Imme wieder Kampf um die Terminsverlegung, oder: Die Gefahr der Prozessordnungswidrigkeit

© a_korn - Fotolia.com

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Welcher Verteidiger kennt ihn nicht? Den Kampf um den Termin und/oder die Terminsverlegung. Mit Zähen und Klauen werden gerade einmal bestimmte Termine häufig verteidigt, obwohl eine Umterminierung ohne weiteres möglich sein sollte. So offenbar auch beim AG Wolfsburg, das einen Terminsverlegungsantrag des Verteidigers abgelehnt hatte. Der war dagegen in die Beschwerde gegangen und jetzt beim LG Braunschweig obsiget (vgl. hier den LG Braunschweig, Beschl. v. 09.01.2014 – 13 Qs 4/14).

Vorliegend hat das Amtsgericht Wolfsburg das ihm eingeräumte Ermessen evident fehlerhaft ausgeübt. Auch wenn der Verteidiger weder einen Anspruch auf Terminverlegung noch auf vorherige Terminabsprache hat, so läuft der verfügende Richter dennoch Gefahr, prozessordnungswidrig zu handeln, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl seines Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminierung hatte nehmen können (vgl. LG Dortmund: Beschluss vom 20.10.1997 – 14 (XI) Qs 71/97). Dies gilt zumindest dann, wenn dem Interesse des Angeklagten auf Verteidigung durch einen Verteidiger seines Vertrauens der Vorrang vor dem Beschleunigungsgebot zu gewähren ist.

 Bei seiner Ermessensausübung hätte das Amtsgericht berücksichtigen müssen, dass dem Angeklagten ein Diebstahl im besonders schweren Fall gemäß §§ 242, 243 StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten vorgeworfen wird. Zur Durchführung der Hauptverhandlung werden, wie aus der Anklage und der Verfügung vom 23.12 2013 ersichtlich ist, insgesamt 8 Zeugen benötigt. Aufgrund der zu erwartenden Rechtsfolge und des Umfangs der Beweisaufnahme liegt ein gesteigertes Interesse des Angeklagten an einer Verteidigung durch einen Verteidiger seines Vertrauens vor. Demgegenüber muss das Beschleunigungsgebot hier zurücktreten. Entscheidungen, wie z.B. über Untersuchungshaft, Führerscheinentzug, Beschlagnahme etc., die eine besondere Beschleunigung des Verfahrens gebieten, sind nicht zu treffen. Ein Ausweichtermin ist seitens des Verteidigers in 3 Monaten angeboten worden. Dies stellt bei dem vorliegenden Verfahren keinen mit dem Grundsatz des Beschleunigungsgebotes nicht mehr zu vereinbarenden Zeitverzug dar. Eine Rücksprache des Gerichts mit dem Verteidiger, bei der gegebenenfalls ein auch früherer Verhandlungstermin hätte vereinbart werden können, ist nicht erfolgt.

Recht deultiche Worte, die das LG gefunden hat. Und wenn man liest: „… so läuft der verfügende Richter dennoch Gefahr, prozessordnungswidrig zu handeln, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl seines Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminierung hatte nehmen können…“ dann dürfte das nach Auffassung des LG wohl heißen: Vorherige Terminsabsprache ist erforderlich bzw. über einen Terminsverlegungswunsch muss man miteinander reden. Und wenn das Gericht das nicht tut, handelt es ggf. „protessordnunswidrig“ = dann dürften die Vorschriften der §§ 24 ff. StPO grüßen.

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6 Gedanken zu „Imme wieder Kampf um die Terminsverlegung, oder: Die Gefahr der Prozessordnungswidrigkeit

  1. Cepag

    Meine Erfahrung ist, dass langjährige erfahrene Strafrichter fast immer Termine tel. abstimmen. So einen „Kampf um verlegung“ kenne ich in erster Linie von manchen Owi-Richtern, oder von überwiegenden Zivilrichtern, die einen kleinen Abteil StraR mit im Dezernatsportfolio haben.
    IN der Tat ist der Befangenheitsantrag, gestellt eine halbe Stunde vor dem Termin das Probate Mittel. Egal ob er durchgeht, jedenfalls platzt der Termin immer.
    Letztendlich macht ein ignorantes Nicht-Verlegungsverhalten sowohl dem Richter als auch dem Verteidiger zusätzliche Arbeit.
    Aber wie gesagt, 90 % der Strafrichter stimmen Termine ab.

  2. GKutscher

    Ich komme da einfach nicht mit. Wo ist denn da eine Beschleunigung, wenn man sich mit Schlachten auf solchen Nebenkriegsschauplätzen einen Haufen Arbeit macht. Gerade im Owi-Referat ist es doch überhaupt kein Problem, einen Termin zu verlegen. Da gibt´s doch jede Menge andere Verfahren, die die Lücke im Terminstag nach einer Terminverlegung ausfüllen könnten. Und wenn nicht, sollte man einfach mal seine gesamte Terminierungsstrategie unter die Lupe nehmen. Könnte helfen. Es bricht doch kein Zacken aus der Krone, wenn man als RichterIn wenigstens etwas flexibel ist.

    Wen´s interessiert: Ich komme einfach nicht dazu, Termine in Owi´s telefonisch abzusprechen. Dafür genügt bei mir aber auch eine Mail oder Fax für einen Terminverlegungsantrag und wenn man mit den Verteidigern vernünftig umgeht, schicken die einem auch von selbst Terminvorschläge mit. Wo ist also das Problem der KollegInnen RichterInnen? Auch ein gutes Mittel: Bei Neueingang Akten nach Verteidiger sortieren und Sammeltermine machen, die dann vorher telefonisch abgesprochen werden. Und möglichst langfristig terminieren. Selbst schuld, sag` ich, wenn die Ladungen erst kurz vorm Termin rausgehen und man dann mit Terminverlegungsanträgen bombadiert wird. Strategisch denken.

    Haben wir nichts Besseres zu tun, als solche Entscheidungen zu verursachen?

    Danke für die Aufmerksamkeit 🙂

  3. meine5cent

    Im konkreten Fall meine ich, dass das vom Vereidiger im Verlegungsantrag gemachte Angebot eines Ausweichtermins erst in 3 Monaten auch nicht gerade glücklich ist. Das ist schon ein recht ordentlicher Zeithorizont.

    @GKutscher:
    Kommt wohl auch auf den Zuständigkeitsbezirk an, ob die nach Verteidigern geordneten Sammeltermine so klappen. Wenn man hauptsächlich Kundschaft aus dem eigenen Gäu nebst bekannten Verteidigern hat, geht das schon. Wenn man eine BAB im Zuständigkeitsbezirk hat, kann man vermutlich eher damit rechnen, dass vermehrt Verteidiger aus dem ganzen Bundesgebiet auftreten.

  4. T.H., RiAG

    Entgegen manch gängigen Vorurteils sitzen Richter nicht den ganzen Tag nur herum und warten, bis die Zeit rumgeht, und es stehen in einem halbwegs ausgelasteten Referat auch nicht beliebig Termine zur Verfügung. Haftsachen und Führerscheinverfahren machen einem den Kalender schnell voll und können natürlich auch nicht beliebig verlegt werden. Das Abstimmen aller Termine ist zeitlich kaum möglich und, wenn der Vorlauf (wie meistens) lange genug ist, auch nicht erforderlich, jedenfalls beim kleinen AG-Fall mit 45 oder 60 Minuten Verhandlungsdauer. Wenn man dann einen beim Verteidiger bereits belegten Termin erwischt, wird halt unkompliziert verlegt, gibt dann auch keinen Ärger. Wirklich erforderlich sind Abstimmungen i.d.R. nur bei größeren Sachen oder bei Anwälten, von denen man weiß, dass sie aktuell in irgendeinem Großverfahren beim LG mehrere Tage/Woche blockiert sind.

    Die meisten Richter wissen im Übrigen durchaus, dass auch RAe ihre Zeit nicht gestohlen haben, außerdem versaue ich mir nicht ohne Not die Verhandlungsatmosphäre, indem ich schon vorher sinnfrei wegen des Termins herumstreite. Was allerdings auch nicht geht sind Verlegungsanträge, die Wochen oder Monate nach Zugang der Ladung gestellt werden, und das am besten noch ohne Angabe von Gründen, oder, wie kürzlich selbst erlebt: der Mandant wird alleine in den termin geschickt und richtet den – selbstverständlich mit keinerlei konkreter Begründung versehenen – Verlegungsantrag mündlich aus (war dann der erste abgelehnte Verlegungsantrag seit 8 Monaten). Wer so agiert, muss sich nicht wundern, wenn sich das Gericht daran erinnert, dass es eben doch nicht immer und unter allen Umständen gehalten ist, Termine zu verlegen.

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