das wäre auch höchst gefährlich. Wir alle wissen, dass sich in einem Strafprozess Blitz auf Schlag alles ändern kann. Und jetzt irgendwelche Detailfragen zu diskutieren, halte ich für nicht sinnvoll, um so weniger dann, wenn man sich auf Fernsehberichte oder dergleichen stützt. Also «abwarten und Tee trinken». Wer weiß, was sich noch alles so ergibt. Warum sind eigentlich die meisten darauf fixiert, dass Frau Tschäpe – außer wegen der zugegebenen Brandstiftung (kein Vorsatz der Gefährdung von Menschen) – verurteilt werden müsste? Ich habe in meinem langen Richterleben jedenfalls schon so manchen freigesprochen, bei dem ich in die Hauptverhandlung gegangen bin mit dem (unvermeidbaren) Vorurteil, der müsse ganz sicher verurteilt werden. Das Leben ist bunt, und manche Beweisaufnahme erst recht 😉

  31. Karsten Koch

    Und noch etwas: Fragen bleiben immer, jedenfalls nach Strafprozessen. Die zu beantworten ist aber nun wirklich nicht Aufgabe der Angeklagten. Wer den Angehörigen Aufklärung versprochen hat, muss das selbst verantworten. Dass ein Strafprozess das nicht leisten kann, sollte man zumindest als Jurist wissen. Schlimm genug, wenn Untersuchungsausschüsse glauben, sie könnten Sachverhalte aufklären. Gerichte können nur zu Entscheidungen kommen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und das ist ihre gesellschaftliche Aufgabe.

  32. RA Berlin

    Warum sind eigentlich die meisten darauf fixiert, dass Frau Tschäpe – außer wegen der zugegebenen Brandstiftung (kein Vorsatz der Gefährdung von Menschen) – verurteilt werden müsste? –
    Ganz einfach, weil seit November 2011 genau das landauf landab nicht nur von der Presse, sondern auch und besonders aus der Politik gefordert wird und mit einer einhelligen gemeinsamen Vorverurteilung im Bundestag einschließlich hoher Entschädigungszahlen an die Angehörigen vorweggenommen wurde.
    Gehen Sie davon aus, dass ich weiß, dass ein Prozeß nur eine juristische Wahrheit hervorbringen kann. Aber ich glaube kaum, dass die in diese Fall „Freispruch aus Mangel an Beweisen“, noch weniger wegen 170 Abs 2 lauten kann. Überlegen Sie, wer dann alles bloßgestellt wäre: BKA, BAW, BGH bis hin zum Bundestag und Bundesrat. Sie können nicht ernsthaft glauben, dass das passieren wird.
    Herr Buback kann dazu bestimmt mehr erzählen.

  33. Karsten Koch

    Ich fürchte, das stimmt. Solche Eskapaden könnte ich mir leisten, weil ich Amtsrichtr war und vom Ministerium mehrfach signalisiert bekommen hatte, dass eine Bewerbung auch nur auf eine R2-Stelle sinnlos wäre. Als ich es drei Jahre vor Dr Pensionierung dann doch einmal gewagt habe, kam der damalige Präsident grinsend in mein Zimmer und meinte: Herr Koch, sie wissen doch … Ja, ich wusste.

  34. Karsten Koch

    Der Hass ging so weit, dass ein früherer Präsident erwogen hatte, Dienstreisen zur Justizakademie des Landes NRW nicht zu genehmigen. Dort habe ich viele Jahren in der Richterfortbildung gearbeitet. Von NRW geschätzt und geachtet, vom Heimatland Hessen argwöhnisch belauert. Und als ich in einem Aufsatz zur Sprache der Juristen mal – ohne Namensnennung -.einen besonders verqueren Satz eines Präsidenten zitiert hatte, dachte man lange über ein Disziplinarverfahren nach. Ich weiß also die Unabhängigkeit des Amtsrichters durchaus zu schätzen 😉 Und ich weiß ebenso, wie diejenigen, die zum BGH wollen, ängstlich «nach oben» schielen, um nur nicht gegen die herrschende Meinung der Obergerichte zu entscheiden.

  35. WPR_bei_WBS

    Kriminalistische Erfahrung, dass sie nichts bemerkt hat? Bullshit – es gibt genug Ehepartner, die mehr als dreizehn Jahre von den Eskapaden ihrer „besseren“ Hälfte nichts mitbekommen. Ob ich Frau Zschaepe das jetzt subjektiv glaube steht auf einem anderen Blatt, aber das pauschal so abzutun ist doch schon arg gewagt.

  36. Jan Eßer, RiLG

    @Karsten Koch Wieso ist es bei der Justiz eigentlich Volkssport, das nicht gerade beliebig vorhandene fähige Personal bis an die Grenze des Zulässigen zu drangsalieren, und zwar nicht unbedingt auf erwachsene Weise? Ich habe in den letzten Jahren erlebt, wie mehrere nicht genehme Kollegen ins Abstellgleis oder in die Dienstunfähigkeit gedrängt wurden.

    Das könnte man ja alles noch verstehen, wenn man denn entweder beliebig neue Leute verpflichten könnte oder glauben würde, dass man die Aufgaben auch mit dem stromlinienförmigen Restpersonal hinbekommt – beides ist aber erkennbar nicht der Fall.

    Deshalb bleibt für Manches einfach nur Kopfschütteln…

    P.S.: Ich kenne Sie übrigens noch von der iudex-Liste (oder war es die JuLi?) und habe mir von Ihnen einiges abgeguckt, als ich mich ans Amtsgericht habe abordnen lassen (Erörterungstermine etc.). Das fand (und finde) ich alles sehr interessant und hilfreich. Danke nochmal!

  37. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Zu Ihrer Frage könnte ich sicher auch das ein oder andere beitragen, tue ich hier aber nicht, zumal es mit dem Ausgangsposting (m.E.) nur noch wenig – wenn überhaupt – zu tun hat :-).

  38. Thorsten

    Thema Form:
    Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, lässt die Einlassung durch den Vorsitzenden verlesen. Schließlich soll die schriftliche Einlassung ja auf jeden Fall als Anlage zum Protokoll genommen werden und auch möglichst wortgetreu im Tatbestand landen.

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