Da hat sich die Frau Sachverständige aber im Ton vergriffen = Befangen

© eccolo - Fotolia.de

© eccolo – Fotolia.de

So ganz häufig sind erfolgreiche Ablehnungen von Sachverständigen im Strafverfahren (§ 74 StPO) m.E. nicht. Deshalb ist m.E. ein (amtsgerichtlicher) Beschluss, durch den ein AG eine Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Verfahren nimmt, berichtenswert.

Zum Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaftt hatte gegen einen Angeklagten Anklage wegen Raubes erhoben. Nach Zustellung der Anklage und Pflichtverteidigerbestellung ersucht das  AG die Staatsanwaltschaft um die Durchführung von Nachermittlungen. Diese waren nach Auffassung des AG erforderlich, weil ausreichende Ermittlungen zum Gesundheitszustand des mutmaßlich Geschädigten fehlten. Diese Nachermittlungen ergeben, dass der Zeuge an schwerwiegenden psychischen Erkrankungen leidet und deshalb aufgrund betreuungsrichterlicher Beschlüsse wiederholt geschlossen untergebracht, wurde. Das AG hält nun die Einholung eines Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben des Zeugen für erforderlich. Zur Sachverständigen wird eine Fachärztin für Psychiatrie bestellt. Diese fertigt ein vorläufiges schriftliches Gutachten. Zu dem nimmt dann der Verteidiger Stellung und beanstandet Mängel, zusammengefasst: Das Gutachten entspricht nicht den Anforderungen von BGHSt 45, 99.

Nunmehr wird der Sachverständigen aufgegeben, zum Schriftsatz der Verteidigung und den dort erhobenen Einwendungen Stellung zu nehmen. Und sie nimmt Stellung, und zwar führt „die Sachverständige unter anderem aus, dass „der Herr Verteidiger wohl kaum jemals ein echtes aussagepsychologisches Gutachten zu Gesicht bekommen hat“. Ferner bittet die Sachverständige „um Nachsicht, sollte sie ihre differentialdiagnostischen Ausführungen zu fachspezifisch“ dargestellt haben, auch spricht Sie – offensichtlich auf den Verteidiger gemünzt – von einem „Laien“. Auch habe der Verteidiger fachpsychiatrische Gutachten mit aussagepsychologischen Gutachten verwechselt.“ Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Verteidiger erhobenen Einwendungen erfolgt nicht, zumindest nicht ausreichend.

Der Verteidiger lehnt daraufhin die Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der AG Backnang, Beschl. v. 14.02.2013 –  2 Ls 113 Js 112185/12 – sagt: Zu Recht, denn: Ein Sachverständiger muss  zwar gänzlich unsubstantiierte, polemische oder gar beleidigende Angriffe gegen seine Person und/oder seine Arbeitsweise nicht hinnehmen. Zeigt er hierbei nachvollziehbare Emotionen oder auch Empörung, begründet dies – so das AG – die Besorgnis der Befangenheit nicht. Andererseits darf aber der Angeklagte ebenso wie die weiteren Verfahrensbeteiligten auch erwarten, dass Sachverständige auf sachliche Einwendungen ebenso sachlich reagieren und zu Fragen und Beanstandungen der Verfahrensbeteiligten in angemessener Weise Stellung nehmen. Und da hatte sich die Frau Sachverständige nach Auffassung des AG im Ton vergriffen:

1. In vorliegender Sache verhält es sich jedoch so, dass der Schriftsatz des Verteidigers durchweg in sachlichem Ton gehalten ist, und der Angeklagte darf ebenso wie die weiteren Verfahrensbeteiligten erwarten, dass Sachverständige auf sachliche Einwendungen ebenso sachlich reagieren und zu Fragen und Beanstandungen der Verfahrensbeteiligten in angemessener Weise Stellung nehmen. Dies hat die abgelehnte Sachverständige vorliegend nicht getan. Zu den substantiiert und unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragenen Einwendungen nimmt sie in dem nunmehr monierten Schreiben allenfalls am Rande Stellung, teilweise beschränken sich die Ausführungen auf einen einzigen Satz. Der Auffassung der Staatsanwaltschaft, es liege inhaltlich eine „erschöpfende“ Auseinandersetzung mit den Inhalten des Verteidigervorbringens vor, vermag das Gericht daher nicht beizutreten.

 2. Diese Verhaltensweise in Verbindung mit der Tonart, in der die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen gehalten ist, begründet aus Sicht eines verständigen Angeschuldigten die Besorgnis der Befangenheit. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass sich die kritisierten Bemerkungen der Sachverständigen nicht gegen den Angeschuldigten, sondern „nur“ gegen den Verteidiger richten. Ebenso wenig wurde verkannt, dass die Rechtsprechung wiederholt entschieden hat, dass Spannungen zwischen Richter bzw. Sachverständigen und Verteidiger grundsätzlich nicht geeignet sind, das Vertrauen des Angeklagten in die Unparteilichkeit zu beeinträchtigen. Diese Rechtsprechung betrifft jedoch in aller Regel Fälle, in denen Spannungen durch unangemessenes Verhalten des Verteidigers provoziert wurden; ein Verteidiger soll es nicht in der Hand haben, durch Provokationen des Gerichts selbst Ablehnungsgründe zu schaffen.“

Und da diese Spannungen sich nach Auffassung des AG auch auf den Angeklagten übertragen können, hat es den Sachverständigen aus dem Verfahren „ausgeschlossen“. Also: Lieber „sine ira et studio“, Frau/Herr Sachverständige(r).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert