Bedingter Widerspruch? Zulässig und zu beachten..

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Das Beschlussverfahren nach § 72 OWiG  ist im Grunde einfach durchzuführen: Wenn der Betroffene und die StA dem Verfahren nicht widersprechen, kann es durchgeführt werden. Dabei ist man sich darüber einig, dass der Betroffene sein Einverständnis mit der Entscheidung im Beschlusswege auch unter einer Bedingung erteilen kann. Ein solches Einverständnis hatte in einem beim AG Castrop-Rauxel anhängigen Verfahren der Betroffene abgegeben und sich mit der Verurteilung wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 1.000 € und einem einmonatigen Fahrverbot – unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ – einverstanden erklärt. Das AG entscheidet durch Beschluss und verhängt die Rechtsfolgen, verurteilt allerdings wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Und das hat das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 21.05.2013 – 1 RBs 65/13 – beanstandet:

„…Weiter heißt es dann in der Stellungnahme des Verteidigers des Betroffenen: „Diese Entscheidung kann gem. § 72 OWi-Gesetz durch Beschluss ohne Hauptverhandlung entschieden werden.“ Damit ist die Einwilligung in eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss bedingt gewesen. Dies bedeutet, dass ein Widerspruch insoweit vorliegt, als das Gericht von der vom Betroffenen akzeptierten Schuldform oder Rechtsfolge zu seinem Nachteil abweicht.  Die Zulässigkeit der Zustimmung zum Beschluss verfahrenunter einer Bedingung ist jedenfalls für den Fall allgemein anerkannt, dass es – wie hier – ausschließlich in der Hand des Gerichts liegt, der Bedingung zu entsprechen oder nicht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.1992 -5 Ss OWi 332/92 – […]; OLG Hamm NStZ 1982, 388). Der für Rechtsmittel geltende Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit gilt hier nicht, weil es sich bei dem Widerspruch nicht um ein Rechtsmittel, sondern um ein prozessuales Gestaltungsrecht handelt (OLG Düsseldorf a.a.O. m.w.N.). Der Betroffene hat hier nur einer Verurteilung im Beschlusswege wegen einer fahrlässigen Begehung zugestimmt, nicht aber – wie geschehen – wegen einer Vorsatztat. Damit hat das Amtsgericht trotz des für die konkrete Entscheidung vorliegenden Widerspruchs des Betroffenen nach § 72 OWiG entschieden.

Durch diese Entscheidung ist der Betroffene – entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft – auch beschwert. Die Beschwer entfällt nicht deshalb, weil das Gericht lediglich die vom Betroffenen akzeptierten – äußerst milden – Rechtsfolgen festgesetzt hat. Würde die Festsetzung einer von einem Betroffenen bzw. Angeklagten – insbesondere z.B. im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO – akzeptierten Rechtsfolge die Beschwer des Betroffenen bzw. Angeklagten entfallen lassen, so wäre ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, die exakt der Absprache entspricht, immer unzulässig. Dies entspricht aber nicht dem gesetzlichen Regelungskonzept. Nach § 302 Abs. 1 S. 2 StPO ist gerade ein Rechtsmittelverzicht unzulässig, wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Das zeigt, dass es (zulässige) Rechtsmittel auch gegen eine vom Betroffenen/Angeklagten akzeptierte Rechtsfolge geben muss.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich die Heraufsetzung der Geldbuße von 600 auf 1.000 Euro damit begründet, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Auch wenn die festgesetzte Rechtsfolgen angesichts der Schwere eines Geschwindigkeitsverstoßes der vorliegenden Größenordnung – auch bei unterstellter fahrlässiger Begehung – mild erscheinen, kann der Senat deshalb letztlich nicht ausschließen, dass das Amtsgericht bei einer Würdigung der Tat als Fahrlässigkeitstat zu einer milderen Bestrafung gekommen wäre. Es kann auch letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht bei Durchführung der – mangels Zulässigkeit des Vorgehens nach  72 OWiG – erforderlichen Hauptverhandlung zu Erkenntnissen hätte kommen können, die  die Annahme einer fahrlässigen Begehungsweise hätten begründen können (vgl. dazu OLG Hamm, Beschl. v. 18.12.2012 – III – 1 RBs 166/12 – […]).“

Ich vermute mal, dass es Kommentare geben wird mit dem Tenor: Was das soll, denn der Betroffene habe ja erklärt, dass er mit den verhängten Rechtsfolgen einverstanden sei. Richtig, aber es ist immer noch etwas anderes, ob ich wegen vorsätzlicher oder wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt werde. Und: Auf (weiteres) rechtliches Gehör ist eben nur unter eine Bedingung verzichtet worden. Die ist aber nicht eingetreten.

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