Archiv für das Jahr: 2014

Ein fast vergessenes Problem: Richtervorbehalt bei der Blutentnahme

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Im Strafverfahren gibt es – von mir – so genannte „Wellenbewegungen/Wellenprobleme“. Das sind Probleme und Fragen, die kommen, die die Praxis eine Zeitlang beschäftigen und dann wieder zurückgehen, weil sich die Rechtsprechung der Obergerichte auf die Problematik „eingeschossen“ = sie (vermeintlich) gelöst hat. Meist ist das spätestens dann der Fall, wenn einige Obergerichte Stellung genommen haben und sich eine h.M. gebildet hat. Dann macht es häufig nur noch wenig Sinn, dagegen anzurennen, weil das dann ggf. betroffene OLG eh nur noch von den Beschlüssen anderer OLG abschreibt. Das haben wir z.B. bei der sog. „Verjährungsfalle“ erlebt, das haben wir im Bußgeldverfahren bei der Problematik der Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung und/oder andere Unterlagen erlebt.

Und zu diesen „vergesssenen“ oder auch „überholten Problemen gehören auch die mit dem Richtervorbehalt bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) zusammenhängenden Fragen. Da haben wir nach der Entscheidungen des BVerfG aus Februar 2007 – ja, so lange ich das her –  eine Riesenwelle von Entscheidungen gehabt, die inzwischen aber abgeebbt ist. Aber: Hin und wieder gibt es dann doch noch einen Nachzügler, wie jetzt z.B. den KG, Beschl. v. 09.10.2014 – 3 Ws (B) 507/14 – 122 Ss 147/14. Nicht Neues, sondern obergerichtlicher Mainstream, der sich in folgenden Leitsätzen zusammen fassen lässt:

  1. Allein der Umstand, dass auf den Betroffenen Alkohol oder illegale Drogen einwirken, stellt seine Einwilligungsfähigkeit in eine Blutentnahme nicht grundsätzlich in Frage. Denn es reicht aus, dass der Tatrichter davon überzeugt ist, dass der Betroffene den mit der Blutentnahme verbundenen körperlichen Eingriff und dessen Risiken überblicken konnte.
  2. Ein Erfordernis, dass die Einwilligung des Betroffenen schriftlich zu erfolgen hat, ist weder § 81a StPO noch allgemeinen Grundsätzen des Strafprozessrechts zu entnehmen. Ob eine solche vorliegt, unterliegt der freien Beweiswürdigung.
  3. Ein Verstoß der Ermittlungsbehörden gegen die Dokumentations- und Begründungspflicht im Falle der Anordnung einer Blutentnahme unter der Annahme von Gefahr im Verzuge nach § 81a Abs. 2 StPO begründet kein Beweisverwertungsverbot.

Sonntagswitz: Heute die Top-Ten-Witze 2014

© Teamarbeit - Fotolia.com

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Heute mal keinen „normalen Sonntagswitz“, obwohl es thematisch einfach gewesen wäre, da ich auf Borkum bin und daher an sich die Ostfriesen „dran wären“. Aber der Jahresrückblick hat Vorrang. Ja, ihn gibt es auch für Witze.

Und hier dann der Rückblick – schon ein wenig überraschend, dass 50 % Juristenwitze sind. Da sag noch mal einer Juristen könnten nicht lachen 🙂 .

1.Sonntagswitz: Mal wieder über Juristen und die Juristerei06.04.2014
2.Sonntagswitz: An U.Hoeneß und den Bayern geht heute kein Weg vorbei16.03.2014
3.Sonntagswitz: Heute über Juristen, über Rechtsanwälte und auch Richter10.08.2014
4.Sonntagswitz: Heute zu Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt21.09.2014
5.Sonntagswitz: Juristen und alles, was damit zu tun hat04.05.2014
6.Sonntagswitz, heute: Juristen, Jura und was damit zu tun hat01.06.2014
7.Sonntagswitz: Dämliche Diebe (u.a.) XXIX29.03.2014
8.Sonntagswitz: Heute zum Silberjubiläum “Mauerfall”09.11.2014
9.Sonntagswitz: Aus gegebenem Anlass heute zur Ehe, zum Hochzeitstag usw.24.08.2014
10.Sonntagswitz: Dämliche Diebe XXXII14.09.2014

Jahresspiegel/Themen 2014: NSU, Mollath, Alice Schwarzer, Marco Reus und mehr..

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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In der vergangenen – der letzten Woche des Jahres 2014 – hat es wegen der Feiertage wie in jedem Jahr nicht so viel interessante/berichtenswerte Themen gegeben. Deshalb mache ich heute am letzten Sonntag des Jahres keinen „Wochenspiegel für die 52. KW., sondern wie auch schon in den letzten Jahren einen Jahresspiegel/-rückblick. M.E. ein ganz gute Gelegenheit, sich zu erinnern, aber auch um festzustellen, wie schnell doch manches Thema, das die Welt/die Blogs beherrscht hat, sich wieder erledigt hat. Und wie in jedem Jahr dann auch hier der Hinweis: Kein Ranking, sondern ein persönlich eingefärbter Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr. Dabei lasse ich die „Abmahnungsbeiträge/-welle“ außen vor und auch das Kuriose, das im vergangenen Jahr an manchen Stellen leider ein wenig stark vertreten war, in meinen Augen häufig nicht kurios, sondern nur peinlich war, weniger ist eben manchmal doch mehr.

Hinzuweisen ist dann (nur noch) auf – der ein oder andere Beitrag ist auch schon in den Wochenspiegeln gelaufen:

  1. auf das Hoeneß-Verfahren mit: U.Hoeneß: Wie will man bei 18,5 Mio € noch zu einer Bewährungsstrafe kommen?„, oder: Sensation: Nach dem 0:4 Debakel erlässt LG München II U.Hoeneß die Haftstrafe 🙂 , Offene Fragen an die Verteidiger von Uli Hoeness,
  2. auf das NSU-Verfahren mit: NSU: Die ersten Zeugenladungen zum Anschlag Keupstraße sind da, oder mit: NSU-Prozess: Urteil am 12. Januar 2016?  – der Rest dann im Terrorismus-Blog, das einzige Blog, das regelmäßig über das NSU-Verfahren berichtet,
  3. Selbstanzeige von Alice Schwarzer doch unvollständig? , oder: Wird Gerichtsberichterstattung Schwarzer zum Verhängnis?,
  4. das Mollath-Verfahren mit: Wiederaufnahme Mollath: Verteidiger legen Mandat nieder, oder: Landgericht Regensburg veröffentlicht Mollath-Urteil – mit einem Link zu Urteil, mit: Fall Mollath: Zum Freispruch verurteilt, und mit: Mollath-Unterstützer darf Brief nicht veröffentlichen, oder: Neue Besen kehren gut – wie gut, das wird sich zeigen Herr Mollath, Salomonisches Urteil mit schalem Beigeschmack – Finale im Prozess gegen Gustl Mollath, oder. Ach ja, der Gustl! Ein Freispruch ist ein Freispruch ist ein Freispruch!, – und damit soll es dann hier gut sein…,
  5. Das grosse Schwitzen beginnt – 2000 juristische Staatsexamen werden überprüft, oder: Niedersächsischer Examensbetrug: Wer ist noch endgültig durchgefallen?, oder
  6. aus der Reihe der vielen Messbeiträgen: ESO Software 1.007 – Copyright vs. Rechtsstaat, oder: ESO ES 3.0 – und was man dagegen tun kann,
  7. Paukenschlag aus Kassel – ein schwarzer Tag für alle Unternehmensjuristen?, oder: Angestellte Anwälte sind keine „Anwälte“,
  8. aus der Reihe der vielen „Befangenheitsbeiträge“ stellvertretend: Der unbefangene Richter: “Schreiben Sie sich das auch mal hinter die Ohren!”,
  9. Besoldungsfragen mit: Nur 12 Euro netto, aber auch mit: Die fragwürdigen Nebenverdienste deutscher Richter,
  10. und zum Jahresende dann noch das “Reusgate” mit Marco Reus in einer ersten juristischen Staatsprüfung schafft, und Der teuerste Strafzettel aller Zeiten? Marco Reus muss 540.000 Euro zahlen. oder dem “Verkehrrechtsexperten, der spricht….”.

Änderungen im Straßenverkehr ab 01.01.2015

© MH - Fotolia.com

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Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu. Und dann geht es – wie in jedem Jahr – los: Die Zeit der Rückblicke, aber auch die Zeit der Ausblicke, was es an Änderungen/Neuerungen im neuen Jahr 2015 geben wird. Ein paar Änderungen kommen ab 01.01.205 auch im Straßenverkehr. Nichts Dramatisches, aber immerhin Neuerungen betreffend das Zulassungswesen, die technische Ausstattung von Fahrzeugen sowie die Versicherungsbeiträge. Auf die will ich dann wenigstens kurz hingewiesen haben:

  • Zulassung per Internet

An- und Ummeldungen von Fahrzeugen erfordern im kommenden Jahr nicht mehr unbedingt das persönliche Erscheinen bei der Zulassungsbehörde, vielmehr können sie auch vom heimischen PC aus erledigt werden. Zu diesem Zweck will das Kraftfahrtbundesamt ein spezielles Internetportal einrichten, das im Januar online geschaltet werden soll.

Für neue Nummernschilder und Fahrzeugscheine ist außerdem ein zusätzlicher QR-Code vorgeschrieben.

  • Neue Abgasnorm Euro 6

Bereits seit September gilt die neue Abgasnorm Euro 6 für Neuwagen, die den Stickoxid-Ausstoß reduzieren soll. Betroffen davon sind vor allem Diesel-PKW. Die sog. Umweltplaketten bleiben davon allerdings unberührt: Autofahrer können auch weiterhin mit den Euro 4- und Euro 5-Plaketten in die Umweltzonen der Innenstädte einfahren.

  • Notruf per E-Call

Neue PKW und leichte Nutzfahrzeuge müssen spätestens ab kommenden Oktober über das automatische Notrufsystem E-Call (Emergency Call) verfügen. Dieses setzt automatisch einen Notruf an die Rufnummer 112 ab, sobald ein Airbag auslöst. Auch werden dann Positionsangaben und die letzte Fahrtrichtung übermittelt.

  • Neue DIN-Norm für Verbandskästen

Verbandskästen müssen ab kommenden Jahr die geänderte DIN-Vorschrift 13164 erfüllen. Alte Verbandskästen dürfen allerdings noch bis zu ihrem Verfallsdatum weiter genutzt werden.

  • Neue Versicherungs-Typklassen

Die Kfz-Versicherer hatte angekündigt, für rund ein Viertel aller zugelassenen Fahrzeuge die Typklassen in der Haftpflichtversicherung zu ändern. Danach sollen 14 % hoch- und 12 % der Fahrzeuge heruntergestuft werden. In der Vollkaskoversicherung müssen sogar fast 50 % der Autofahrer mit Änderungen rechnen. Hier werden 10 % der Fahrzeuge hoch- und 36 % heruntergestuft. Ähnlich sieht es bei der Teilkaskoversicherung aus. Die entsprechenden Policen dürften inzwischen vorliegen, so dass jeder schon weiß, ob er mehr oder weniger zahlen muss.

Quelle für die o.a. Hinweise: ZAP Heft 2/15-2014

Schadensersatz nach Haftbefehl? Die Hürden liegen hoch

HaftSchadensersatz nach Haftbefehl? Passt das zusammen bzw. geht das? Ja, grundsätzlich geht das und die Anspruchsgrundlage ist dann § 839 BGB. Dass das geht und wie das geht bzw., worauf man achten muss, zeigt das LG Köln, Urteil v. 28. 10. 2014 – 5 O 331/13. Gegen den Kläger war wegen des Verdachts von Steuerdelikten ermittelt worden.  Mit seiner Klage hatte er die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Landes NRW geltend gemacht und dies u.a. damit begründet, dass die Staatsanwaltschaft zu Unrecht einen Haftbefehlsantrag gestellt habe. Der erhobene Vorwurf der Steuerhinterziehung sei nicht gerechtfertigt gewesen. Einen weiteren Verstoß gegen Amtspflichten hat der Kläger darin gesehen, dass die tätig gewordene Staatsanwaltschaft mit einer Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität die Ermittlungen willkürlich an sich gezogen habe, obwohl eine andere Staatsanwaltschaft örtlich zuständig gewesen sei, was zum Entzug des gesetzlichem Richters geführt habe. Mit seiner Schadensersatzklage, mit der Anwalts-, Steuerberater- und Gutachterkosten in großem Umfang geltend gemacht worden sind – und außerdem ein Schmerzensgeld für die Haftunterbringung – hatte der Kläger keinen Erfolg.

Das LG hat die Klageabweisung im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen begründet (den Rest in dem mehr als 30 Seiten langen Urtel bitte selbst lesen 🙂 ):

  • Die Pflicht der Strafverfolgungsorgane zur Beachtung der dem Schutz und der Verteidigung des Beschuldigten dienenden strafprozessualen Vorschriften begründe zwar grundsätzlich Amtspflichten gegenüber dem Beschuldigten. Insbesondere obliege der Staatsanwaltschaft die Amtspflicht, Ermittlungen nur bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten einzuleiten. Bei der Beurteilung dessen habe die Staatsanwaltschaft die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihr zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Dabei begründe jedoch nicht jeder objektive Irrtum einen Schuldvorwurf: Könne die Rechtsansicht als vertretbar angesehen werden, so entfalle ein Verschulden. Voraussetzung sei aber, dass die letztlich unzutreffende Rechtsansicht nicht nur vertretbar, sondern aufgrund sorgfältiger Prüfung gewonnen worden war.
  • Bei der haftungsrechtlichen Beurteilung eines Haftbefehlsantrags sei zudem zu beachten, dass, sofern der Erlass eines Haftbefehls mangels dringenden Tatverdachts abgelehnt oder ein erlassener Haftbefehl aufgehoben worden ist, nicht ohne weiteres auf ein pflichtwidriges Verhalten der antragstellenden Staatsanwaltschaft geschlossen werden könne. Pflichtwidriges Handeln sei ihr nur dann anzulasten, wenn sie bei einer sachgerechten Würdigung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts – anders als im entschiedenen Fall – nicht der Annahme sein durfte, die beantragte Maßnahme – der Erlass des Haftbefehls – könne gerechtfertigt sein.
  • Im Übrigen seien im Amtshaftungsprozess Maßnahmen, bei denen den Strafverfolgungsorganen und insbesondere der Staatsanwaltschaft bei strafprozessualen Rechten ein Beurteilungsspielraum zusteht, nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie – bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege – vertretbar sind. Vertretbarkeit dürfe in solchen Fällen nur dann verneint werden, wenn auch unter Berücksichtigung der genannten Belange des Ermittlungsverfahrens die Ermittlungsmaßnahmen gegen den Beschuldigten – anders als im entschiedenen Fall – nicht mehr verständlich sind. Schließlich kämen unter Umständen bei Verletzung von Bestimmungen über die Zuständigkeit Amtshaftungsansprüche gegen die Anstellungskörperschaft des Beamten, der zu Unrecht und in Kenntnis seiner Nichtzuständigkeit Amtshandlungen wahrnimmt, zwar in Betracht, wenn die verletzten Bestimmungen drittschützenden Charakter haben. Eine Schadensersatzpflicht der Anstellungskörperschaft komme aber nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass ein Schaden bei dem vermeintlich Geschädigten nicht eingetreten wäre, wenn die Amtshandlung von dem zuständigen Amtswalter vorgenommen worden wäre. Insofern sei der Beklagte berechtigt, sich auf rechtmäßiges Alternativverhalten zu berufen: Er könne – wie vorliegend geschehen – einwenden, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden.

Also: Die Hürden liegen hoch.