Wenn der Wahlanwalt kommt, muss der Pflichtverteidiger i.d.R. gehen

© ernsthermann - Fotolia.com

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Im Moment stehen aufgrund der „Ereignisse“ im Münchner NSU-Verfahren (vgl. dazu mein Posting: Ich behaupte: Es wird nicht reichen Frau Zschäpe und das Posting zu weiteren Entwicklung vom „Terrorismus-Blog unter: Konflikt um Zschäpe-Verteidigerin spitzt sich zu) mal wieder Pflichtverteidigungsfragen im Fokus. Daher dann hier jetzt der Hinweis auf den OLG Dresden, Beschl. v. 05.06.2015 – 3 Ws 47/15, der sich (auch) mit der Frage der Entpflichtung eines Pflichtverteidigers befasst. Allerdings unter anderen Voraussetzungen, nämlich hinsichtlich der Frage: Was ist mit der Pflichtverteidigerbestellung, wenn sich der Beschuldigte einen Wahlanwanlt genommen hat?

Nun, die Frage ist in § 143 StPO geregelt, und zwar eindeutig. Dann „ist“ die Bestellung zurückzunehmen. Und das ist – wie das OLG Dresden ausfeührt – „grundsätzlich zwingend“. Dazu dann weiter:

„Eine Ausnahme von dieser Regel wird nur für den Fall zu machen sein, wenn konkrete Gründe für die Annahme vorhanden sind, andernfalls sei die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung nicht mehr gewährleistet. Hierfür bietet der Akteninhalt keine Anhaltspunkte. Die Berufungskammer hat die in der Sache für erforderlich angesehenen Verhandlungstermine mit dem Wahlverteidiger abgesprochen. Dass er sie nicht wahrnehmen wird oder kann, ist nicht zu befürchten.

Ein im Sinne des § 143 StPO unabwendbares Bedürfnis, die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers abzulehnen, besteht auch nicht deswegen, weil zu befürchten wäre, dass der Wahlverteidiger das Mandat wegen Mittellosigkeit des Angeklagten alsbald wieder niederlegen wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 143 Rn. 2). Zwar ist davon auszugehen, dass der Angeklagte die aus der Wahlverteidigung anfallenden Gebühren aus eigenen Mitteln nicht zu begleichen vermag; indes hat der Wahlverteidiger ausdrücklich und mehrfach schriftlich versichert, „keinen Pflichtverteidigungsantrag“ stellen zu wollen, weil seine Kosten anderweitig gedeckt seien. Der Senat hat keinen Anlass, an dieser Erklärung zu zweifeln. Die Befürchtung des Landgerichts, die „Verzichtserklärung“ des Wahlverteidigers beziehe sich nur auf die bisher angesetzten und mit dem Wahlverteidiger abgesprochene drei Verhandlungstage und werde für den Fall einer sich ausdehnenden Berufungshauptverhandlung u. U. zurückgenommen werden, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Der Wahlverteidiger hat seine Erklärung in Kenntnis der Sach- und Rechtslage des Verfahrens abgegeben und weiß deshalb, mit welchem Verfahrenslauf, zumindest aus seiner Sicht, zu rechnen ist.“

Bezogen auf das NSU-Verfahren: Selbst wenn Frau Zschäpe sich einen Wahlverteidiger suchen und dieser das Mandat annehmen würde, würde das m.E. an der Bestellung der drei bisherigen Pflichtverteidiger nichts ändern. Man wird eine „Ausnahme“ von der Regel des § 143 StPO annehmen und die dann zmit der bisherigen Prozessdauer und dem Prozessverlauf, in den die Pflichtverteidiger eingearbeitet sind, begründen.

7 Gedanken zu „Wenn der Wahlanwalt kommt, muss der Pflichtverteidiger i.d.R. gehen

  1. n.n.

    Das sehe ich etwas anders. Wenn sich ein Wahlverteidiger finden würde, hätte Frau Z. sicherlich einen Anspruch vom Verteidiger ihres Vertrauens verteidigt zu werden. Zwei Pflichtverteidiger sollten jedenfalls zur Sicherung des Verfahrens genügen.

    Aber: Ein Verteidiger wäre schön blöd, wenn er im NSU-Verfahren die Teilnahme an den verbleibenden HV-Tagen garantieren und gleichzeitig zusagen würde, dass er keinen Beiordnungsantrag stellen wird.

  2. n.n.

    In der Tat, daran dachte ich. Und ein kurzer Blick in den KK ergibt, dass Sie recht haben. Wobei allerdings Lüderssen/Jahn in LR anscheinend meine spontane Rechtsauffassung teilen. 🙂

  3. Detlef Burhoff

    Meyer/Goßner/Schmitt, und der BGH, vor allem aber auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., Rn. 3380, sind im Übrigen auch der o.a. Auffassung 🙂

  4. Zeitlos

    Meines Erachtens kommt eine Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers nur in Betracht, wenn der Wahlverteidiger zusichert keinen Antrag auf bei Beiordnung zu stellen, das Wahlmandat gesichert ist und nicht wegen Mittellosigkeit des Mandanten niedergelegt wird.

    Dazu auch OLG Köln Beschluss vom 07.10.2005-2Ws469/05

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