PoliscanSpeed – jetzt erst recht nicht standardisiert?

Poliscan Speed - RadarDer Streit in der Frage, ob PoliscanSpeed ein standardisietes Messverfahren ist, oder nicht, wird seit einiger zeit recht heftig geführt: Auf der einen Seite die OLG, die das Messverfahren mit Zähnen und Klauen verteidigen, wie hier den zuletzt bekannt gewordenen OLG Bamberg, Beschl. v. 26.04. 2013 – 2 Ss OWi 349/13 – (s. dazu: “Auch du mein Sohn Brutus” – OLG Bamberg zu PoliscanSpeed, oder: Das haben wir immer schon so gemacht).  Die OLG setzen sich m.E. mit den Einwänden gegen das Messverfahren, die von einigen AG, die ihnen die Gefolgschaft verweigern, nicht auseinander (vgl. hier als eines der ersten AG das AG Aachen, Urt. v. 10.12.2012 – 444 OWi-606 Js 31/12-93/12 – und dazu Na bitte, geht doch: Poliscan Speed ist nicht standardisiert…). Dass es allerdings auch andere gibt, will ich nicht verschweigen, wir sind ja ausgewogen (vgl. also hier das  AG Pinneberg, Urt. v. 29.10.2013 – 31 OWi 82/13).

Jetzt hat sich in dem Streit in einer umfassenden Stellungnahme auch die PTB zu Wort gemeldet und zur Entscheidung des AG Aachen Stellung genommen (vgl. http://www.ptb.de/cms/fachabteilungen/abt1/fb-13/stellungnahme.html).

Mich überzeugt das nicht – wobei ich allerdings einräume, dass ich kein Techniker bin.

Zunächst: Lassen wir das Verfahren der PTB mal außen vor, obwohl man sich schon fragt, ob es Aufgabe der PTB ist, sich zu einem gerichtlichen Entscheidung in der Weise zu äußern. Auch der Ton ist m.E. „gewöhnungsbedürftig“.

Im Übrigen: Die umfangreiche Stellungnahme der PTB und die wortreichen Erläuterungen und Erklärungen zeigen m.E. mehr als deutlich, dass PoliScanSpeed entgegen der von den OLG vertretenen Auffassung eben nicht nicht als standardisiertes Verfahren angesehen werden kann. Konkret haben sich die OLG mit den „Einwänden“ und Argumenten der AG bislang ja auch nicht auseinander gesetzt, sondern sich auf das Argument zurückgezogen: Zulassung der PTB = Standardisiert.

Übersehen wird von der PTB auch, dass es letztlich eine Frage der richterlichen Überzeugungsbildung ist, ob der Amtsrichter eine Messung mit PoliScanSpeed einer Verurteilung zugrunde legt oder ob er dieses wegen der gegen das Verfahren vorgetragenen Mängel als nicht ausreichend ansieht, um Grundlage einer Verurteilung sein zu können. Eine zwingende Beweisregel hat die Etikettierung eines Messverfahrens als „standardisiertes Verfahren“ nicht zur Folge.

Für den Verteidiger gilt: Er muss sich mit den „Einwänden“ der PTB gegen das Urteil des AG Aachen auseinandersetzen und ggf. dazu einen Sachverständigen befragen. Im Verfahren ist dann konkret zu Poliscan Speed und zu Messfehlern vorzutragen. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weitergeht, und zu welchen Ergebnissen die Sachverständigen, die jetzt sicherlich in den Verfahren das Wort bekommen werden, kommen.

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3 Gedanken zu „PoliscanSpeed – jetzt erst recht nicht standardisiert?

  1. ak

    Die Ausführungen der PTB sind ja wohl ein Griff ins Klo:

    Punkt 3b
    Der Sachverständige redet von Black Box und Patentschutz statt wie von der PTB behauptet von einem Fehlen einer persistenten Speicherung.

    Punkt 4a
    Referenzmessungen sind sehr wohl notwendig. Womit soll man sonst die Korrektheit beweisen? Schon mal was von Doppelblindstudie gehört?

    Und was bedeutet der nebulöse Teilsatz „Abweichung signifikant unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Verkehrsfehlergrenze“? Wie hoch ist die? Wer, welche Verordnung oder welches Gesetz legt die fest? Womit wird die technisch begründet?

    Und das ist nur das, was mit beim ersten Lesen aufgefallen ist. Die PTB hätte lieber schweigen sollen. Mit diesen Äußerungen wird nur die Neugierde von Technikern angeregt sich mal mit dem Laden und deren Methoden näher auseinander zu setzen. Nach obigem Text kann das aber sicher nicht im Interesse des PTB liegen.

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  3. mendel

    Technisch überzeugt mich die Stelllungnahme der PTB auch nicht. In B.4.c) wird folgendes ausgeführt: „nicht mehr zugelassenen Version der Gerätesoftware, die sich durch eine relativ große maximale Verzugszeit (2 s) zwischen letzter Fahrzeugerfassung und Fotoauslösung auszeichnet. [..] Die defekten Einzelgeräte zeigten in ca. 2 von hundert Fällen unzulässige Verzögerungen bei der Fotoauslösung im Bereich von ca. 0,10 ms bis 0,15 ms. Für den Anwender waren die defekten Geräte stets anhand nicht verwertbarer Fotos erkennbar. Bei der im vorliegenden Fall eingesetzten Gerätesoftware 1.5.5 können beide Effekte zuverlässig ausgeschlossen werden. [..]
    1. Begrenzung der maximalen Verzugszeit zwischen letzter Fahrzeugerfassung und Fotoauslösung auf 0,75 s
    2. Verschärfung der Kriterien für die Bildauslösung“.
    Hier gibt die PTB zu, dass ein geeichtes Gerät so defekt sein kann, dass das Messbild nicht verwertbar ist. Weder die Eichstelle noch das Gerät selbst (via Selbstdiagnose) haben diese Defekte erkannt. Dies begründet erhebliche Zweifel daran, ob Gerätefehler, die dennoch zu scheinbar verwertbaren Fotos führen, von der Eichstelle erkannt würden bzw. am Gerät selbst deutlich werden. Offensichtlich war auch diese Konstellation nicht Teil des Zulassungsverfahrens der PTB.
    Zusätzlich verwirrend ist auch, dass im selben UNterpunkt von Auslöseverzögerungen von 2s und 10 ms gesprochen wird, die sich um immerhin 2000% unterscheiden. Inwieweit das angesprichene Update sich auf die Verzögerungen im ms-Bereich tatsächlich ausgewirkt hat, bleibt im Dunkeln.

    Bedenklich bleibt, dass hier rechtsstaatliche Vorgänge auf Mechnismen gestützt werden, die sich der rechtsstaatlichen Überprüfung entziehen. Die Problematik ähnelt der bei den Wahlmaschinen, wo die PTB ebenfalls die Prüfung übernommen hat und sich hinterher herausgestellt hat, dass diese Maschinen wohl doch nicht so sicher sind, wie ihnen die PTB bescheinigt hat. Und natürlich gab es auch hier keine unabhängige Kontrollmöglichkeit. Dass die Funktionsweise der von Behörden eingesetzten Software und Hardware in juristisch sensiblen beriechen transparent und überprüfbar zu erfolgen hat, muss sich im Lauf der Zeit durchsetzen. Zumindest das hätte man seit 2007 aus der „Bundestrojaner“-Debatte lernen können; da ging es um Funktionen der Software, die das rechtswidrige Manipulieren von Daten auf den Rechnern der überwachten Personen möglich machten.

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