Klassiker II: Wir prüfen dann mal den Tatbestand des Raubes, oder: Fortbildung beim BGH

© stockWERK - Fotolia.com

© stockWERK – Fotolia.com

Aus der „Raubserie“ dann die zweite Entscheidung des BGH, nämlich der BGH, Beschl. v. 04.08.2015 – 5 StR 295/15. Für mich ebenso erschreckend wie der BGH, Beschl. v. 02.07.2015 – 2 StR 134/15, über den ich ja vorhin schon berichtet habe (vgl. Klassiker I: Raub ist doch an sich ganz einfach). Auch hier eine ganz einfache Konstellation/Sachverhalt, wie er sich nach den vom BGH mitgeteilten Feststellungen des LG darstellt:

Nach den Feststellungen begegnete der Angeklagte Ende Februar 2014 im Stadtgebiet von Chemnitz dem Geschädigten, mit dem er flüchtig bekannt war. Über den Geschädigten, der bis zu seiner Inhaftierung am 27. Mai 2014 in Chemnitz mit Rauschgift handelte, kursierte das Gerücht, er habe Drogen an Minderjährige, darunter die Schwester des Angeklagten, abge-geben. Als der Angeklagte, der sich in Begleitung von fünf anderen Personen befand, den Geschädigten erblickte, forderte er ihn zum Stehenbleiben auf, weil er mit ihm reden wollte. Der Geschädigte kam dieser Aufforderung nach. Der Angeklagte versetzte ihm nun unvermittelt einen wuchtigen Ellenbogenschlag gegen die Nase, wodurch diese gebrochen wurde, sowie Faustschläge gegen den Kopf. Als der Geschädigte fliehen wollte, zog der Angeklagte einen Teleskopschlagstock und versetzte hiermit dem Geschädigten zwei weitere Schläge gegen den Oberkörper und das Knie. Im Anschluss hieran riss der Angeklagte dem Geschädigten „gewaltsam dessen Rucksack von dessen Körper weg“ (UA S. 9), in dem sich unter anderem zwei Mobiltelefone und ein Bargeldbetrag von mindestens 600 € befanden. Nunmehr ließ der Angeklagte auf Aufforderung eines seiner Begleiter, es „gut sein zu lassen“, von dem Geschädigten ab und verließ den Tatort.

Das war es. Das LG macht daraus u.a. einen schweren Raub. Der BGH hebt auf und betreibt ein wenig Fortbildung:

„Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht. Schon die Voraussetzungen des Grundtatbestandes eines Raubes nach § 249 Abs. 1 StGB sind nicht hinreichend festgestellt.

a) Zunächst ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht das Vorliegen einer Wegnahme des Rucksacks durch den Angeklagten. Eine Wegnahme im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB erfordert neben dem – unter Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels erfolgenden – Bruch fremden Gewahrsams die Begründung neuen Gewahrsams des Täters oder eines Dritten. Hierzu teilt das Urteil lediglich mit, der Angeklagte habe dem Geschädigten dessen Rucksack vom Körper gerissen. Was sodann mit dem Rucksack und dessen Inhalt geschah, insbesondere ob der Angeklagte selbst oder einer seiner Begleiter den Rucksack oder dessen Inhalt an sich genommen hat, ist nicht festgestellt.

b) Die Feststellungen des Landgerichts verhalten sich ebenfalls nicht zu der für eine Straftat nach § 249 Abs. 1 StGB erforderlichen Zueignungsabsicht des Angeklagten. Zwar findet sich in der rechtlichen Würdigung des Tatgesche-hens die kurze Erwähnung, dem Angeklagten sei es darum gegangen, „sich zu  Unrecht am Rucksack und dessen Inhalt zu bereichern“ (UA S. 14). Als Feststellung der Zueignungsabsicht reicht diese – nicht näher begründete – Erwähnung indes nicht aus, zumal sich weder aus der Beweiswürdigung des Urteils noch sonst aus dem Urteil ergibt, worauf die Strafkammer diese Annahme stützt. Angesichts der im Urteil mitgeteilten Umstände – der Angeklagte wollte den Geschädigten wegen der vermuteten Abgabe von Drogen an Minderjährige zur Rede stellen, woraufhin dieser in einer den Angeklagten provozierenden Weise reagierte – versteht sich auch nicht von selbst, dass der Angeklagte über eine Körperverletzung des Geschädigten hinaus auch beabsichtigte, sich oder einem Dritten den Rucksack oder dessen Inhalt zuzueignen.“

Ich gehe davon aus, dass die Strafkammer beim LG Chemnitz die Voraussetzungen des „Grundtatbestandes“ (!!) des Raubes kennt. Ich frage mich nur, warum stellt man sie dann nicht fest – wenn man sie kennt – und warum „checkt“ man nicht das abgefasste Urteil darauf, ob sich nun alle Voraussetzungen des Raubes (§ 249 StGB) aus ihm ergeben. Das ist beim Raub nun wahrlich nicht schwer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert